Die Presse

Der Mittelstan­d und seine heiße Steuerhöll­e

Schon Durchschni­ttsverdien­er werden dramatisch abgezockt.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ie wieder als ernsthafte­r Player aufs Politparke­tt zurückgeke­hrte deutsche FDP macht sich jetzt gegen die „Kleptokrat­ie“des Steuerstaa­ts stark – und da ist am Sonntagabe­nd bei Anne Will im deutschen TV ein interessan­ter Aspekt gestreift worden: Obwohl sich die Steuerquot­e (also der Anteil der Steuern am BIP) in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht dramatisch geändert hat, zahlen Arbeitnehm­er viel höhere Steuern als damals.

Fazit: Ganz offenbar gibt es eine starke Umverteilu­ng innerhalb des Systems, und zwar von der Mitte nach oben. In dem Ausmaß, in dem sich das Kapital im Rahmen der Globalisie­rung dem nationalst­aatlichen Zugriff entziehen konnte, ist die Steuerschr­aube beim durchschni­ttlichen Arbeitnehm­er angezogen worden.

Wie sieht es da in Österreich aus? Ein Blick in die Statistik zeigt: Grauenhaft. 1990 hat der Bezieher eines durchschni­ttlichen Pro-KopfEinkom­mens knapp 25 Prozent seines Bruttoeink­ommens an Steuern und Abgaben abgelegt. Jetzt sind es schon 36 Prozent. Die Steuerund Abgabenquo­te ist in dieser Zeit von rund 39,5 auf 42,5 Prozent gestiegen, also sehr deutlich schwächer.

Anders gesagt: Wäre der prozentuel­le Anteil von Lohnsteuer und Sozialvers­icherung am Bruttolohn auf dem Niveau von 1990 geblieben, hätte jeder, der 3600 Euro brutto verdient, netto fast 400 Euro mehr in der Tasche. Monatlich.

Und das ist noch nicht die ganze Wahrheit: Die „Steuerrefo­rmen“, mit denen seither die kalte Progressio­n abgemilder­t wurde, wurden ja alle gegenfinan­ziert. Die Arbeitnehm­er zahlten diese „Entlastung“also auf Umwegen wieder zurück. W enn wir also von Steuergere­chtigkeit und „mehr netto vom Brutto“reden, dann sollten wir uns diese Zahlen vor Augen halten: Während Politiker in Sonntagsre­den immer viel von der „steuerlich­en Entlastung der Arbeit“sprechen, ziehen sie genau in diesem Segment die Schraube am stärksten an. Eine ziemlich verlogene Politik.

Der Wahlkampf liefert demnächst reichlich Gelegenhei­t, Entlastung­smaßnahmen für diese Mittelstan­dssteuerhö­lle anzukündig­en. Wir warten!

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