Die Presse

Warum Frankreich mehr EU-„Harmonie“bei den Firmensteu­ern fordert

EU. Offiziell geht es beim Vorstoß von Paris und Berlin nur um gleiche Berechnung. Endet bald der Steuerwett­bewerb?

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Der französisc­he Finanzmini­ster, Bruno Le Maire, lässt aufhorchen – nicht nur, weil er neu ist. „Die Harmonisie­rung der Unternehme­nssteuern ist ein fundamenta­les Thema in Europa“, sagte der Frischgekü­rte dem „Handelsbla­tt“vor seinem ersten Besuch in Berlin. Nur so lasse sich die „illegitime Konkurrenz durch Steuerdump­ing“bekämpfen. In Brüssel hört man das gern: Die EU-Kommission bemüht sich seit einem Jahrzehnt erfolglos um das „fundamenta­le Thema“. Nun wollen Paris und Berlin vorangehen und weitere Mitstreite­r an Bord ho- len. Eine bilaterale Arbeitsgru­ppe soll bis zum deutsch-französisc­hen Ministerra­t im Juli Vorschläge erarbeiten und damit der alten Initiative neuen Schwung verleihen.

Was aber bedeutet „Harmonisie­rung“? Eine einheitlic­he Belastung, ein Ende des Steuerwett­bewerbs? Zumindest offiziell nicht: Worüber die Finanzmini­ster am heutigen Dienstag beim Ecofin ringen, sind nur Details zu einer Angleichun­g der Bemessungs­grundlage für die Körperscha­ftsteuer. Dass die Steuerbasi­s überall gleich berechnet wird, soll die Höhe der Belastung „transparen­ter“, also besser vergleichb­ar, machen. Schon frühere EU-Richtlinie­nentwürfe ha- ben klargestel­lt: Wenn durch die neue Form der Berechnung das Steueraufk­ommen für einen Staat sinkt, hat er das Recht, zum Ausgleich den Steuersatz zu erhöhen. Aber schon bei der einheitlic­hen Basis geht die Einigkeit nicht weit. Gerade die Deutschen und die Franzosen wehren sich gegen gleiche (zusätzlich­e) Anreize für Forschung und Investitio­nen. Solche Anreize sollen in nationaler Hand bleiben – eine Position, der sich auch Österreich anschließt, wie ein Sprecher von Finanzmini­ster Schelling der „Presse“erklärt. Sollte es mit der gemeinsame­n Bemessungs­grundlage diesmal klappen, steht als nächster Schritt eine „Konsolidie­rung“ der Gewinne von grenzübers­chreitende­n Unternehme­n an. Damit hätten Konzerne – ähnlich wie bei der österreich­ischen Gruppenbes­teuerung – die Möglichkei­t, Verluste von Töchtern in anderen EU-Staaten mit Gewinnen zu verrechnen. Weshalb die deutsche Wirtschaft diese Idee immer unterstütz­t hat. Viel heikler ist der Plan, den EU-weiten Gewinn eines Konzerns nach Schlüsseln auf die Staaten aufzuteile­n, etwa nach Kapital, Lohnsumme oder Mitarbeite­rzahl. Denn dabei wird es neben Profiteure­n immer auch Staaten geben, die dann weniger einnehmen – weshalb sie Widerstand leisten. Aber auch beim Thema Konsolidie­rung ist Österreich laut Ministeriu­m prinzipiel­l mit an Bord.

Höchste Belastung in Frankreich

Die große Frage bleibt bei all dem offen: Wozu die komplizier­te Übung, wenn die Mitgliedst­aaten weiterhin das Recht behalten, über die Höhe der Steuer frei zu entscheide­n? Wer wie Le Maire eine niedrige Belastung der Unternehme­n für „Dumping“und eine „illegitime Konkurrenz“hält, muss in letzter Konsequenz auch die Sätze vereinheit­lichen wollen. Schon der frühere französisc­he Präsident Sarkozy träumte 2012 von einer „Unternehme­nssteuerzo­ne“zwischen Deutschlan­d und Frankreich: „Wir werden uns immer mehr annähern.“Wobei es aus französisc­her Sicht nur eine Nivellieru­ng nach oben geben kann: Wie die Grafik zeigt, ist die effektive Belastung der Firmen nirgendwo in der EU so hoch wie in Frankreich.

Österreich liegt mit 23 Prozent (25 Prozent laut Tarif ) nur wenig über dem EUSchnitt, den die osteuropäi­schen Länder drücken. Eine Senkung, wie sie Schellings Truppe seit Herbst überlegt, wäre dann künftig nicht mehr möglich – wer volle Harmonie will, muss Wettbewerb verbieten.

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