Warum Frankreich mehr EU-„Harmonie“bei den Firmensteuern fordert
EU. Offiziell geht es beim Vorstoß von Paris und Berlin nur um gleiche Berechnung. Endet bald der Steuerwettbewerb?
Wien. Der französische Finanzminister, Bruno Le Maire, lässt aufhorchen – nicht nur, weil er neu ist. „Die Harmonisierung der Unternehmenssteuern ist ein fundamentales Thema in Europa“, sagte der Frischgekürte dem „Handelsblatt“vor seinem ersten Besuch in Berlin. Nur so lasse sich die „illegitime Konkurrenz durch Steuerdumping“bekämpfen. In Brüssel hört man das gern: Die EU-Kommission bemüht sich seit einem Jahrzehnt erfolglos um das „fundamentale Thema“. Nun wollen Paris und Berlin vorangehen und weitere Mitstreiter an Bord ho- len. Eine bilaterale Arbeitsgruppe soll bis zum deutsch-französischen Ministerrat im Juli Vorschläge erarbeiten und damit der alten Initiative neuen Schwung verleihen.
Was aber bedeutet „Harmonisierung“? Eine einheitliche Belastung, ein Ende des Steuerwettbewerbs? Zumindest offiziell nicht: Worüber die Finanzminister am heutigen Dienstag beim Ecofin ringen, sind nur Details zu einer Angleichung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer. Dass die Steuerbasis überall gleich berechnet wird, soll die Höhe der Belastung „transparenter“, also besser vergleichbar, machen. Schon frühere EU-Richtlinienentwürfe ha- ben klargestellt: Wenn durch die neue Form der Berechnung das Steueraufkommen für einen Staat sinkt, hat er das Recht, zum Ausgleich den Steuersatz zu erhöhen. Aber schon bei der einheitlichen Basis geht die Einigkeit nicht weit. Gerade die Deutschen und die Franzosen wehren sich gegen gleiche (zusätzliche) Anreize für Forschung und Investitionen. Solche Anreize sollen in nationaler Hand bleiben – eine Position, der sich auch Österreich anschließt, wie ein Sprecher von Finanzminister Schelling der „Presse“erklärt. Sollte es mit der gemeinsamen Bemessungsgrundlage diesmal klappen, steht als nächster Schritt eine „Konsolidierung“ der Gewinne von grenzüberschreitenden Unternehmen an. Damit hätten Konzerne – ähnlich wie bei der österreichischen Gruppenbesteuerung – die Möglichkeit, Verluste von Töchtern in anderen EU-Staaten mit Gewinnen zu verrechnen. Weshalb die deutsche Wirtschaft diese Idee immer unterstützt hat. Viel heikler ist der Plan, den EU-weiten Gewinn eines Konzerns nach Schlüsseln auf die Staaten aufzuteilen, etwa nach Kapital, Lohnsumme oder Mitarbeiterzahl. Denn dabei wird es neben Profiteuren immer auch Staaten geben, die dann weniger einnehmen – weshalb sie Widerstand leisten. Aber auch beim Thema Konsolidierung ist Österreich laut Ministerium prinzipiell mit an Bord.
Höchste Belastung in Frankreich
Die große Frage bleibt bei all dem offen: Wozu die komplizierte Übung, wenn die Mitgliedstaaten weiterhin das Recht behalten, über die Höhe der Steuer frei zu entscheiden? Wer wie Le Maire eine niedrige Belastung der Unternehmen für „Dumping“und eine „illegitime Konkurrenz“hält, muss in letzter Konsequenz auch die Sätze vereinheitlichen wollen. Schon der frühere französische Präsident Sarkozy träumte 2012 von einer „Unternehmenssteuerzone“zwischen Deutschland und Frankreich: „Wir werden uns immer mehr annähern.“Wobei es aus französischer Sicht nur eine Nivellierung nach oben geben kann: Wie die Grafik zeigt, ist die effektive Belastung der Firmen nirgendwo in der EU so hoch wie in Frankreich.
Österreich liegt mit 23 Prozent (25 Prozent laut Tarif ) nur wenig über dem EUSchnitt, den die osteuropäischen Länder drücken. Eine Senkung, wie sie Schellings Truppe seit Herbst überlegt, wäre dann künftig nicht mehr möglich – wer volle Harmonie will, muss Wettbewerb verbieten.