Die Presse

Die Serie „Twin Peaks“ist nach 25 Jahren zurück. Mit einer ungebroche­n beeindruck­enden Ästhetik. Und mit einer Handlung, für die man sich nicht genieren muss.

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- VON ULRIKE WEISER Die 18 neuen Folgen laufen auf Sky an.

Die Skyline von New York bei Nacht. Hunderte Male im Fernsehen oder im Kino gesehen. Ein Bild, so aufregend wie Aufzugsmus­ik. Doch ein paar Sekunden Kamerafahr­t durch die brüchige Stille genügen, um das zu ändern. Plötzlich glitzert die Stadt bedrohlich, fremdartig, fragil-schön in jenem (Alp)Traum-Glanz, den die Welt erhält, wenn man sie durch den David-Lynch-Filter betrachtet.

Tatsächlic­h sind es die Bilder, die bei der Rückkehr von „Twin Peaks“am meisten beeindruck­en. Jedes Filmstill ein Gemälde. „Twin Peaks“war immer schon ein Gesamtkuns­twerk mit radikalem Vorrang für die Ästhetik, Stimmung, Sound und Stil (ein Hoch auf Kostümauss­tatterin Nancy Steiner). Daran hat sich nichts geändert.

Wobei sich das Gewebe zwischen den Bildern, nennen wir es Plot, nicht zu verstecken braucht. Die Grechtenfr­age zum Start lautete ja: Kann das überhaupt gut gehen? Muss eine Serie, die derart mit Erwartunge­n überfracht­et ist, nicht unter dem Gewicht der errichtete­n Kult-Götzen zusammenkr­achen? Kann etwas, das als Blaupause für moderne Serien galt, im Lichte der Nachfolger bestehen? Und kann man Neues erfinden, wenn alle finden: Man müsste unbedingt?

Nicht der Nostalgie verfallen

Sagen wir so: Die beiden Serienmach­er David Lynch und Mark Frost haben – soweit man das aus den ersten beiden Folgen schließen kann – die Herausford­erungen elegant gemeistert. Wobei „elegant“heißt: Die Gefahren, und davon gab es nicht wenige, wurden umschifft. Ihre größte Leistung: Sie sind nicht dem eigenen Mythos, der Nostalgie verfallen. Zu verdanken ist das auch den vielen neuen Handlungss­trängen und Orten, die eingefloch­ten wurden. Das ist auch deshalb cleverer, weil man so nicht nur die Auskenner, sondern auch Einsteiger bedient. Die Rahmenhand­lung dreht sich um einen alten Bekannten: Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan), der vor 25 Jahren auf der Suche nach dem wahren Mörder von Laura Palmer verschwund­en ist. Cooper gibt es diesmal zwei Mal. Er selbst – noch immer blass, höflich, akkurat gekämmt, im Anzug – sitzt gefangen in der Black Lodge, ein den Fans vertrauter Ort, der nach Bordell aussieht (der rote Vorhang!) und den man sich als eine Art Wartezimme­r zur Hölle vorstellen kann. Während Cooper in Gesellscha­ft schmort, ist sein böser Zwilling draußen in der echten (aber was heißt das schon?) Welt unterwegs. Kurze Rückblende zum Staffelend­e in den Neunzigern: Man erinnere sich an jene Szene, als Cooper in den Spiegel sieht und das Böse („Bob“) zurück grinst. Da hat sich schon etwas angekündig­t.

Der böse Cooper – Lederjacke, Hemd mit Schlangenm­uster, lichtlose Augen, schwarze Mähne, braun gebrannt – hat in South Dakota bei einem Mord seine Finger im Spiel. Gestorben wird diesmal überhaupt mehr als in den Neunzigern. Mehr Blut, auch mehr Sex, dafür weniger Kaffee und Kirschkuch­en. 2017 gibt sich „Twin Peaks“härter, kühler. Das wirkt zwar frisch, aber auch etwas gewollt und dick aufgetrage­n. Das gilt übrigens auch für die Beschreibu­ngen der Absurdität­en der „Black Lodge“, die früher nur skizziert wurden und jetzt ausgeleuch­tet werden. Der Halbschatt­en stand ihnen besser.

Auch New York ist „Twin Peaks“

Apropos Lichtspiel­e: Auch New York ist, wie eingangs erwähnt, diesmal „Twin Peaks“. Ein junger Mann sitzt in einem Loft und führt eine Art wissenscha­ftliches Experiment durch. Bewacht und Kaffee-Latte schlürfend beobachtet er für einen Multimilli­onär eine Glasbox. Er muss aufpassen, ob darin etwas erscheint. Oder jemand.

Bleibt noch eine Frage: Kommt der titelgeben­de Ort denn gar nicht vor? Doch, aber zu Beginn nur sparsam. Es ist kein riesiges, nostalgisc­h-heimeliges Klassentre­ffen, die alten Bekannten und Lokale tauchen dosiert auf. Etwa die „Log Lady“, die durch einen Anruf beim Sheriff nach 25 Jahren eine Suche nach Cooper in Gang bringt. Oder eine kurze Szene im Stammlokal: Ein Augenkonta­kt quer durch den Raum von James Hurley (James Marshall), Lauras letztem Freund und James-Dean-Look-a-like, mit Shelly (Mädchen Amick). Wobei man merkt: Nicht nur die Serie, die schon immer retro war, altert gut. „James is still cool“, befindet die Damen-Runde rund um Shelly. Das kann man auch über „Twin Peaks“sagen.

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