Journalisten zwischen Wertschätzung und pauschaler Kanzler-Schelte
Newspaper Congress. Die Zeitungsbranche tagt im Wiener Rathaus – und ist sich ihrer Qualitäten wieder mehr bewusst.
Die Stimmung in der Branche war schon gedrückter. Angesichts von „Fake News“-Diskussionen, „Lügenpresse“-Vorwürfen und anderen Angriffen hat man beim diesjährigen Newspaper Congress im Wiener Rathaus den Eindruck, dass sich die Printbranche wieder ihrer Qualitäten besinnt. Julia Jäkel, Chefin des deutschen Verlagsriesen Gruner+Jahr, wehrt sich dagegen, ihren Verlag ein „Medienhaus“zu nennen (Organisator Johann Oberauer wollte den Titel ihres Vortrags dahingehend ändern): „Das Wort Verlag gilt als altmodisch. Ich finde das überhaupt nicht“, so Jäkel. „Wir publizieren Kreativität und setzen auf die Kraft der Innovation.“Neue Medien inklusive. Während die öffentliche Debatte noch mit den genannten Schmähungen beschäftigt ist, sei in der Leserschaft „der Wunsch nach Seriosität wieder zunehmend spürbar“, sagt sie: „Journalismus erlebt eine neue Wertschätzung.“
Für Magazinpionier Tyler Bruˆle´ sind Printmedien überhaupt das „Premiumprodukt“auf dem Info-Sektor. Etwas, mit dem man gesehen werden will: „Die Leute überlegen sich, welche Sonnenbrille sie aufsetzen, welche Tasche sie nehmen. Und wenn ich die ,Financial Times‘ unter dem Arm trage, dann sagt das etwas über mich und meinen Intellekt aus.“Nicht jedoch, wenn man sie auf dem iPad oder Handy liest. Der kreative Kanadier, der früher nach der Schule Zeitungen austrug (und dafür mit Zeitungen ent- lohnt wurde, weil er noch zu jung war, um Geld zu verdienen), hat 1996 das Lifestyleund Designmagazin „Wallpaper“gegründet (und an Time Warner verkauft). 2007 gründete er das Magazin „Monocle“– und finanziert Journalismus heute mit den Kaffeehäusern und Shops, die zum Unternehmen gehören. Für problematisch hält Bruˆle´ die Art, wie Zeitungen präsentiert werden: Kioske und Zeitungsshops seien meist wenig einladend, ein „Umfeld, wo man sich gar nicht aufhalten möchte“. Print müsse aber auch als Premiumprodukt präsentiert werden. Als Beispiel nennt der polyglotte Verleger das schicke „Open House“in Bangkok, wo man in gediegenem Ambiente neben Hunger und Durst auch die Leselust stillen kann.
Kanzler Kern: „Information als Ware“
Kritisch äußerte sich Bundeskanzler Christian Kern bei der Eröffnung. Er sprach von einer „Spirale des Populismus“: Die Politik würde nach Pointen suchen, die Medien würden diese „willfährig aufnehmen“. In Newsrooms werde zu sehr auf Clicks geachtet (auf Geschichten, die online gut gehen), journalistische Entscheidungen unterlägen einer „rein quantitativen Sichtweise“, so Kerns Pauschalverurteilung. Er wünsche sich eine „konsequente Stärkung des Journalismus“, u. a. durch eine neue Presseförderung – daran ist seine Regierung allerdings gescheitert. Kern schob die Schuld den Verlegern zu, die aus ökonomischen Interessen „versuchen, alle Vorschläge zu bekämpfen“.