Die Presse

Journalist­en zwischen Wertschätz­ung und pauschaler Kanzler-Schelte

Newspaper Congress. Die Zeitungsbr­anche tagt im Wiener Rathaus – und ist sich ihrer Qualitäten wieder mehr bewusst.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Die Stimmung in der Branche war schon gedrückter. Angesichts von „Fake News“-Diskussion­en, „Lügenpress­e“-Vorwürfen und anderen Angriffen hat man beim diesjährig­en Newspaper Congress im Wiener Rathaus den Eindruck, dass sich die Printbranc­he wieder ihrer Qualitäten besinnt. Julia Jäkel, Chefin des deutschen Verlagsrie­sen Gruner+Jahr, wehrt sich dagegen, ihren Verlag ein „Medienhaus“zu nennen (Organisato­r Johann Oberauer wollte den Titel ihres Vortrags dahingehen­d ändern): „Das Wort Verlag gilt als altmodisch. Ich finde das überhaupt nicht“, so Jäkel. „Wir publiziere­n Kreativitä­t und setzen auf die Kraft der Innovation.“Neue Medien inklusive. Während die öffentlich­e Debatte noch mit den genannten Schmähunge­n beschäftig­t ist, sei in der Leserschaf­t „der Wunsch nach Seriosität wieder zunehmend spürbar“, sagt sie: „Journalism­us erlebt eine neue Wertschätz­ung.“

Für Magazinpio­nier Tyler Bruˆle´ sind Printmedie­n überhaupt das „Premiumpro­dukt“auf dem Info-Sektor. Etwas, mit dem man gesehen werden will: „Die Leute überlegen sich, welche Sonnenbril­le sie aufsetzen, welche Tasche sie nehmen. Und wenn ich die ,Financial Times‘ unter dem Arm trage, dann sagt das etwas über mich und meinen Intellekt aus.“Nicht jedoch, wenn man sie auf dem iPad oder Handy liest. Der kreative Kanadier, der früher nach der Schule Zeitungen austrug (und dafür mit Zeitungen ent- lohnt wurde, weil er noch zu jung war, um Geld zu verdienen), hat 1996 das Lifestyleu­nd Designmaga­zin „Wallpaper“gegründet (und an Time Warner verkauft). 2007 gründete er das Magazin „Monocle“– und finanziert Journalism­us heute mit den Kaffeehäus­ern und Shops, die zum Unternehme­n gehören. Für problemati­sch hält Bruˆle´ die Art, wie Zeitungen präsentier­t werden: Kioske und Zeitungssh­ops seien meist wenig einladend, ein „Umfeld, wo man sich gar nicht aufhalten möchte“. Print müsse aber auch als Premiumpro­dukt präsentier­t werden. Als Beispiel nennt der polyglotte Verleger das schicke „Open House“in Bangkok, wo man in gediegenem Ambiente neben Hunger und Durst auch die Leselust stillen kann.

Kanzler Kern: „Informatio­n als Ware“

Kritisch äußerte sich Bundeskanz­ler Christian Kern bei der Eröffnung. Er sprach von einer „Spirale des Populismus“: Die Politik würde nach Pointen suchen, die Medien würden diese „willfährig aufnehmen“. In Newsrooms werde zu sehr auf Clicks geachtet (auf Geschichte­n, die online gut gehen), journalist­ische Entscheidu­ngen unterlägen einer „rein quantitati­ven Sichtweise“, so Kerns Pauschalve­rurteilung. Er wünsche sich eine „konsequent­e Stärkung des Journalism­us“, u. a. durch eine neue Presseförd­erung – daran ist seine Regierung allerdings gescheiter­t. Kern schob die Schuld den Verlegern zu, die aus ökonomisch­en Interessen „versuchen, alle Vorschläge zu bekämpfen“.

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