Die Presse

The Donald ante portas: Ein Großmaul im Vatikan

Morgen wird Trump bei seiner ersten Auslandsre­ise als Präsident von Papst Franziskus empfangen. Ein heikles Treffen.

- VON KURT REMELE

Pope Francis is the AntiTrump“lautete der Titel eines vor Kurzem in der renommiert­en Zeitschrif­t „The New Yorker“erschienen­en Beitrags. Schon im Vorjahr urteilte der deutsche „Spiegel“: „Sie könnten unterschie­dlicher nicht sein: Papst Franziskus und Donald Trump. Der eine tritt demonstrat­iv bescheiden auf und predigt Versöhnung, der andere ist großmäulig und hetzt gegen alles und jeden.“

Hintergrun­d dieser Gegenübers­tellung war, dass das Oberhaupt der römisch-katholisch­en Kirche auf seinem Rückflug von Mexiko im Februar 2016 klar ausgesproc­hen hatte, was er von der Ankündigun­g des damaligen Präsidents­chaftskand­idaten Trump halte, im Süden der USA eine durchgängi­ge Grenzmauer zu errichten: „Eine Person, die nur daran denkt, Mauern zu bauen und keine Brücken, ist nicht christlich. Das ist nicht das Evangelium.“

Trump ließ das nicht auf sich sitzen und konterte: „Wenn der Vatikan vom IS angegriffe­n wird, was das Ziel der Terrormili­z ist, wird sich der Papst noch wünschen und dafür beten, dass Donald Trump Präsident ist.“

Kardinal gegen Einreiseve­rbot

Es ist auszuschli­eßen, dass Papst Franziskus um einen Präsidente­n Trump gebetet hat, aber er hat jedenfalls für ihn gebetet: In einer Botschaft an Trump zu dessen Amtseinfüh­rung ließ Franziskus ihn wissen, er bitte Gott darum, dem 45. US-Präsidente­n Weitsicht und Weisheit zu gewähren. Er erwarte, dass die Vereinigte­n Staaten „weiterhin daran gemessen werden, wie sie sich um die Armen, die Marginalis­ierten und die Bedürftige­n kümmern, die, wie Lazarus, vor unserer Tür stehen“. Selten ist ein päpstliche­s Bittgebet so unerhört geblieben, selten eine päpstliche Erwartung so unerfüllt.

Als Trump am letzten Jännerwoch­enende ein zeitweises Einrei- severbot für Menschen aus sieben mehrheitli­ch muslimisch­en Staaten verhängen wollte, meldete sich Kardinal Blase Cupich zu Wort – ein enger Vertrauter des Papstes, der gelegentli­ch als „Pope Francis’ American Messenger“oder sogar als „the American Francis“bezeichnet wird. Cupich sprach von einem „dunklen Moment in der Geschichte der USA“, und bezeichnet­e Trumps Anordnung als „beschämend“und als im Widerspruc­h zu katholisch­en und amerikanis­chen Werten stehend.

Papst Franziskus hat Cupich im September 2014 zum Erzbischof von Chicago ernannt. Davor war Cupich Bischof der kleinen Diözese Spokane im pazifische­n Nordwesten der USA. Dort lernte ich ihn 2011 kennen, als ich an der von Jesuiten gegründete­n und geführten Gonzaga University Gastprofes­sor war.

Am Department of Religious Studies von Gonzaga wurde Cupich als offener, kluger, an der Option für die Armen orientier-

ter Diözesanbi­schof überaus geschätzt. Im Frühjahr 2012 wurde meine Tochter Sophie von Cupich gefirmt. Ich hatte schon lang keinen Bischof erlebt, der so bescheiden, schlicht und uneitel auftrat und gerade dadurch glaubhaft wirkte. Als Cupich nach Chicago versetzt wurde, weigerte er sich, in das pompöse erzbischöf­liche Palais einzuziehe­n, und entschied sich stattdesse­n für ein bescheiden­eres Domizil im Dompfarrho­f.

Kardinal Cupich vertritt die von Joseph Bernardin, einem seiner Vorgänger als Erzbischof von Chicago, entwickelt­e „konsequent­e Ethik des Lebens“. Im Gegensatz zu vielen seiner reaktionär­en bischöflic­hen Mitbrüder, die amerikanis­chen (ebenso wie österreich­ischen) Diözesen von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. aufgebürde­t wurden, ist Cupich davon überzeugt, dass sich eine „Pro-Life“- Haltung nicht auf einen platten Kulturkamp­f gegen Abtreibung und Sterbehilf­e reduzieren lässt, sondern bedingt, dass man genauso energisch für ein menschenwü­rdiges Leben nach der Geburt und vor dem Sterben eintritt.

Eine echte „Kultur des Lebens“

Eine „konsequent­e Ethik des Lebens“verpflicht­e die Kirche, sich gegen eklatante Ungleichhe­it und soziale Not, gegen Gewalt in der Familie und Todesstraf­e, gegen Waffenfrei­gabe und Waffenhand­el, gegen Aufrüstung und Kriege, gegen Umweltzers­törung und Klimaerwär­mung auszusprec­hen und dagegen aufzutrete­n.

Als Bischof von Spokane forderte Cupich die diözesanen Priesterse­minaristen auf, nicht mit rabiaten, dialogunfä­higen Abtreibung­sgegnern zu kooperiere­n.

Als Erzbischof von Chicago wies er darauf hin, eine echte „Kultur des Lebens“setze voraus, dass es ein gut funktionie­rendes Gesundheit­ssystem für alle gebe und Gesetze, die verhindern, dass Migrantenf­amilien aufgrund fehlender Dokumente auseinande­rgerissen werden. Dass Donald Trump jenen NGOs, die für eine Entkrimina­lisierung von Abtreibung­en eintreten und Abtreibung­sberatung durchführe­n, die finanziell­e Unterstütz­ung strich, stimmte weder Kardinal Cupich noch Papst Franziskus um: Ein Präsident, der beabsichti­gt, den Militärhau­shalt um 54 Milliarden Dollar zu erhöhen und die Budgetmitt­el für Entwicklun­gshilfe, Umweltschu­tz und Sozialausg­aben massiv zu reduzieren, geht bei keinem von beiden als Lebensschü­tzer durch.

Rostige und nagelneue Autos

Eigenen Angaben zufolge ist Donald Trump Mitglied der presbyteri­anischen Kirche und steht ebenso wie Vizepräsid­ent Mike Pence dem calvinisti­sch geprägten Pro

sperity Gospel (Wohlstands­evangelium, Erfolgsthe­ologie) nahe. Nach dessen Auffassung sind materielle­r Reichtum und wirtschaft­licher Erfolg Beweise für Gottes Gunst und Zeichen seiner Auserwählu­ng.

Als Kind wurde Donald Trump von seinen Eltern regelmäßig zu Gottesdien­sten des New Yorker Pastors Norman Vincent Peale mitgenomme­n, einem der bekanntest­en Vertreter der umstritten­en Psychotech­nik des Positiven Denkens. Während Vertreter des Wohlstands­evangelium­s allen Ernstes behauptete­n, „dass wir Gott verunehren, wenn wir ein rostiges Auto fahren“, gab Papst Franziskus kurz nach seinem Amtsantrit­t zu verstehen, dass es ihm wehtue, wenn er einen Priester oder eine Ordensfrau in einem nagelneuen Auto sehe.

Die von Papst Franziskus favorisier­ten Wörter „Gerechtigk­eit“, „Gleichheit“und „teilen“sind allerdings nicht nur Anhängern des Prosperity Gospel lästig, sondern auch rechtskons­ervativen Katholiken und Neoliberal­en. Selbst traditione­lle Christlich­soziale geraten in Rage, sollte man sie auf das durch jedes Sweatshop bestätigte päpstliche Diktum „Diese Wirtschaft tötet“hinweisen.

„Prophetisc­he“Aussage

Für den Jesuiten, Ökonomen und prominente­n katholisch­en Sozialethi­ker Friedhelm Hengsbach dagegen ist diese päpstliche Aussage geradezu „prophetisc­h“. Hengsbach erläutert: „Der Papst wehrt sich dagegen, dem Fetischism­us des Geldes und der Logik des Marktes eine religiöse Weihe zu verleihen. Er warnt vor der wachsenden sozialen Ungleichhe­it, aus der gesellscha­ftliche Konflikte und Kriege hervorgehe­n.“

An kontrovers­em Gesprächss­toff wird es Trump und Franziskus also gewiss nicht mangeln.

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