Die Presse

Trumps Besuch im „Höllenloch“

US-Präsident in Brüssel. Das erste Treffen der Europäer mit Donald Trump legte die neue transatlan­tische Kluft offen: Bei Klimaschut­z, Freihandel und im Umgang mit Russland liegt man sehr weit auseinande­r.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Gut, herzlich, freundlich, warm, offen: Mit diesen Attributen beschriebe­n die Spitzen der Europäisch­en Union sowie der neue Präsident Frankreich­s ihre ersten Begegnunge­n mit US-Präsident Donald Trump am Donnerstag in Brüssel. Trump, der während seines populistis­chen Wahlkampfe­s die Stadt Brüssel unter anderem als „Höllenloch“bezeichnet hatte, leistete sich keine öffentlich­en Ausfälligk­eiten oder Fehltritte, was allerdings auch daran lag, dass er kein Wort an die Medien richtete.

Doch einiges deutet darauf hin, dass das rund eineinhalb­stündige Treffen von Jean-Claude Juncker und Donald Tusk, den Präsidente­n der Kommission und des Europäisch­en Rates, eher transatlan­tische Differenze­n offenlegte, als es Gemeinsamk­eiten festigte. „Es ist mein Gefühl, dass wir in vielen Bereichen übereinsti­mmen, allen voran beim Kampf gegen den Terrorismu­s“, sagte Tusk nach dem Treffen. „Aber manche Themen bleiben offen, zum Beispiel Klimawande­l und Handel. Ich bin mir nicht zu 100 Prozent sicher, dass wir heute sagen können, eine einheitlic­he Meinung über Russland zu haben.“Die größte Aufgabe sei es, „die gesamte freie Welt“rund um gemeinsame Werte wie Menschenre­chte, Freiheit und den Respekt der menschlich­en Würde zu einen – „und nicht nur Interessen“, erlaubte sich Tusk eine Spitze gegen die reichlich bekannte Sichtweise Trumps, wonach die Welt sich Amerikas Eigennutz zu fügen habe.

Rückzug aus Pariser Abkommen droht

Die Europäer misstrauen somit dem Verständni­s des amerikanis­chen Präsidente­n dafür, dass die letztlich einzigen verlässlic­hen ideologisc­hen Partner Amerikas in Europa sitzen und nicht in Moskau. Das ist eine Neuheit, und sie verheißt für das transatlan­tische Verhältnis für die verbleiben­den bis zu siebeneinh­alb Jahre, die Trump im Weißen Haus residieren könnte, wenig Gutes. Zumal steht die Befürchtun­g im Raum, dass Trump heute, Freitag, im Rah- men des Treffens der Führer der sieben wichtigste­n Industrien­ationen (G7) im sizilianis­chen Taormina den Rückzug der USA vom Pariser Klimaschut­zabkommen verkünden wird. In der Frage des transatlan­tischen Freihandel­s wiederum kündigte Kommission­spräsident Juncker an, man wolle eine europäisch-amerikanis­che Arbeitsgru­ppe damit beauftrage­n, Meinungsve­rschiedenh­eiten zu beseitigen. Doch die Frage eines Journalist­en danach, ob das auf Eis liegende Handels- und Investitio­nsabkommen TTIP nun erweckt wird, ließ er unbeantwor­tet.

Potemkinsc­hes Nato-Treffen

Dabei hatten die Europäer keine Mühen gescheut, um Trumps ersten Amtsbesuch in Brüssel so annehmlich wie möglich für ihn zu gestalten. Er musste sich keinen Pressekonf­erenzen stellen, die Arbeitsges­präche waren kurz, und der zweite Anlass seiner Anwesenhei­t in der europäisch­en Hauptstadt, nämlich die Tagung der Staats- und Regierungs­chefs der Nato, wurde auf potemkinsc­he Weise inszeniert. Das neue Hauptquart­ier ist zwar noch nicht bezugsbere­it. Trump durfte dort dennoch eine Gedenkstel­le für die Anschläge vom 11. September 2001 enthüllen und später mit Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel ein Stück der Berliner Mauer einweihen.

Rein auf den Anschein fixiert war auch die Nato-Tagung an sich. Abseits wiederholt­er Lippenbeke­nntnisse, mindestens zwei Prozent der Wirtschaft­sleistung für die Verteidigu­ng auszugeben, beschlosse­n die Mitgliedst­aaten bloß, dass die Nato sich formell an der Allianz gegen den Islamische­n Staat beteiligt – aber ohne Teilnahme an Kampfopera­tionen.

Merkel droht mit Truppenabz­ug

Auch diese Formalität war ein Zugeständn­is an Trump, der die Nato einzig durch das Prisma des Kampfes gegen islamistis­chen Terrorismu­s zu sehen scheint. Die echten Probleme des Militärbün­dnisses schwelen weiter – allen voran der Streit zwischen Berlin und Ankara über die verweigert­en Besuchsrec­hte von Bundestags­abgeordnet­en auf dem türkischen Luftwaffen­stützpunkt Incirlik, wo deutsche Soldaten Dienst versehen. Merkel drohte bei ihrer Ankunft in Brüssel damit, diese Truppen abzuziehen.

Immerhin in einer Frage haben die Europäer nun Klarheit: Der selbst ernannte designiert­e US-Botschafte­r bei der EU, ein Herr namens Ted Malloch, ist bloß ein Hochstaple­r. State Departemen­t und Weißes Haus erklärten nach monatelang­er Funkstille, dass der frühere Diplomat und vermeintli­che Trump-Freund nie für diesen oder einen anderen Posten in Frage gekommen sei.

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[ Reuters ] Donald trifft Donald: Donald Tusk (links), Präsident des Europäisch­en Rates, und US-Präsident Donald Trump vor ihrem ersten Treffen am Donnerstag in Brüssel.

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