Trumps Besuch im „Höllenloch“
US-Präsident in Brüssel. Das erste Treffen der Europäer mit Donald Trump legte die neue transatlantische Kluft offen: Bei Klimaschutz, Freihandel und im Umgang mit Russland liegt man sehr weit auseinander.
Brüssel. Gut, herzlich, freundlich, warm, offen: Mit diesen Attributen beschrieben die Spitzen der Europäischen Union sowie der neue Präsident Frankreichs ihre ersten Begegnungen mit US-Präsident Donald Trump am Donnerstag in Brüssel. Trump, der während seines populistischen Wahlkampfes die Stadt Brüssel unter anderem als „Höllenloch“bezeichnet hatte, leistete sich keine öffentlichen Ausfälligkeiten oder Fehltritte, was allerdings auch daran lag, dass er kein Wort an die Medien richtete.
Doch einiges deutet darauf hin, dass das rund eineinhalbstündige Treffen von Jean-Claude Juncker und Donald Tusk, den Präsidenten der Kommission und des Europäischen Rates, eher transatlantische Differenzen offenlegte, als es Gemeinsamkeiten festigte. „Es ist mein Gefühl, dass wir in vielen Bereichen übereinstimmen, allen voran beim Kampf gegen den Terrorismus“, sagte Tusk nach dem Treffen. „Aber manche Themen bleiben offen, zum Beispiel Klimawandel und Handel. Ich bin mir nicht zu 100 Prozent sicher, dass wir heute sagen können, eine einheitliche Meinung über Russland zu haben.“Die größte Aufgabe sei es, „die gesamte freie Welt“rund um gemeinsame Werte wie Menschenrechte, Freiheit und den Respekt der menschlichen Würde zu einen – „und nicht nur Interessen“, erlaubte sich Tusk eine Spitze gegen die reichlich bekannte Sichtweise Trumps, wonach die Welt sich Amerikas Eigennutz zu fügen habe.
Rückzug aus Pariser Abkommen droht
Die Europäer misstrauen somit dem Verständnis des amerikanischen Präsidenten dafür, dass die letztlich einzigen verlässlichen ideologischen Partner Amerikas in Europa sitzen und nicht in Moskau. Das ist eine Neuheit, und sie verheißt für das transatlantische Verhältnis für die verbleibenden bis zu siebeneinhalb Jahre, die Trump im Weißen Haus residieren könnte, wenig Gutes. Zumal steht die Befürchtung im Raum, dass Trump heute, Freitag, im Rah- men des Treffens der Führer der sieben wichtigsten Industrienationen (G7) im sizilianischen Taormina den Rückzug der USA vom Pariser Klimaschutzabkommen verkünden wird. In der Frage des transatlantischen Freihandels wiederum kündigte Kommissionspräsident Juncker an, man wolle eine europäisch-amerikanische Arbeitsgruppe damit beauftragen, Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen. Doch die Frage eines Journalisten danach, ob das auf Eis liegende Handels- und Investitionsabkommen TTIP nun erweckt wird, ließ er unbeantwortet.
Potemkinsches Nato-Treffen
Dabei hatten die Europäer keine Mühen gescheut, um Trumps ersten Amtsbesuch in Brüssel so annehmlich wie möglich für ihn zu gestalten. Er musste sich keinen Pressekonferenzen stellen, die Arbeitsgespräche waren kurz, und der zweite Anlass seiner Anwesenheit in der europäischen Hauptstadt, nämlich die Tagung der Staats- und Regierungschefs der Nato, wurde auf potemkinsche Weise inszeniert. Das neue Hauptquartier ist zwar noch nicht bezugsbereit. Trump durfte dort dennoch eine Gedenkstelle für die Anschläge vom 11. September 2001 enthüllen und später mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel ein Stück der Berliner Mauer einweihen.
Rein auf den Anschein fixiert war auch die Nato-Tagung an sich. Abseits wiederholter Lippenbekenntnisse, mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auszugeben, beschlossen die Mitgliedstaaten bloß, dass die Nato sich formell an der Allianz gegen den Islamischen Staat beteiligt – aber ohne Teilnahme an Kampfoperationen.
Merkel droht mit Truppenabzug
Auch diese Formalität war ein Zugeständnis an Trump, der die Nato einzig durch das Prisma des Kampfes gegen islamistischen Terrorismus zu sehen scheint. Die echten Probleme des Militärbündnisses schwelen weiter – allen voran der Streit zwischen Berlin und Ankara über die verweigerten Besuchsrechte von Bundestagsabgeordneten auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik, wo deutsche Soldaten Dienst versehen. Merkel drohte bei ihrer Ankunft in Brüssel damit, diese Truppen abzuziehen.
Immerhin in einer Frage haben die Europäer nun Klarheit: Der selbst ernannte designierte US-Botschafter bei der EU, ein Herr namens Ted Malloch, ist bloß ein Hochstapler. State Departement und Weißes Haus erklärten nach monatelanger Funkstille, dass der frühere Diplomat und vermeintliche Trump-Freund nie für diesen oder einen anderen Posten in Frage gekommen sei.