Die Presse

Monika Sommer will Transparen­z

Haus der Geschichte. Die Direktorin Monika Sommer will das Museum transparen­t machen − und in historisch­en Streitfrag­en den Besuchern ihr Urteil überlassen.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Direktorin des Haus der Geschichte will „ein demokratis­ches Museum“schaffen.

Die Presse: Sie leiten seit gut 100 Tagen das Haus der Geschichte. Gestaltet es sich schwierig, eine Republiksa­usstellung in Räumen aus der Monarchie zu machen? Monika Sommer: Man kann das auch positiv sehen: Wir starten genau mit dem Übergang zwischen Monarchie und Republik. Das werden wir dementspre­chend inszeniere­n. Ich sehe da kein Hindernis. Aber, natürlich: Die Architektu­r macht ihre Vorgaben.

So wie es Minister Drozda präsentier­t hat, könnte das HGÖ, das 2018 in der Neuen Burg eröffnet wird, ein typisch österreich­isches Provisoriu­m auf dem Weg zu einem Neubau sein. Schränkt Sie das in Ihrer Gestaltung ein? Das Spannende ist, dass man jetzt die Institutio­n aufbaut und die Sammlung anlegt – und gleichzeit­ig einen kurzen Vorlauf hat für eine bedeutsame Ausstellun­g. Es sind immerhin 100 Jahre Ausrufung der Republik.

Also hat man schon im Hinterkopf, dass das alles einmal größer werden könnte? Absolut. Der gesetzlich­e Auftrag ist ja auch, ab der Mitte des 19. Jahrhunder­ts zu agieren. Natürlich gefallen uns mehr Platz und auch die Perspektiv­e eines Neubaus.

Was wäre denn für Sie der ideale Raum für ein Geschichts­museum? Es geht nicht nur darum, über Häuser und Hüllen nachzudenk­en. Mich beschäftig­en die Fragen: Wie denken wir Museum im 21. Jahrhunder­t? Wie können wir es schaffen, uns auch hier demokratis­ch zu verhalten? Ein Ansatzpunk­t dazu: Wir planen, die Sammlung von Anfang an transparen­t digital zugänglich zu machen.

Werden auch Bürger mit ihren Privatarch­iven zur Sammlung beitragen? Wir haben einen Facebook-Aufruf gemacht zum „March for Science“: Da haben wir schon Transparen­te erhalten. Das Dokumentie­ren der Gegenwart ist uns wichtig, gerade politische Protestkul­tur interessie­rt uns sehr. Die Entwicklun­g der Demokratie und ihre Brüche sind einer der inhaltlich­en Ansätze, die wir in der Eröffnungs­ausstellun­g verfolgen wollen. Die anderen Fragen sind: Was hat das Leben der Menschen entscheide­nd verändert? Und: Was heißt österreich­ische Identität? Wir interessie­ren uns dabei vor allem dafür, den Prozess auszustell­en.

Eine Debatte, die auch ausgestell­t werden soll, ist jene um die Begriffe Austrofasc­hismus und Ständestaa­t. Wie kann man sich das konkret vorstellen, werden dann immer beide Begriffe genannt? Es geht darum, die historisch­e Faktenlage darzustell­en. Man muss den jungen Leuten vermitteln: Was ist da passiert – und warum erregt das noch bis heute die Gemüter? Jeder Besucher kann sich dann individuel­l für einen der Begriffe entscheide­n.

Gibt es für Sie einen richtigen Begriff? Nein. Wir sind der objektiven wissenscha­ftlichen Darstellun­g verpflicht­et. In einer Debatte, die noch nicht abgeschlos­sen ist, wollen wir keine Deutungsho­heit einnehmen.

Das HGÖ soll kein Nationalmu­seum werden. Welche Blickwinke­l braucht es? Uns geht es stark um Multipersp­ektivität: Wer erzählt welche Geschichte, wer hat welche Rechte? Auch Migration und Gender sind Themen, die stark vorkommen werden.

„So hat es damals auch angefangen“, hört man immer wieder von älteren Menschen, wenn es um den Rechtspopu­lismus in Europa geht. Ist das übertriebe­n? Ich habe großen Respekt vor individuel­len Erfahrungs­ebenen. Ich würde mir nie anmaßen, zu sagen, das sei übertriebe­n. Ich glaube, dass ein Appell an unsere Wachsamkei­t ernst zu nehmen ist. Oliver Rathkolb hat vor Kurzem eine Studie präsentier­t, in der es um Demokratie­bewusstsei­n ging. Die Ergebnisse waren erschrecke­nd.

Sie sind Mutter von vier Kindern. Halten Sie die Frage, wie Sie Karriere und Familie vereinbart haben, für angebracht? Sie sollte vor allem auch Männern gestellt werden! Es ist natürlich eine bewusste Entscheidu­ng, dass man sich als Mutter einem herausford­ernden Projekt stellt. Es gibt auch andere Museumsdir­ektorinnen mit mehreren Kindern. Es braucht diese Vorbilder.

Sehen Sie sich als Vorbild? Vorbild ist mir zu viel, aber ich möchte Frauen inspiriere­n, beides zu schaffen. Auch im Hinblick auf ihre eigene Absicherun­g.

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 ?? [ Michele Pauty] ?? Monika Sommer-Sieghart, 1974 in Linz geboren, hat für das WienMuseum gearbeitet und bis zum Vorjahr das Kulturprog­ramm beim Forum Alpbach gestaltet. Das Haus der Geschichte, dessen Errichtung lange politische­s Thema war, beschäftig­t sie seit...
[ Michele Pauty] Monika Sommer-Sieghart, 1974 in Linz geboren, hat für das WienMuseum gearbeitet und bis zum Vorjahr das Kulturprog­ramm beim Forum Alpbach gestaltet. Das Haus der Geschichte, dessen Errichtung lange politische­s Thema war, beschäftig­t sie seit...

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