Monika Sommer will Transparenz
Haus der Geschichte. Die Direktorin Monika Sommer will das Museum transparent machen − und in historischen Streitfragen den Besuchern ihr Urteil überlassen.
Direktorin des Haus der Geschichte will „ein demokratisches Museum“schaffen.
Die Presse: Sie leiten seit gut 100 Tagen das Haus der Geschichte. Gestaltet es sich schwierig, eine Republiksausstellung in Räumen aus der Monarchie zu machen? Monika Sommer: Man kann das auch positiv sehen: Wir starten genau mit dem Übergang zwischen Monarchie und Republik. Das werden wir dementsprechend inszenieren. Ich sehe da kein Hindernis. Aber, natürlich: Die Architektur macht ihre Vorgaben.
So wie es Minister Drozda präsentiert hat, könnte das HGÖ, das 2018 in der Neuen Burg eröffnet wird, ein typisch österreichisches Provisorium auf dem Weg zu einem Neubau sein. Schränkt Sie das in Ihrer Gestaltung ein? Das Spannende ist, dass man jetzt die Institution aufbaut und die Sammlung anlegt – und gleichzeitig einen kurzen Vorlauf hat für eine bedeutsame Ausstellung. Es sind immerhin 100 Jahre Ausrufung der Republik.
Also hat man schon im Hinterkopf, dass das alles einmal größer werden könnte? Absolut. Der gesetzliche Auftrag ist ja auch, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu agieren. Natürlich gefallen uns mehr Platz und auch die Perspektive eines Neubaus.
Was wäre denn für Sie der ideale Raum für ein Geschichtsmuseum? Es geht nicht nur darum, über Häuser und Hüllen nachzudenken. Mich beschäftigen die Fragen: Wie denken wir Museum im 21. Jahrhundert? Wie können wir es schaffen, uns auch hier demokratisch zu verhalten? Ein Ansatzpunkt dazu: Wir planen, die Sammlung von Anfang an transparent digital zugänglich zu machen.
Werden auch Bürger mit ihren Privatarchiven zur Sammlung beitragen? Wir haben einen Facebook-Aufruf gemacht zum „March for Science“: Da haben wir schon Transparente erhalten. Das Dokumentieren der Gegenwart ist uns wichtig, gerade politische Protestkultur interessiert uns sehr. Die Entwicklung der Demokratie und ihre Brüche sind einer der inhaltlichen Ansätze, die wir in der Eröffnungsausstellung verfolgen wollen. Die anderen Fragen sind: Was hat das Leben der Menschen entscheidend verändert? Und: Was heißt österreichische Identität? Wir interessieren uns dabei vor allem dafür, den Prozess auszustellen.
Eine Debatte, die auch ausgestellt werden soll, ist jene um die Begriffe Austrofaschismus und Ständestaat. Wie kann man sich das konkret vorstellen, werden dann immer beide Begriffe genannt? Es geht darum, die historische Faktenlage darzustellen. Man muss den jungen Leuten vermitteln: Was ist da passiert – und warum erregt das noch bis heute die Gemüter? Jeder Besucher kann sich dann individuell für einen der Begriffe entscheiden.
Gibt es für Sie einen richtigen Begriff? Nein. Wir sind der objektiven wissenschaftlichen Darstellung verpflichtet. In einer Debatte, die noch nicht abgeschlossen ist, wollen wir keine Deutungshoheit einnehmen.
Das HGÖ soll kein Nationalmuseum werden. Welche Blickwinkel braucht es? Uns geht es stark um Multiperspektivität: Wer erzählt welche Geschichte, wer hat welche Rechte? Auch Migration und Gender sind Themen, die stark vorkommen werden.
„So hat es damals auch angefangen“, hört man immer wieder von älteren Menschen, wenn es um den Rechtspopulismus in Europa geht. Ist das übertrieben? Ich habe großen Respekt vor individuellen Erfahrungsebenen. Ich würde mir nie anmaßen, zu sagen, das sei übertrieben. Ich glaube, dass ein Appell an unsere Wachsamkeit ernst zu nehmen ist. Oliver Rathkolb hat vor Kurzem eine Studie präsentiert, in der es um Demokratiebewusstsein ging. Die Ergebnisse waren erschreckend.
Sie sind Mutter von vier Kindern. Halten Sie die Frage, wie Sie Karriere und Familie vereinbart haben, für angebracht? Sie sollte vor allem auch Männern gestellt werden! Es ist natürlich eine bewusste Entscheidung, dass man sich als Mutter einem herausfordernden Projekt stellt. Es gibt auch andere Museumsdirektorinnen mit mehreren Kindern. Es braucht diese Vorbilder.
Sehen Sie sich als Vorbild? Vorbild ist mir zu viel, aber ich möchte Frauen inspirieren, beides zu schaffen. Auch im Hinblick auf ihre eigene Absicherung.