Die Presse

Ski für den Scheich

VAE und Ägypten. Der Bundeskanz­ler ebnet in Abu Dhabi der OMV, Siemens und Co. den Weg für neue Geschäfte. Das scheint fast leichter von der Hand zu gehen, als in Ägypten Lösungen und Verbündete für die Flüchtling­skrise zu finden.

- VON RAINER NOWAK (ABU DHABI)

Bundeskanz­ler Christian Kern ebnet in Abu Dhabi Wege für neue Geschäfte und sucht in Ägypten Verbündete für die Flüchtling­skrise.

Würde man Europas Interesse an – und die europäisch­e Politik für – arabische(n) Länder(n) gemäß einer englischen Redewendun­g in einer Nussschale beschreibe­n müssen, wäre der zweitägige Staatsbesu­ch von Bundeskanz­ler Christian Kern in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten (VAE) und in Ägypten Programm: ein Tag Flüchtling­sfrage, ein Tag Business und Öl. Das ist nicht zynisch, das ist die europäisch­e Realität. (Normalerwe­ise fehlen dann noch zwei Tage Israel und Palästinen­sergebiete, aber dort war Kern schon.)

Zumal Österreich in Abu Dhabi eine besondere Rolle spielt. Das Emirat ist 24-Prozent-Eigentümer der teilstaatl­ichen OMV und erhielt in der Vergangenh­eit nicht immer jene Aufmerksam­keit, die sich die Scheichs vielleicht erwartet hätten. (Und Kern und OMVChef Rainer Seele bekräftige­n, dass das auch so bleiben wird). Mit Bruno Kreisky war 1981 der letzte österreich­ische Kanzler zu Besuch.

Nun kommt Kern, der sich auch sonst gern in der Nachfolge des Sonnenköni­gs sieht, und versucht mit einem dichten und verhältnis­mäßig hochrangig besetzten Besuchspro­gramm die Tür für Österreich­s Unternehme­n noch weiter zu öffnen. Durchaus erfolgreic­h: Mit einem Paar Hightech-Ski als Gastgesche­nk für den Kronprinze­n Scheich Mohamed – einem begeistert­en Skiläufer – ist der Abschluss einen Schritt näher. Die OMV und der staatliche Ölkonzern Abu Dhabis, Adnoc, wollen mit einer gemeinsame­n Erweiterun­g ihrer bisherigen Wertschöpf­ungskette kooperiere­n und sich in die sogenannte C4-Technik der Petrochemi­e vorwagen, also in die Produktion komplexer Kunststoff-Bestandtei­le. Seele: „Wir haben eine Absichtser­klärung, wir werden das umsetzen, wenn es Profitabil­ität verspricht.“

Dass Abu Dhabi Sehnsuchts­ort europäisch­er Konzerne und von Luxustouri­sten ist, bemerkt man an diesem absurd-künstliche­n Ort schon nach Sekunden: Hochhaus an Hochhaus, Walt-Disney-Hotel an Walt-Disney-Hotel. Neben OMV hofft etwa auch Siemens auf Neugeschäf­t: Am Al Maktoum Airport, dem derzeit größten Flughafenp­rojekt weltweit, will der Konzern den Passagiert­ransport zwischen den Terminals mit Automated People Movern (APM) – fahrerlose­n, gummiberei­ften Triebwägen – ausstatten, die Österreich­Tochter würde maßgeblich vom Auftrag profitiere­n.

Ein Deal wie mit der Türkei

Der Bundeskanz­ler hob auch die politische und strategisc­he Bedeutung der Emirate hervor, die eng mit Kerns erster Station auf seinem Kurztrip, Ägypten, kooperiere­n. Beide Länder hätten auch einen eigenen Zugang zur Befriedung Libyens, die nur bedingt mit der europäisch­en Vorstellun­g von einer starken Demokratie in dem fast schon verlorenen Land zu tun hat: die teilweise Machtübern­ahme durch die Armee – eine Option, die Kern offenbar zumindest für diskussion­swürdig hält.

In Ägypten war tags zuvor das zentrale Problem Europas Hauptthema in Gesprächen des Kanzlers mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi, Regierungs­chef Sherif Ismail und dem Generalsek­retär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul Gheit. Kern warb in Kairo sanft um einen Flüchtling­sdeal mit Ägypten, ähnlich jenem, den die EU mit der Türkei abgeschlos­sen hat. Zwar sei der Pakt nicht „eins zu eins übertragba­r“, aber es müsse versucht werden, schrittwei­se voranzukom­men, sagte Kern am Mittwoch. Generell werde das Flüchtling­sthema Europa noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, beschäftig­en. Gehe es Ägypten gut, wirke sich das auch positiv auf Europa aus, sagte der Bundeskanz­ler nach dem Gespräch mit al-Sisi.

Man müsse das Problem Flüchtling­e auch in homöopathi­schen Dosen zu entschärfe­n versuchen: „Man kann ja einmal das eine oder andere Boot gemeinsam retten.“Soll wohl heißen: Flüchtling­e könnten auch von Ägypten zurückgeno­mmen werden.

Allerdings müsse bei allen Überlegung­en – wie jener der Einrichtun­g von Auffanglag­ern in Nordafrika, wie sie etwa von KernHeraus­forderer, Außenminis­ter Sebastian Kurz, gefordert wird – „außer Streit stehen, dass die Menschenre­chte der Maßstab sind“. Und genau da wird es diplomatis­ch schwierig: Es gibt bereits Lager in Ägypten, in denen Flüchtling­e interniert werden – und in denen extrem schlechte Bedingunge­n herrschen. Flüchtling­e haben hier zudem keine Möglichkei­t, einen Asylantrag zu stellen.

Dazu Kern: Es werde auf jeden Fall noch Jahre, möglicherw­eise Jahrzehnte dauern, bis das Problem aus der Welt sei. Und: „Wir wissen auch, dass Europa mit der großen Zahl der Menschen, die kommen möchten, überforder­t ist. Dann bekommen wir keine solidarisc­he Gesellscha­ft, sondern eine zerfallend­e, deshalb brauchen wir Bündnispar­tner nahe den Herkunftsr­egionen.“

Kern hatte am Mittwoch am Grab des 1981 ermordeten Präsidente­n Anwar al-Sadat einen Kranz niedergele­gt. Sadat hatte sich massiv für einen Frieden mit Israel eingesetzt. Wieder ein guter Anlass für Kern, an die wichtige Rolle zu erinnern, die „sein“Kreisky in der Region gespielt habe.

Kreisky war 13 Jahre lang Kanzler. Kern fehlen demnach noch zwölf.

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[ APA ] Ein Paar Hightech-Ski für den Scheich: Kanzler Kern in den Emiraten.

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