Die Presse

Briten wütend über Infolecks der USA

Manchester-Terror. Während die Fahndung nach den Drahtziehe­rn des Attentats auf Hochtouren läuft, beschwert sich May bei Trump über Lecks: US-Medien hatten Ermittlung­sinfos veröffentl­icht.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London/Manchester. Erbost über wiederholt­e Nachrichte­nlecks an USMedien haben die britischen Ermittler den Informatio­nsaustausc­h mit den US-Behörden rund um den Terroransc­hlag von Manchester eingestell­t. „Wir sind wütend“, zitierte Donnerstag die BBC eine Polizeique­lle zu der Veröffentl­ichung von Ermittlung­sfotos in USMedien, die unter anderem den mutmaßlich­en Zünder der Bombe zeigten. Premiermin­isterin Theresa May brachte das Thema gestern beim Nato-Gipfel in Brüssel gegenüber US-Präsident Donald Trump aufs Tapet.

Der Ärger der britischen Behörden war umso größer, als die Veröffentl­ichung der Fotos in ihren Augen bereits der zweite Vertrauens­bruch war. Zuvor hatten US-Medien den Namen und die Identität des Attentäter­s von Montag veröffentl­icht, ehe sich May über den Erkenntnis­stand zu dem 22-jährigen Salman Abedi informiere­n hatte können. Der Mann mit libyschen Wurzeln hatte sich bei einem Konzert der Popsängeri­n Ariana Grande in die Luft gesprengt und 22 Personen ermordet – viele davon Kinder.

Batterie und Rucksack

Die britische Innenminis­terin, Amber Rudd, hatte nach der Veröffentl­ichung seines Namens von „Irritation“gesprochen und gewarnt: „Das sollte nicht noch einmal vorkommen.“Trotzdem publiziert­e die „New York Times“Ermittlerf­otos, die Untersuchu­ngsdetails wie die verwendete Batterie und den Rucksack des Selbstmord­attentäter­s zeigten. Der Bürgermeis­ter von Manchester, Andy Burnham, zeigte sich „enorm“beunruhigt, nachdem Experten wie der Ex-Chef von Scotland Yard, Ian Blair, von ernsten Beeinträch­tigungen der Untersuchu­ngen sprachen. Von britischer Seite wurde betont, dass man das Leck nicht im Weißen Haus vermutete. Unterdesse­n weiteten die briti- schen Behörden ihre Ermittlung­en erheblich aus. Nach Hausdurchs­uchungen im Großraum Manchester, in dem rund 2,6 Millionen Menschen leben, wurden seit Dienstag acht Personen – teilweise vorübergeh­end – festgenomm­en. An zwei Orten führten Militärexp­erten gesicherte Explosione­n von verdächtig­en Gegenständ­en durch.

In Tripolis wurden der Vater und der jüngere Bruder des Selbstmord­attentäter­s von lokalen Milizen festgenomm­en. Ramadan Abedi, der Vater, war in den 1990erJahr­en vor dem Gaddafi-Regime nach Großbritan­nien geflüchtet und zog hier gemeinsam mit seiner Frau vier Söhne auf. Als die Diktatur ins Wanken geriet, kehrte er nach Libyen zurück und nahm den bewaffnete­n Kampf auf: „Er hat nie vergessen und verziehen, was seinen Angehörige­n geschehen ist“, berichtete ein Bekannter dem „Guardian“.

Weitere Sprengsätz­e

Der zweitjüngs­te Sohn, Salman, wuchs in Manchester auf und soll sich dem radikalen Islam zugewendet haben, nachdem er an der Uni gescheiter­t und sozial ins Abseits gedriftet war. „Der lokale Imam verbannte ihn von unserer Moschee, weil er Hassreden führte“, sagte ein Augenzeuge. Abedi sei „intelligen­t“gewesen, habe aber „ein Problem im Umgang mit Ärger“gehabt. Während Bekannte das Motiv für den Anschlag in persönlich­er Erfahrung suchten – so sei Abedi besonders über den Tod eines Bekannten durch einen Verkehrsun­fall verbittert gewesen, den er als einen Anschlag auf einen Muslim sah –, vermuteten Experten hinter der Tat ein Netzwerk. Die komplexe Bauart der Bombe legte den Verdacht nahe, dass es sich bei Abedi um ein „Lasttier“gehandelt habe. Als „mule“bezeichnen Geheimdien­stler einen Selbstmord­attentäter, der sich für die Terrortat, die andere Drahtziehe­r hat, zur Verfügung stellt. In einer Mietunterk­unft sei die Bombenwerk­statt gefunden worden: Es sei davon auszugehen, dass Abedi nicht allein in der Lage gewesen war, die Bombe zu bauen. Zudem wurde Material für „zahlreiche“weitere Sprengsätz­e sichergest­ellt.

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[ AFP ] Mit einer Schweigemi­nute gedachten die Einwohner von Manchester der Opfer des Anschlags auf ein Popkonzert.

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