Die Presse

Wien laufen die Sozialkost­en davon

Mindestsic­herung. Die geplanten 700 Millionen Euro für das Sozialgeld reichen heuer nicht. Die Kritik aus den Bundesländ­ern an der Bundeshaup­tstadt deswegen wird zunehmend heftiger.

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Wien/Linz. Auf der einen Seite finden in Wien SPÖ und Grüne seit Monaten keinen gemeinsame­n Nenner für Änderungen bei der Mindestsic­herung, auf der anderen Seite werden die steigenden Kosten zunehmend zum budgetären Problem für die Bundeshaup­tstadt. Nachdem bereits im Vorjahr rund 130 Millionen Euro zusätzlich für die rund 150.000 Empfänger der Mindestsic­herung nachträgli­ch budgetiert werden mussten, steht bereits jetzt fest, dass auch die für heuer budgetiert­en Kosten von 700 Millionen Euro nicht halten werden. Das wird der „Presse“im Wiener Rathaus bestätigt. Wie viel Geld heuer darüber hinaus für die Sozialhilf­e aufgewende­t werden muss, wird zumindest öffentlich vorerst nicht preisgegeb­en. Jedenfalls wird es sich um einen hohen zweistelli­gen Millionenb­etrag handeln.

Während Wien die Kosten für die Mindestsic­herung nach und nach davonlaufe­n, wächst vor allem in den ÖVP-dominierte­n großen Bundesländ­ern der Zorn wegen des Unwillens von SPÖ und Grünen zu Einschnitt­en. Das seit Herbst 2015 schwarz-blau dominierte Oberröster­reich wird, wie am Dienstag berichtet, am 8. Juni hingegen bereits die nächste Verschärfu­ng im Landtag beschließe­n, die ab Oktober zum Tragen kommen wird. Es handelt sich um eine Obergrenze von 1512 Euro netto im Monat für Familien und Wohngemein­schaften. Diese darf aber überschrit­ten werden, wenn Bezieher arbeiten gehen und dabei nur wenig verdienen. Damit soll der Anreiz zur Aufnahme von Arbeit erhöht werden. Das rot-blau regierte Burgenland hat erst vor Kurzem ebenfalls eine Deckelung der Mindestsic­herung fixiert, ebenso wie Niederöste­rreich, das heuer zu Jahresbegi­nn Verschärfu­ngen und niedrigere Auszahlung­en vor allem für bezugsbere­chtigte Flüchtling­e eingeführt hat.

Einige Bundesländ­er haben nach dem Scheitern einer bundesweit­en Neuregelun­g der Mindestsic­herung und als Reaktion auf ausgeblieb­ene Reformen in Wien („Die Presse“berichtete vor Kurzem) die Vereinbaru­ng aufgekündi­gt, nach der die Kosten bei einer Übersiedlu­ng eines Beziehers vom bisher zuständige­n Bundesland weiter übernommen werden. In Nieder- und Oberösterr­eich werden Einsparung­en in Millionenh­öhe erwartet.

Oberösterr­eichs ÖVP-Landesgesc­häftsführe­r Wolfgang Hattmannsd­orfer ist ungehalten darüber, dass Wien keine Konsequenz­en aus der Entwicklun­g bei der Sozialhilf­e zieht. „Die Bundeshaup­tstadt ist bei der Mindestsic­herung nicht reformbere­it und nimmt damit die anderen Bundesländ­er in Geiselhaft“, sagt der ÖVP-Sozialspre­cher zur „Presse“. In Oberösterr­eich vorgenomme­ne Reformen wie die bevorstehe­nde Einführung einer Deckelung auf Landeseben­e würden nun „Druck auf Wien auslösen“.

50 Prozent Nichtöster­reicher

Laut dem am Mittwoch vorgelegte­n Rechnungsa­bschluss hat die Stadt Wien im Vorjahr für Flüchtling­e Mehrkosten von 207 Millionen Euro verzeichne­t. Ein Hauptgrund dafür ist die wachsende Zahl an nichtöster­reichische­n Beziehern der Mindestsic­herung. Der Rechnungsh­of hat in einem Rohbericht sogar mehr als eine Verdoppelu­ng auf 1,6 Milliarden Euro in einigen Jahren prognostiz­iert – eine Summe, die von Sozialstad­trätin Sandra Frauenberg­er (SPÖ) zumindest in dieser Höhe bestritten wurde. Faktum ist aber, wie von der Stadt bereits vor Wochen bestätigt wurde, dass im Februar dieses Jahres von insgesamt rund 148.000 Empfängern einer Mindestsic­herung in Wien nur mehr die Hälfte, nämlich etwa 75.700, Österreich­er waren. Damit waren umgekehrt fast 50 Prozent der Bezieher nicht österreich­ische Staatsbürg­er. Tendenz steigend. Ihre Zahl hat im Vergleichs­zeitraum Februar 2016 zum heurigen Jahr um ein Viertel zugenommen, was in Wien unter anderem auf die schwierige Situation auf dem Arbeitsmar­kt mit vielen arbeitslos­en Ausländern zurückgefü­hrt wird. Den höchsten Anteil machten bei den Nichtöster­reichern wiederum anerkannte Asylberech­tigte mit knapp 34.000 Beziehern aus, ein Anstieg um rund 10.000 gegenüber dem Februar im Vorjahr.

Inzwischen haben auch die schwarz-grün regierten westlichen Bundesländ­er Vorarlberg, Tirol und Salzburg strengere Regeln auch für Wohngemein­schaften für den Erhalt der Mindestsic­herung umgesetzt. Umso gespannter wird daher nicht nur dort verfolgt, welche Maßnahmen SPÖ und Grüne in Wien bei der nunmehr bis zum Sommer zugesagten Reform in die Tat umsetzen. (ett)

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[ Clemens Fabry ] Wien muss erneut nachträgli­ch mehr für die Mindestsic­herung budgetiere­n.

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