Die Burlesque-Tänzerin mit Feuer
Festival. Als Satan’s Angel wurde sie zur Legende des erotischen Tanzens. Die 72-Jährige mit den brennenden Quasten trat beim Boylesque Festival in Wien auf.
Im Burlesque geht es um die Reise, nicht um das Ziel“, sagt die 72-Jährige. Sie muss es wissen, begann sie doch schon 1961 mit ihrer Karriere als erotische Tänzerin. Ihr Künstlername war durchaus pikant: Satan’s Angel (The devil’s own mistress) nannte sich die aus einer Arbeiterfamilie stammende Angel Walker. Heute wirkt sie mit ihrem blondierten Haar und der feinrandrigen Brille eher wie ein Sekretärin im Ruhestand.
Einen solchen kann sich die, die von ihrer Branche als Legende verehrt wird, allerdings nicht leisten. Die einst begehrte Exotica-Tänzerin, die Rendezvous mit Clint Eastwood und Bobby Darin, aber auch mit Hedy Lamarr und Janis Joplin hatte, muss sich heute zuweilen bei karitativen Organisationen um Essen anstellen. Ihre Glitzersachen ersteht sie auf Flohmärkten. Dafür sind ihre Erinnerungen nicht mit Gold aufzuwiegen. „Hausfrau und Mutter zu werden, war mir als bekennender Lesbe nicht geheuer. Jobmäßig konnten Mädchen aus der Arbeiterklasse damals höchstens Kellnerin, Sekretärin, Verkäuferin oder Stewardess werden.“Walker probierte es als Telefonistin. Damit verdiente sie gerade mal 198 Dollar im Monat.
„Du musst sie anzünden“
Ein gewonnener Striptease-Wettbewerb in North Beach in San Francisco veränderte alles für sie. Eine ältere Kollegin machte sie auf die Wichtigkeit eines individuellen Tanzstils aufmerksam. „Ich kam in die Garderobe, und da saß eine uralte Stripperin. Aus heutiger Sicht war sie gar nicht so uralt. Vielleicht 35. Eine Kettenraucherin und Whiskeytrinkerin. Mit rauchiger Stimme fragte sie mich, wer ich sei. Mit Piepsstimme antwortete ich: ,Oh, I’m Satan’s Angel.‘ Sie bekam einen Lachanfall.“Stolz berichtete ihr Satan’s Angel, dass sie fünf Quasten (zwei an den Brüsten, eine am Nabel, zwei am Becken) irrwitzig zu drehen versteht. „Was ist das schon? Du musst sie anzünden“, entgegnete sie trocken.
Satan’s Angel bastelte sich spezielle Quasten und wurde zur „Queen of the fire tassels“– zur Königin der brennenden Quasten. Sie unterhielt die kämpfenden Truppen in der Nachfolge eines Bob Hope, tanzte für Veteranen, Stars und ganz normale Menschen. Immer noch schwärmt sie vom Publikum der Sechzigerjahre. „Es war nicht wie heute, wo viele Entertainer in den Sälen sitzen. Damals schauten sich das ganz normale Leute an. Doktoren, Rechtsanwälte, Taxifahrer und Handelsvertreter, viele nahmen ihre Frauen mit.“Mit ihren brennenden Brüsten behüpfte sie Nachtklubs, Supperclubs, Theater, aber auch „Dumps and Dives“. In ihrem Act vermischte sie unterschiedlichste Einflüsse. „Das Mysteriöse nahm ich von Liz Taylor, das Mutige von Lauren Bacall, das Explizite von Gypsy Rose Lee und die Attitude von Mae West.“
Ihr Künstlername Satan’s Angel klang wie ein bewusstes Statement gegen die Werte des Durchschnittsamerikaners. Es war auch eines. „Rein äußerlich war ich kein Hippiemädchen. Im Herzen schon. Wenn ich frei hatte, flanierte ich gern im Haight-AshburyDistrikt herum, rauchte Pot und be- suchte Underground-Bars.“Irgendwann lernte sie Janis Joplin kennen, mit der sie einige wilde Abenteuer hatte, über deren Details sie schweigt.
Vor einigen Jahren kehrte sie in die Burlesque-Szene zurück. Sie, die in ihrem Act auf Sinnlichkeit, Stil und Würde setzt, gibt heute ihre Kenntnisse in Workshops an eine Generation weiter, die diese Kunst entschieden intellektueller praktiziert. Wie auch Jacques Patriaque, Veranstalter des 4th Annual Boylesque Festival, der jüngst von Satan’s Angel nach eingehender Prüfung zum ersten und einzigen King of Fire Tassels ernannt wurde. „Es geht nicht nur darum, Leute in den Bann zu ziehen, indem man eine Fantasie kreiert, sondern darum, den Geschlechterstigmatismus aufzulösen.“
Die Motive von Satan’s Angel sind da enger umgrenzt. „Mir ging es immer um das einfühlsame Aufstacheln. Meine Musik war stets perfekt auf die Dramaturgie der sexuellen Erregung abgestimmt. Ich habe nichts gegen Nacktheit, glaube aber nicht daran, dass man öffentlich ein Bein in Richtung Ostküste und das andere in Richtung Westküste strecken sollte.“