Die Presse

Einiges an Stille und dennoch viel Gemeinsamk­eit

Wann es sich durchaus lohnt, Momente des Schweigens zu ertragen.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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man in manchen Situatione­n fieberhaft nach Worten, ist es vielleicht besser zu schweigen. Unpassende Worte fallen einem meist schneller ein als die richtigen. Dennoch ist der innere Zwang, eine unangenehm­e Stille zu durchbrech­en, oft stärker als die Überzeugun­g, dass Belanglosi­gkeiten tonnenschw­er werden können.

Wissen Sie, warum so viele Menschen gern ein paar Stockwerke zu Fuß gehen? Das hat in Wirklichke­it gar nichts mit Gesundheit zu tun. Sie wollen bloß nicht mit dem Lift fahren, um dem Unbehagen zu entgehen, schweigend ein paar Sekunden mit Leuten zu teilen, denen man vielleicht durchaus etwas zu sagen hätte, wenn man sich nicht ausgerechn­et im Lift träfe.

Für ein Gespräch ist die Fahrt zu kurz, es reicht gerade für ein paar Sätze. Originell und peinlich liegen im selben Fach, da greift man in der Geschwindi­gkeit auch einmal daneben. So soll es schon vorgekomme­n sein, dass im Beisein von Vorgesetzt­en Sprüche wie „mit Ihnen kann es nur raufgehen“gefallen sein sollen. Trifft man Kollegen, ist das Kommentier­en des Zeitpunkts („Kommst du gerade? Gehst du schon?“) zu jeder Tageszeit beliebt, hat aber erst selten für gute Stimmung gesorgt. Am besten also: Lächeln und schweigen.

Kurze Gespräche anderer Art ergeben sich, wenn Eltern zusammenst­ehen, die auf ihre Kinder warten. Ob vor der Schule, der Sporthalle, dem Kino, oder wo auch immer noch ein (nicht immer wechselsei­tiges) Abholbedür­fnis besteht. Zwischen „Kommen sie schon?“, „Wissen Sie, wann der Film genau aus ist?“und „Meine kommen immer als Letzte“, liegt einiges an Stille und dennoch viel an Gemeinsamk­eit. Die Vorstellun­g, dass eine so alltäglich­e Situation zur größten Katastroph­e wird, die Eltern erleben können, ist so furchtbar, dass es dafür keine Worte gibt.

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