Einiges an Stille und dennoch viel Gemeinsamkeit
Wann es sich durchaus lohnt, Momente des Schweigens zu ertragen.
S ucht
man in manchen Situationen fieberhaft nach Worten, ist es vielleicht besser zu schweigen. Unpassende Worte fallen einem meist schneller ein als die richtigen. Dennoch ist der innere Zwang, eine unangenehme Stille zu durchbrechen, oft stärker als die Überzeugung, dass Belanglosigkeiten tonnenschwer werden können.
Wissen Sie, warum so viele Menschen gern ein paar Stockwerke zu Fuß gehen? Das hat in Wirklichkeit gar nichts mit Gesundheit zu tun. Sie wollen bloß nicht mit dem Lift fahren, um dem Unbehagen zu entgehen, schweigend ein paar Sekunden mit Leuten zu teilen, denen man vielleicht durchaus etwas zu sagen hätte, wenn man sich nicht ausgerechnet im Lift träfe.
Für ein Gespräch ist die Fahrt zu kurz, es reicht gerade für ein paar Sätze. Originell und peinlich liegen im selben Fach, da greift man in der Geschwindigkeit auch einmal daneben. So soll es schon vorgekommen sein, dass im Beisein von Vorgesetzten Sprüche wie „mit Ihnen kann es nur raufgehen“gefallen sein sollen. Trifft man Kollegen, ist das Kommentieren des Zeitpunkts („Kommst du gerade? Gehst du schon?“) zu jeder Tageszeit beliebt, hat aber erst selten für gute Stimmung gesorgt. Am besten also: Lächeln und schweigen.
Kurze Gespräche anderer Art ergeben sich, wenn Eltern zusammenstehen, die auf ihre Kinder warten. Ob vor der Schule, der Sporthalle, dem Kino, oder wo auch immer noch ein (nicht immer wechselseitiges) Abholbedürfnis besteht. Zwischen „Kommen sie schon?“, „Wissen Sie, wann der Film genau aus ist?“und „Meine kommen immer als Letzte“, liegt einiges an Stille und dennoch viel an Gemeinsamkeit. Die Vorstellung, dass eine so alltägliche Situation zur größten Katastrophe wird, die Eltern erleben können, ist so furchtbar, dass es dafür keine Worte gibt.