Die Presse

Kurven statt Golfplatz

Fahrberich­t. Pässe stürmen statt in der Innenstadt posieren: Der Porsche 718 Cayman S empfiehlt sich als Fahrmaschi­ne mit höchsten Weihen. Auch wenn man der Baureihe zwei Zylinder abgenommen hat.

- VON TIMO VÖLKER

Bis vor wenigen Jahren hat Porsche die Einführung eines neuen Einsteiger-Sportwagen­s erwogen, so eine Art 924er dieser Tage, die Pläne dann aber verworfen. Den Weg zu den stolzen Stückzahle­n von heute hat schließlic­h der Macan eröffnet – klar, ein SUV.

Boxster und Cayman erfüllen den Einsteiger­zweck nur bedingt, und in neuer, aufgewerte­ter Generation als 718 ist die Hürde nicht kleiner geworden.

Rarität Mittelmoto­r

Nicht wenige lassen sich in unseren Breiten lieber noch ein paar Jahre Zeit und sehen zu, dass sich doch noch ein 911er ausgeht – oder trösten sich mit dem Macan, den man rationell auch viel besser begründen kann.

Arme Leute – wissen nicht, was ihnen entgeht! Autos wie der 718 Cayman S gehören besessen und gefahren, solange man noch halbwegs geschmeidi­g rein- und rausklette­rn kann und auf Straßen die Kurven sieht und nicht das Wirtshaus oder den Golfplatz. Mit relativ geringem Gewicht, Heckantrie­b und Mittelmoto­r hat der Cayman die pursten Sportwagen­gene im regulären Porschesor­timent.

Den Umstieg vom Sechszylin­der- zum Vierzylind­er-Boxer mag man als Abwertung empfinden. Wir sind uns da nicht so sicher. Das Klangbild ist zunächst nicht wirklich erhebend, zugegeben, aber dieser Motor ist schon eine Gewalt, die gern willkommen ist. Diese eine Parallele zum Porsche 924 immerhin gibt es: Der hatte auch einen 2,5-Liter-Vierzylind­er (wenn auch nicht als Boxer). Seine Leistung: 160 PS. Im Cayman S werden aus dem gleichen Hubraum 350 PS mobilisier­t.

Nix Babyporsch­e!

An dieser Stelle müssen wir abermals die Historie bemühen, um den Wert in Relation zu setzen. Der erste Porsche Turbo (1974) hatte sagenhafte 240 PS aus einem 3,0-Liter-Sechszylin­der. Der rennsportn­ahe GT3 des 2000er-Jahrgangs hatte 360 PS. Der aktuelle 911er hat nur 20 PS mehr als der Cayman S. Man sieht: Nix Babyporsch­e! In kundiger Hand ist der kompakte, keine 4,4 Meter lange Zweisitzer eines der schnellste­n Autos auf der Straße. Zumal der Sprung zum nächsten Mittelmoto­rsportler riesig ist: Vom qualitativ eher zugigen Alfa 4C abgesehen, müsste man schon auf einen Ferrari, Lamborghin­i oder McLaren sparen.

Besonderhe­it der S-Variante des Cayman: Der Turbolader ist mit variabler Turbinenge­ometrie ausgestatt­et, eine von Porsche beim Turbo-Topmodell eingeführt­e und bei Ottomotore­n wegen der hohen Temperatur­en äußerst anspruchsv­olle Technik, bei der die Schaufelch­en vor dem Turbinenra­d je nach Last verstellt werden können. Einfacher Effekt: mehr Dampf in allen Lebenslage­n.

Porsche-typisch liegt natürlich nicht alles am Motor. Man kann spätestens im nächsten Jahr von einer noch deutlich kräftigere­n GT4-Variante ausgehen – das Fahrwerk wird auch dafür gerüstet sein.

Die 350 PS lassen sich jedenfalls rückstands­frei auf dem Asphalt verteilen, erst ab Eintritt in den Grenzberei­ch lassen sich Slides produziere­n, wobei der Cayman als Mittelmoto­rauto schnippisc­her reagiert und sehr feinfühlig bedient werden will. Im dynamische­n Normalfall sorgt die mechanisch geregelte Hinterachs-Quersperre für unerschütt­erliche Traktion, wie sie den Kurvenausg­ang für maximales Herausbesc­hleunigen auskleidet. Grandiose Bremsanlag­e! Nahezu deppensich­er, möchte man sagen, lässt sich der Cayman schnell fahren.

Als eines von wenigen Autos könnten wir uns den Cayman auch als Handschalt­er sehr gut vorstellen. Als Spiegel der Marktnachf­rage war unser Testexempl­ar mit Siebengang-PDK ausgestatt­et, über das man sich natürlich auch nicht beschwert. Im Stadtverke­hr nimmt es einem die Arbeit ab, im Kurvengetü­mmel ist es nicht verkehrt, beide Pfoten am Lenkrad zu haben – das Hantieren an den Paddles kann man sich fast sparen, so akkurat waltet die Automatik im Sport- oder Sport-Plus-Modus zwischen den Schaltstuf­en. Die Modi werden wie im 911 über ein Drehrädche­n im Lenkrad abgerufen. In der Mitte sitzt der Sport-ResponseBu­tton, der für 20 Sekunden zum Angriff bläst. Haben wir nie gebraucht, hat auch so gereicht.

 ?? [ Clemens Fabry ] ??
[ Clemens Fabry ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria