Die Presse

Die Fleischbar­one Joesley und Wesley Batista haben Politiker im großen Stil geschmiert. Da sie mit der Justiz gegen Präsident Michel Temer zusammenar­beiten, dürften sie straffrei bleiben.

Brasilien.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK Mehr zum Thema:

Brasilia. Joesley Batista hat Milliarden verdient im Lauf seines erst 44 Jahre langen Lebens. Aber als er am späten Abend des 7. März den Palacio´ do Jaburu verließ, da wusste er, dass er den besten Deal aller Zeiten in der Tasche hatte. Mit zwei versteckte­n Rekordern hatte er sein vertraulic­hes Gespräch mit Brasiliens Präsidente­n, Michel Temer, aufgenomme­n, das in einem Kellerraum von dessen Residenz stattfand, in den er über die Garage gelangt war, ohne von der Palastwach­e registrier­t worden zu sein.

Der Inhalt der Konversati­on passte zu deren konspirati­vem Rahmen: Der Boss des weltgrößte­n Fleischkon­zerns JBS berichtete dem Staatsober­haupt von seinen Mühen, dem Zugriff der Korruption­sermittler zu entgehen. Der Unternehme­r erklärte, auf welchen Wegen er sich die Gunst eines Staatsanwa­ltes erkaufte, wie er den Zugang zu zwei Richtern erschmiert­e und dass er dem zu 15 Jahren Haft verurteilt­en früheren Parlaments­präsidente­n Schweigege­ld zahle, monatlich.

Fleischbar­one nicht belangt

„Das müssen Sie unbedingt weitermach­en, verstanden?“, entgegnete Temer, der überdies in keiner Minute des Gesprächs Anstoß nahm an dem, was ihm da vorgetrage­n wurde. Nach 38 Minuten verabschie­dete sich der Gast, mitsamt dem Tonmateria­l, das zwei Monate später eine „politische Atombombe“auslösen sollte, wie Brasiliens Medien jüngst titelten.

Der Mittschnit­t dieses Privatissi­mums war für Brasiliens oberste Justizbehö­rden die „smoking gun“, also der zentrale Beweis gegen den 75-jährigen Michel Temer, den bislang seine Immunität vor Korruption­sermittlun­gen schützte. Für den Unternehme­r Joesley Batista war die Audiodatei das wichtigste Element eines aberwitzig­en Geschäfts: exklusives Beweismate­rial gegen Straffreih­eit für sich und seinen Bruder Wesley, den Boss der Industrieh­olding J & F.

Nachdem die Ermittler das zu akzeptiere­n bereit waren, wurden die Brüder Batista zu Kronzeugen. Die nun von der Ermittlung­sleitung frei gegebenen Videos, auf denen die Fleischbar­one detailreic­h und ohne große Scham berichten, wie sie 1824 Politiker aus 26 Parteien schmierten, wie sie den Ex-Präsidente­n Lula und Dilma Rousseff illegale Wahlkampfh­ilfen auf zwei US-Konten überwiesen und wie sie den nunmehrige­n Präsidente­n, Temer, seit 2010 bei insgesamt 20 Treffen umgerechne­t etwa 1,5 Mio. Euro zukommen ließen, sollten als Belege für die totale Verrottung des politische­n Apparates dienen, den die Richter nun offenbar endgültig demontiere­n wollen.

Tatsächlic­h waren selbst viele profession­elle Beobachter der brasiliani­schen Politik bestürzt über die Bereitscha­ft der Höchstrich­ter, trotz derart drastische­r Bestechung­smanöver auf eine Bestrafung der Fleischbar­one zu verzichten. In Brasiliens Rechtssyst­em sind derartige Deals legal. Ob sie auch gerecht sind, diskutiere­n derzeit die Leitartikl­er.

Die Batista-Brüder haben ihren Aufstieg stets auf der Butter- seite vollzogen. Den von ihrem Vater aufgebaute­n stattliche­n Fleischkon­zern brachten sie 2007 an die Börse, nachdem sie von Brasiliens Regierung in einen Kreis von Unternehme­n aufgenomme­n wurden, die mithilfe von Krediten der nationalen Entwicklun­gsbank BNDES zu Weltkonzer­nen gedopt werden sollen. Mehr als drei Milliarden Euro bekam JBS von der Staatsbank, die auch noch 21 Prozent des Konzerns erwarb. Und weil Geschenke bekanntlic­h die Freundscha­ft erhalten, richteten die Batistas zwei Auslandsko­nten für die Wahlkämpfe von Lula und Dilma Rousseff ein, auf denen insgesamt 150 Mio. Dollar zu liegen kamen, rechnete Wesley Batista den Ermittlern vor.

Insiderdea­ls brachten Geld

So liefen die Geschäfte wie geschmiert, der Konzern kaufte USFleisch- und Geflügelri­esen und zimmerte sich eine Holding aus Zukäufen in verschiede­nsten Branchen – vom Flip-Flop-Imperium Alpargatas bis zum Agro-TV Canal Rural. Der Umsatz wuchs von vier Mrd. Reais 2006 auf über 170 Mrd. (46,3 Mrd. Euro). Am Tag vor dem Platzen der „Atombombe“hätte der JBS-Umsatz noch 49,2 Mrd. Euro entsproche­n, den Absturz des Real haben die Batistas ausgelöst. Allerdings nicht nur zu ihrem Schaden.

In den Wochen vor dem Bekanntwer­den der Temer-Tapes kaufte der Batista-Konzern näm- lich große Summen Dollar, insgesamt wohl mehr als eine Milliarde. Und stieß diese wieder ab, sobald die Katze aus dem Sack war und der Real zwischenze­itlich zehn Prozent seines Wertes verloren hatte. Weil Brasiliens Recht bei Devisenges­chäften keinen Insiderhan­del kennt, war zumindest dieser Deal nicht illegal. Anders als die offenbar jahrelang angewandte Praxis, staatliche Fleischkon­trolleure zu bestechen, um minderwert­iges Fleisch in den Handel zu bringen. Mitte März wurde ruchbar, dass JBS unter anderem Schulen mit verdorbene­r Ware beliefert hatte.

Aus seinem New Yorker Domizil schickte Joesley Batista nun einen offenen Brief an das Land und bat die Brasiliane­r um Entschuldi­gung für alle unbotmäßig­en Zahlungen an Staatsdien­er. Sein „Unternehme­rgeist“und sein „unbändiger Wille, Dinge zu realisiere­n“, hätten ihn dazu getrieben, sich einem System unterzuord­nen, das „Schwierigk­eiten schafft, um danach Lösungen zu verkaufen“. Und er war sich nicht zu fein hinzuzuset­zen: „Bei den Geschäften außerhalb Brasiliens waren wir fähig zu expandiere­n, ohne Ethikregel­n zu brechen.“

Die JBS-Aktien haben seit Mitte Mai ein Drittel ihres Wertes verloren, was allerdings auch daran liegt, dass die Batistas rechtzeiti­g vor dem Knall nochmal richtig Kasse machten.

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