Die Fleischbarone Joesley und Wesley Batista haben Politiker im großen Stil geschmiert. Da sie mit der Justiz gegen Präsident Michel Temer zusammenarbeiten, dürften sie straffrei bleiben.
Brasilien.
Brasilia. Joesley Batista hat Milliarden verdient im Lauf seines erst 44 Jahre langen Lebens. Aber als er am späten Abend des 7. März den Palacio´ do Jaburu verließ, da wusste er, dass er den besten Deal aller Zeiten in der Tasche hatte. Mit zwei versteckten Rekordern hatte er sein vertrauliches Gespräch mit Brasiliens Präsidenten, Michel Temer, aufgenommen, das in einem Kellerraum von dessen Residenz stattfand, in den er über die Garage gelangt war, ohne von der Palastwache registriert worden zu sein.
Der Inhalt der Konversation passte zu deren konspirativem Rahmen: Der Boss des weltgrößten Fleischkonzerns JBS berichtete dem Staatsoberhaupt von seinen Mühen, dem Zugriff der Korruptionsermittler zu entgehen. Der Unternehmer erklärte, auf welchen Wegen er sich die Gunst eines Staatsanwaltes erkaufte, wie er den Zugang zu zwei Richtern erschmierte und dass er dem zu 15 Jahren Haft verurteilten früheren Parlamentspräsidenten Schweigegeld zahle, monatlich.
Fleischbarone nicht belangt
„Das müssen Sie unbedingt weitermachen, verstanden?“, entgegnete Temer, der überdies in keiner Minute des Gesprächs Anstoß nahm an dem, was ihm da vorgetragen wurde. Nach 38 Minuten verabschiedete sich der Gast, mitsamt dem Tonmaterial, das zwei Monate später eine „politische Atombombe“auslösen sollte, wie Brasiliens Medien jüngst titelten.
Der Mittschnitt dieses Privatissimums war für Brasiliens oberste Justizbehörden die „smoking gun“, also der zentrale Beweis gegen den 75-jährigen Michel Temer, den bislang seine Immunität vor Korruptionsermittlungen schützte. Für den Unternehmer Joesley Batista war die Audiodatei das wichtigste Element eines aberwitzigen Geschäfts: exklusives Beweismaterial gegen Straffreiheit für sich und seinen Bruder Wesley, den Boss der Industrieholding J & F.
Nachdem die Ermittler das zu akzeptieren bereit waren, wurden die Brüder Batista zu Kronzeugen. Die nun von der Ermittlungsleitung frei gegebenen Videos, auf denen die Fleischbarone detailreich und ohne große Scham berichten, wie sie 1824 Politiker aus 26 Parteien schmierten, wie sie den Ex-Präsidenten Lula und Dilma Rousseff illegale Wahlkampfhilfen auf zwei US-Konten überwiesen und wie sie den nunmehrigen Präsidenten, Temer, seit 2010 bei insgesamt 20 Treffen umgerechnet etwa 1,5 Mio. Euro zukommen ließen, sollten als Belege für die totale Verrottung des politischen Apparates dienen, den die Richter nun offenbar endgültig demontieren wollen.
Tatsächlich waren selbst viele professionelle Beobachter der brasilianischen Politik bestürzt über die Bereitschaft der Höchstrichter, trotz derart drastischer Bestechungsmanöver auf eine Bestrafung der Fleischbarone zu verzichten. In Brasiliens Rechtssystem sind derartige Deals legal. Ob sie auch gerecht sind, diskutieren derzeit die Leitartikler.
Die Batista-Brüder haben ihren Aufstieg stets auf der Butter- seite vollzogen. Den von ihrem Vater aufgebauten stattlichen Fleischkonzern brachten sie 2007 an die Börse, nachdem sie von Brasiliens Regierung in einen Kreis von Unternehmen aufgenommen wurden, die mithilfe von Krediten der nationalen Entwicklungsbank BNDES zu Weltkonzernen gedopt werden sollen. Mehr als drei Milliarden Euro bekam JBS von der Staatsbank, die auch noch 21 Prozent des Konzerns erwarb. Und weil Geschenke bekanntlich die Freundschaft erhalten, richteten die Batistas zwei Auslandskonten für die Wahlkämpfe von Lula und Dilma Rousseff ein, auf denen insgesamt 150 Mio. Dollar zu liegen kamen, rechnete Wesley Batista den Ermittlern vor.
Insiderdeals brachten Geld
So liefen die Geschäfte wie geschmiert, der Konzern kaufte USFleisch- und Geflügelriesen und zimmerte sich eine Holding aus Zukäufen in verschiedensten Branchen – vom Flip-Flop-Imperium Alpargatas bis zum Agro-TV Canal Rural. Der Umsatz wuchs von vier Mrd. Reais 2006 auf über 170 Mrd. (46,3 Mrd. Euro). Am Tag vor dem Platzen der „Atombombe“hätte der JBS-Umsatz noch 49,2 Mrd. Euro entsprochen, den Absturz des Real haben die Batistas ausgelöst. Allerdings nicht nur zu ihrem Schaden.
In den Wochen vor dem Bekanntwerden der Temer-Tapes kaufte der Batista-Konzern näm- lich große Summen Dollar, insgesamt wohl mehr als eine Milliarde. Und stieß diese wieder ab, sobald die Katze aus dem Sack war und der Real zwischenzeitlich zehn Prozent seines Wertes verloren hatte. Weil Brasiliens Recht bei Devisengeschäften keinen Insiderhandel kennt, war zumindest dieser Deal nicht illegal. Anders als die offenbar jahrelang angewandte Praxis, staatliche Fleischkontrolleure zu bestechen, um minderwertiges Fleisch in den Handel zu bringen. Mitte März wurde ruchbar, dass JBS unter anderem Schulen mit verdorbener Ware beliefert hatte.
Aus seinem New Yorker Domizil schickte Joesley Batista nun einen offenen Brief an das Land und bat die Brasilianer um Entschuldigung für alle unbotmäßigen Zahlungen an Staatsdiener. Sein „Unternehmergeist“und sein „unbändiger Wille, Dinge zu realisieren“, hätten ihn dazu getrieben, sich einem System unterzuordnen, das „Schwierigkeiten schafft, um danach Lösungen zu verkaufen“. Und er war sich nicht zu fein hinzuzusetzen: „Bei den Geschäften außerhalb Brasiliens waren wir fähig zu expandieren, ohne Ethikregeln zu brechen.“
Die JBS-Aktien haben seit Mitte Mai ein Drittel ihres Wertes verloren, was allerdings auch daran liegt, dass die Batistas rechtzeitig vor dem Knall nochmal richtig Kasse machten.