Die Presse

Serbiens Politik auf Wiens Straßen

Unterstütz­ung. Nach den Türken demonstrie­ren die Serben für ihren umstritten­en Präsidente­n. Aleksandar Vuˇci´c wird Wahlmanipu­lation und diktatoris­cher Regierungs­stil vorgeworfe­n.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Recep Tayyip Erdogan˘ ist nicht der einzige umstritten­e Präsident, für den die in Wien lebende Diaspora auf die Straße geht. Die Serben stellen nach den Deutschen mit rund 170.000 Mitglieder­n die zweitgrößt­e Migrantenc­ommunity Wiens. Am Sonntag versammelt­en sich rund 200 Wiener Serben auf dem Heldenplat­z, um ihren neu gewählten, designiert­en Präsidente­n, Aleksandar Vuciˇc,´ zu unterstütz­en. „Aleksandar, du Serbe“war auf Transparen­ten ebenso zu lesen wie „Österreich für Vuciˇc“.´

Organisato­r Stevan Raducic lobte Vuciˇc´ in seiner Rede: „Auf dass Serbien wieder groß werde.“Raducic ist in der Community ein bekanntes Gesicht. Er war früher bei der KPÖ und wechselte dann zur FPÖ. Das Magazin „Profil“schrieb 2009 über seine Ambitionen, eine serbische FPÖ-Fraktion zu gründen.

Wie schon bei den ProErdogan-˘Demonstrat­ionen liegt auch dieses Mal der Verdacht nahe, dass diese aus dem Ausland unterstütz­t wurde. Kurz vor Beginn der Demonstrat­ion wurde etwa Vuciˇc’´ Parteifreu­nd und Vizebürger­meister von Novi Sad, Srdjan Kruzeviˇc,´ auf dem Heldenplat­z gesichtet. Weiters soll auch die serbische Botschaft im Hintergrun­d bei der Bewerbung der Veranstalt­ung mitgeholfe­n haben. Offiziell dementiert man das: „Es gab keine offizielle Bewerbung“, heißt es. Und: Wenn sich einzelne Mitarbeite­r für die Demonstrat­ion engagieren oder diese besuchen, dann täten sie dies als Privatpers­onen.

Miloˇsevi´c’ Propaganda­minister

Während in Wien versucht wird, für den Präsidente­n Stimmung zu machen, kommt es in Serbien zu Massenprot­esten gegen ihn. Vuciˇc,´ der mit absoluter Mehrheit gewählt wurde und dessen Partei (SNS) im Parlament eine Zweidritte­lmehr- heit hat, wird Wahlmanipu­lation, ein diktatoris­cher Regierungs­stil sowie Medienzens­ur und -kontrolle vorgeworfe­n wird. Vuciˇc´ war 15 Jahre lang Mitglied der ultranatio­nalistisch­en Serbischen Radikalen Partei. Während des Jugoslawie­n-Krieges und der damit zusammenhä­ngenden Verbrechen war er Propaganda­minister des Diktators Slobodan Miloseviˇc.´ 1995 drohte er im Belgrader Parlament damit, dass Serbien für jeden getöteten Serben hundert Muslime umbringen werde.

Seit 2008 gibt er sich moderater und gründete die Serbische Fortschrit­tspartei (SNS), die seitdem die politische Landschaft Serbiens dominiert. Er gibt sich betont proeuropäi­sch, pflegt anders als sein Vorgänger Tomislav Nikolic´ lieber weniger Kontakte zur FPÖ, dafür mehr zur ÖVP. Mit Außenminis­ter Sebastian Kurz verbindet ihn ein freundscha­ftliches Verhältnis – während Vuciˇc,´ der bisher Premiermin­ister war, für Kurz die Grenzen vor Flüchtling­en dicht hält, verspricht dieser ihm Unterstütz­ung beim EU-Beitritt. Einer von Vuciˇc’´ Beratern ist übri- gens Ex-SPÖ-Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer. Und der amtierende Bundeskanz­ler Christian Kern hat ihn zuletzt bei einem Besuch in Serbien als Vorbild gelobt.

Auch in Wien gab es bereits eine Demonstrat­ion gegen Vuciˇc,´ die Anfang April stattfand. „Die politische­n Unruhen in Serbien werfen ihren Schatten bis hierher, bringen Unruhe ins Land, das ist nicht gut“, sagte ein Demo-Beobachter am Sonntag zur „Presse“.

Unruhe in der Community

Um genau Derartiges zu verhindern, wurde kürzlich eine Novelle des Versammlun­gsrechts beschlosse­n. Sie wird als Lex Erdogan˘ bezeichnet, da sie anlässlich des türkischen Referendum­s beschlosse­n wurde. Man wollte Wahlkampfa­uftritte verhindern. Politische Wahlkampfv­eranstaltu­ngen müssen eine Woche vorher angemeldet werden, die Regierung darf diese absagen. Nach wie vor können aber politisch unterstütz­ende Demonstrat­ionen über Strohmänne­r und Vereine veranstalt­et werden – und fremde Staaten können die Fäden ziehen.

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