Wiens Caf´e für frischen Fisch
Lokale. Steff und Harpa Hilty Henrysdottir´ betreiben hinter dem Alten AKH ein Cafe,´ in dem es alles gibt, was Isländer vermissen – von salziger Butter bis Wolle.
Es ist Montagvormittag, und die Sonne scheint schon ziemlich warm auf den neuen Gastgarten des Home Cafe.´ Drinnen sitzt Harpa Hilty Henrysdottir´ an einem Tisch und schreibt mit Kugelschreiber Ergänzungen auf die Getränkekarte: Eisgekühlter Kaffee ist angesichts der Annäherung an die 30-Grad-Marke neu auf der Liste. Temperaturen, an die sich Harpa Henrysdottir´ erst gewöhnen muss.
Dabei war es das Wetter, das die Isländerin gemeinsam mit Steff Hilty Henrysdottir´ nach Wien verschlagen hat. Steff, eine Fotografin, stammt eigentlich aus Liechtenstein („Mein Deutsch ist fließender, aber genauso komisch“), ist mit 16 nach England gegangen und hat seither alle drei Jahre das Land gewechselt, bis sie in Island landete – wo sie die Lehrerin Harpa heiratete und sich zum ersten Mal richtig zu Hause fühlte. Weg wollten die beiden nach drei Wintern trotzdem. Zu lang und dunkel sei die kalte Jahreszeit dort, zu oft würde es tagelang stürmen.
Sie könne sich noch genau erinnern, schildert Steff, wie die beiden bei einem gemeinsamen Ausflug in Rejkjavik spazieren gegangen seien und überlegt hätten, was eine Lehrerin und eine Fotografin wohl gemeinsam machen könnten. Die Antwort? Ein Cafe.´ Auch ein Reisebüro wäre infrage gekommen, die bürokratischen Hürden seien dafür aber ungleich höher. „Aber vielleicht, irgendwann.“Die neue Heimat dafür haben sich die beiden quasi im Internet ausgesucht. Berlin sei ihnen, aus dem kleinen isländischen Dorf Isafjödur kommend, zu rau gewesen, Budapest fanden sie nett – und Wien sei da für isländische Verhältnisse gleich um die Ecke gewesen, außerdem auf Platz fünf eines Rankings für Kinderfreundlichkeit.
So werken die beiden nun also im Home Cafe´ hinter dem Alten AKH, in einem ehemaligen Pub, das die beiden mit Flohmarktmöbeln, Familienfotos und Bildern aus Island in ein gemütliches Wohnzimmer verwandelt haben, und staunen selbst ein wenig, wie schnell sich ihr Angebot etabliert hat. Seit sie in der Facebookgruppe der „Isländer in Wien“Mitarbeiter gesucht haben, ist wenig überraschend die rund 80-köpfige Community Stammgast. Die Skandinavistik hat das Cafe´ schon als Ausweichquartier für Sprachunterricht verwendet – und zur Überraschung der Betreiberinnen ist das als Kaffeehaus gegründete Lokal inzwischen fast mehr Restaurant, mit Spitzen in den Abendstunden.
„Schuld“daran ist – neben dem positiven Image des Volks seit der letzten Fußball-EM – wohl auch der Fisch, den Isländer in Österreich vermissen. Frisch geliefert wird er vom Sohn eines Freundes der Mutter von Harpas Exfreund – eine typische Konstellation. „Wenn sich zwei Isländer treffen, stellen sie immer zuerst ihre Verbindung her“, erklärt Harpa. „Ich hab noch nie einen Isländer getroffen, zu dem es keine gab.“
Wer strickt, trinkt billiger
Den Fisch gibt es frisch (aktuell steht etwa arktischer Saiblingstartar mit DillWodka auf der Karte an der Wand), aber auch getrocknet. Ursprünglich das Mehl der armen Leute, sei Trockenfisch bis heute ein beliebtes Nahrungsmittel. Dafür brauche man allerdings gesalzene Butter, die Harpa selbst herzustellen begann. Bis hin zur Molke werden alle Nebenprodukte nun in der Küche verwendet.
Daneben gibt es (teils isländischen) Kuchen, lokale Süßigkeiten (gesalzene Lakritze), aber auch Bücher, Musik und Wolle. Stricken sei in Island Nationalsport, der wie Kochen schon in der Schule gelehrt wird, und die typischen handgestrickten Pullover, versichert Steff, seien mehr als ein Klischee. Zur Eventreihe „Knitting an Cocktails“kämen inzwischen ganze Gruppen: Wer strickt, kriegt seine Cocktails dabei billiger.