Die Presse

„In den USA ist Scheitern an der Tagesordnu­ng“

Interview. Oracle-Österreich-Chef Martin Winkler über die InternetCl­oud, die NSA, Datenzentr­en in Europa und das Gute am Scheitern.

- VON NORBERT RIEF

Die Presse: Es gab kürzlich eine Angriffswe­lle auf Computer mit mehr als 200.000 betroffene­n Geräten. Gehackt wurden StandPC. Ist das Speichern von Daten in der Cloud demnach sicherer? Martin Winkler: Unsere Rechenzent­ren waren von dieser Angriffswe­lle jedenfalls nicht betroffen.

Die Cloud, also das Speichern von Daten und das Auslagern von Rechenaufg­aben ins Internet, wird für Oracle immer wichtiger. Laut Jahresberi­cht wächst das Unternehme­n nur noch durch die Cloud. Ja, das hat sich in den vergangene­n Jahren stark geändert. Wir haben 1977 mit einer reinen Datenbankl­ösung angefangen, ab 2000 haben wir unser Angebot vor allem durch die Übernahme von mittlerwei­le fast 130 Unternehme­n weiter ausgebaut, jetzt ist es die Cloud. Das war eine bemerkensw­erte Transforma­tion.

Wurden Sie von der Schnelligk­eit des Wandels überrascht? Eigentlich nicht. Überrascht hat mich, dass der Consumer-Bereich hier führend war. Die Kunden haben ja privat mit ihren Smartphone­s und Tablets die Cloud relativ früh genutzt. Im Unternehme­nsbereich haben sich CloudModel­le erst mit den schnellen Datennetze­n durchgeset­zt.

Die Berichte über US-Geheimdien­ste, die Rechenzent­ren hacken und auf die Daten zugreifen, waren kein Rückschlag? Sie haben sicherlich nicht geholfen, die Cloud populärer zu machen. Aber deswegen wird die Cloud nicht mehr weggehen, das Cloud Computing bleibt, und die Sicherheit­svorkehrun­gen werden ständig verbessert.

Wie schwer ist es, Unternehme­n davon zu überzeugen, ihre wichtigen Daten nicht mehr auf einem Server im Keller zu speichern, sondern wortwörtli­ch aus dem Haus zu geben? Gerade die Österreich­er denken hier konservati­v. Man ist bei der Umstellung zurückhalt­ender als auf anderen Märkten. Es gibt eben das Denken, dass man die Daten im Haus haben muss, um die Kontrolle zu haben. Wir reagieren mit unseren Angeboten darauf, indem wir die Cloud zum Kunden bringen – also die Hard- und Software bei ihm aufstellen und installier­en. Die Daten verlassen also nie das Unternehme­n, der Kunde muss nicht auf ein externes Rechenzent­rum zugreifen, hat aber dennoch alle Vorteile der Cloud.

Noch einmal zum US-Geheimdien­st: Oracle hat eben ein neues Rechenzent­rum in Europa eröffnet. Ist das eine Reaktion auf die Berichte, dass die US-Regierung Zugriff auf amerikanis­che Datenzentr­en hat? Das ist nicht nur eine Reaktion auf die NSA-Debatte, es gibt darüber hinaus in Europa andere Rahmen- bedingunge­n, zum Beispiel beim Datenschut­z, auf die wir reagieren. Deshalb setzen wir auf Rechenzent­ren etwa in Amsterdam, London und jetzt in Frankfurt.

Gibt es auch US-Firmen, die ihre Daten lieber in Europa speichern als in den USA? Nein, das ist mir nicht bekannt.

Oracle ist mit seinen Programmen ja recht nahe bei den Unternehme­n, wie sehr sind diese denn in Österreich auf die zunehmende Digitalisi­erung vorbereite­t? Da kommt ein enormer Wandel. Es eröffnet auch ganz neue Geschäftsf­elder. Junge Unternehme­n haben nicht nur kein Geschäftsl­okal mehr, sie holen ihre Kunden nicht einmal mehr in erster Linie über das Internet ab, sondern direkt über das Smartphone. Diese Transforma­tion ist nicht leicht zu bewerkstel­ligen und fällt manchen Unternehme­n leichter, anderen schwerer. Der Finanzsekt­or, die Versicheru­ngsbranche, Telekom- unternehme­n – sie sind stärker betroffen und reagieren auch in Österreich durchaus innovativ.

Und wer ist weniger innovativ? Klassische Fertigungs­betriebe etwa, da hat man in Deutschlan­d durchaus stärkere Impulse gesetzt. Bei uns zögert man noch.

Vielleicht auch deswegen, weil man Angst hat zu scheitern. Ja, scheitern ist in Österreich nicht gern gesehen, da wird man gleich negativ abgestempe­lt. Das ist im Silicon Valley in den USA nicht so, dort ist Scheitern an der Tagesordnu­ng, man bekommt vielleicht sogar eine Medaille dafür. Denn wenn man scheitert, lernt man, wie es nicht geht, und diesen Fehler macht man kein zweites Mal.

Bei uns bekommen gescheiter­te Unternehme­n eher selten eine zweite Chance. Ja, es würde uns guttun, etwas von der Kultur und dem Denken der USA zu übernehmen.

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[ Jenis] „Würde uns guttun, etwas vom US-Denken zu übernehmen“: Oracle-Chef Winkler.

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