Höchste Präzision für feinsten Klang
Sie strömen aus der ganzen Welt nach Hamburg, um das neue Wahrzeichen der Stadt zu sehen und vor allem den außergewöhnlichen Klang zu erleben. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung haben bereits zwei Millionen Menschen die Elbphilharmonie besucht — ein Ansturm, mit dem wohl selbst die Planer nicht gerechnet hätten. Ob sich die hohen akustischen Erwartungen an den Konzertsaal erfüllt haben, ist eine Frage für Musikexperten. Die Konstruktion und Bauweise des Projekts zählen jedenfalls zu den außergewöhnlichsten weltweit.
Zwei-Schalen-Lösung
Verantwortlich für die Stahlkonstruktionen der Elbphilharmonie ist die Kärntner Firma Haslinger Stahlbau. „Der Grund, warum dieser Konzertsaal zu den besten der Welt zählt, ist das sogenannte Raumin-Raum-Konzept. Mit Hilfe von 342 Federn wird der Konzertsaal schalltechnisch vom restlichen Ge- bäude getrennt“, erklärt Arno Sorger, Geschäftsführer von Haslinger Stahlbau. Wie das funktioniert? Die Außenkontur des Konzertsaals, in dem 2150 Besucher Platz finden, wurde in zwei unabhängige Schalen aufgelöst. Die äußere Schale ist aus Stahlbeton und Teil des Gesamtgebäudes. Die innere Schale ist auf 342 Federpaketen aufgelagert und wird dadurch schalltechnisch entkoppelt. „Die Schwingungen von außen werden durch diese Federpakete abgefangen“, erklärt Sorger. Und ergänzt: „Das bedeutet, dass von außen nichts in das Gebäude dringen kann, was die Akustik beeinflussen könnte. Nicht einmal ein Wellenschlag der Elbe.“
Herausforderung bewältigt
Dass das Hamburger Wahrzeichen zu einem der schwierigsten Projekte zählt, die die Kärntner Firma je umgesetzt hat, liegt nicht nur an den technischen und baulichen Herausforderungen. Abweichungen zwischen Ausschreibung und architektonischer Planung und daraus resultierende Terminund Kostenauswirkungen führten zu Rechtsstreitigkeiten, verlängerten das Projekt, ursprünglich auf rund neun Monate Bauzeit ausgerichtet, auf insgesamt dreieinhalb Jahre. „Das war auch für uns extrem schwierig. Aber man wächst mit der Aufgabe, wir sind als Unternehmen dadurch besser geworden“, streicht Sorger die positiven Effekte hervor.
Mit Probelauf
Haslinger Stahlbau konnte mit absoluter Präzision und mit echter Millimeterarbeit überzeugen. So wurde der große Konzertsaal mit einer Ausdehnung von 55 beziehungsweise 50 Metern während des Baus ständig mittels Laser vermessen und kontrolliert. „Auf diesen Entfernungen durfte die Toleranz der endmontierten Stahlkonstruktion von Punkt zu Punkt im Saal nie mehr als zehn Millimeter betragen“, so Sorger. Auch bei der Foyer- treppe musste jeder einzelne Teil exakt passen. „Daher haben wir die Treppe — sie hat ein Gewicht von 110 Tonnen — bei uns in Feldkirchen einmal zur Probe komplett zusammengebaut. Im endmontierten Zustand hätte es nämlich keine Ausgleichsmöglichkeit mehr gegeben“, sagt der Haslinger Stahlbau-Chef. Insgesamt waren 16 Statiker, 20 Konstrukteure, rund 120 Schlosser und Schweißer sowie 20 Monteure mit dem Auftrag beschäftigt.
Trotz Platzmangel
Genauigkeit war nicht nur bei der Konstruktion selbst, sondern schon bei der Anlieferung der Einzelteile aus Kärnten notwendig. Grund dafür waren die beengten Platzverhältnisse auf der Baustelle in Hamburg. „Es gab nur eine einzige Zufahrtsstraße. Das heißt, das Zeitfenster für die Lkw-Anlieferungen war extrem kurz“, erklärt Sorger. Die Einzelteile mussten nach der Lieferung gleich in die Elbphilharmonie eingebracht oder auf einem schwimmenden Ponton zwischengelagert werden. „Beschränkt waren wir hauptsächlich durch die Hebekraft des einzigen Turmdrehkrans, die mit zwölf Tonnen begrenzt war“, sagt der Geschäftsführer. Neben dem großen Konzertsaal und der Foyertreppe war Haslinger Stahlbau auch für den kleinen Konzertsaal verantwortlich. Dieser liegt unterhalb des großen auf einer Höhe von 43 bis 56 Metern und bietet Platz für 550 Personen. Das Stahlgewicht dieses Saals beträgt 200 Tonnen.
Digitales 3D-Modell
Für Haslinger Stahlbau war es auch das erste Projekt, bei dem das Unternehmen von Papierplänen abgegangen ist und mittels digitalen 3D-Modells gearbeitet hat. „Insgesamt sind wir als Unternehmen bei der Elbphilharmonie an unsere Kapazitäts- und Leistungsgrenzen gegangen. Aber dadurch haben wir uns weiterentwickelt und in unseren Fähigkeiten stark verbessert.“