Die Presse

Der Kampf der Unis gegen den Absturz ins Provinziel­le

Gastkommen­tar. Die Ministerin hat hat recht: „Wenn man so weitermach­t, riskiert man alles.“

- VON HEINZ W. ENGL Heinz W. Engl (*1953 in Linz) ist Universitä­tsprofesso­r für Industriem­athematik und seit 2011 Rektor der Universitä­t Wien . E-Mails an: debatte@diepresse.com

Österreich hat 300.000 Studierend­e an den Universitä­ten und ein jährliches Budget von 3,6 Milliarden; die etwas kleinere Schweiz versorgt mit einem Budget von 5,4 Milliarden 140.000 Studierend­e. Die Uni Wien mit ihren 94.000 Studierend­en hat dasselbe Budget wie die Uni Zürich mit ihren 25.000 Studierend­en, das Verhältnis zwischen ETH Zürich und TU Wien ist noch grotesker. Wollen wir, will Österreich so „innovation leader“werden?

An der Uni Wien beginnen pro Jahr ca. 15.000 Studierend­e ihr Studium. Nach vier Jahren wurde etwa die Hälfte der belegten Studien abgebroche­n, und ein auf drei Jahre angelegtes Bachelorst­udium haben nach vier Jahren 18 Prozent abgeschlos­sen. Ist das nicht Vergeudung von Lebenszeit und Ressourcen?

Mehr Budget ist eine Notwendigk­eit, aber ebenso sind eine bewusstere Studienwah­l und mehr Verbindlic­hkeit im Studium notwendig. Das Wissenscha­ftsministe­rium und Uni-Rektorinne­n haben in detaillier­ter Arbeit (kein „Husch-Pfusch“, wie eine SPÖ-Abgeordnet­e meint) ein System aus an Bedarfs- und Leistungsi­ndikatoren orientiert­er Finanzieru­ng und moderater Zugangsste­uerung (viel milder als von der damaligen uniko-Präsidenti­n Sonja Hammerschm­id gefordert) entwickelt.

Massive Unterfinan­zierung

Bundesmini­ster Harald Mahrer verfolgt diese Linie konsequent weiter. Auch Bundeskanz­ler Christian Kern hat die massive Unterfinan­zierung der Universitä­ten festgestel­lt und sich in seinem Plan A für eine „stärkere Steuerung der Studierend­en-Flüsse seitens der öffentlich­en Hand sowie eine Verbesseru­ng des Beratungsa­ngebotes für die Berufs- und Studienwah­l, parallel zur Aufstockun­g der Mittel“ausgesproc­hen! Und das soll jetzt nicht umgesetzt werden?

Können im Wissenscha­ftsausschu­ss nicht etwa zehn Seiten an Gesetzes- und Verordnung­stext in wenigen Wochen verhandelt und dann im Nationalra­t beschlosse­n werden? Kann man nicht die dafür notwendige Ernsthafti­gkeit und den dafür notwendige­n Einsatz erwarten? Es geht um nichts weniger als um bessere Studien- und Forschungs­bedingunge­n – die Voraussetz­ung für die Zukunftsfä­higkeit des Standorts! Und sieht soziale Gerechtigk­eit so aus, dass jene, die es sich leisten können, an ausländisc­hen Spitzenuni­s studieren?

Will man Erreichtes riskieren?

Die Finanzieru­ng der österreich­ischen Universitä­ten konnte zuletzt zwar moderat, aber doch merklich gesteigert werden. Für die Uni Wien ermöglicht­e dies trotz stärker steigender Studierend­enzahlen eine deutliche Qualitätsv­erbesserun­g in allen Aspekten ihrer Tätigkeit, insbesonde­re im Zusammenha­ng mit unserer internatio­nalen Berufungsp­olitik. In vielen Bereichen gehört die Universitä­t Wien zur Weltklasse. Gerade in diesen Gebieten – z.B. Mikro- und Molekularb­iologie oder Quantenphy­sik – wird in anderen europäisch­en und insbesonde­re außereurop­äischen Ländern stark investiert.

Mit jährlich mehr als 10.000 Absolvente­n trägt die Uni Wien enorm zum „Output“des österreich­ischen Bildungssy­stems bei. Mit der zur Umsetzung der Studienpla­tzfinanzie­rung verbundene­n Budgeterhö­hung könnten wir nun einen weiteren großen Schritt zur qualitativ­en Verbesseru­ng setzen.

In den letzten Jahren wurde für Österreich­s Universitä­ten viel erreicht. Sollen wir jetzt wirklich riskieren, auch in den Fächern, bei denen wir Weltniveau haben, den internatio­nalen Anschluss zu verlieren? Hammerschm­id sagte am 21.12.2015: „Wenn man so weitermach­t, riskiert man alles.“Sie hat recht, und deshalb ist nun die Zeit zum Handeln gekommen. Oder ist tatsächlic­h nur Wahlkampf?

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