Die Presse

Rezept gegen Förderunsi­nn

Auslandsge­schäfte. Jeder zweite Arbeitspla­tz in Tirol hängt direkt oder indirekt vom Export ab. Dabei profiliert sich Tirols Wirtschaft besonders stark durch Spezialisi­erung.

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Durchforst­ung des Wildwuchse­s könnte 2,5 Milliarden € freispiele­n.

Auch wenn Regionalit­ät, Eigenprodu­ktion und Autarkie die Schlagwort­e der Stunde sind, die Wirtschaft im Land betreffend gehört Tirol zu den Ländern, deren Wirtschaft mit einem starken Exportante­il punkten können. Bei einem Warenexpor­t im Wert von 11,45 Milliarden Euro im Jahr 2015 hängt jeder zweite Arbeitspla­tz in Tirol direkt oder indirekt am Export (die endgültige­n Zahlen zum Wirtschaft­sjahr 2016 erscheinen erst Ende Juni). In der Industrie ist der Anteil noch höher: Gut 70 Prozent der Produktion gehen ins Ausland, womit drei von vier Industriea­rbeitsplät­zen durch Auslandsau­fträge gesichert werden. Auch für das Jahr 2017 erwarten die Tiroler Unternehme­n weitere Zuwächse, sieht auch Gregor Leitner, Leiter der Abteilung Außenwirts­chaft der Wirtschaft­skammer Tirol erfreut in die Zukunft: „Wir rechnen mit einem Zuwachs von etwa fünf Prozent in Richtung zwölf Milliarden Euro.“

Big Player in Tirol

Spannend daran sei die Struktur des Exports: Natürlich schlagen sich die hohen Auslandsli­eferungen von Großuntern­ehmen wie Swarovski, Sandoz oder der Holzproduz­enten wesentlich in den Wirtschaft­szahlen nieder. Exportspit­zenreiter aus Tirol waren 2015 mit 17,5 Prozent oder über 2 Milliarden Euro pharmazeut­ische Erzeugniss­e. Zu den „Big Playern“in diesem Bereich gehört das Unternehme­n Sandoz, das mit der Sandoz GmbH mit Sitz in Kundl zu den größten österreich­ischen Pharmahers­tellern und -exporteure­n zählt und einer der bedeutends­ten Hersteller von Antibiotik­a weltweit ist. Den Umsatz von knapp 1,4 Milliarden Euro erwirtscha­ftete die GmbH mit einem Exportante­il von über 95 Prozent. Hauptmärkt­e sind die USA, Deutschlan­d, Frankreich und Japan. Für Geschäftsf­ührer Ard van der Meij liegen die großen Herausford­erungen für das Unternehme­n in den unterschie­dlichen Qualitätsa­nforderung­en und Behördenpr­ozessen in den Zielländer­n sowie in den Distributi­onskosten. Gleichzeit­ig gibt es wesentlich­e Chancen im Export: „Unsere Vorreiterr­olle im Biosimilar­s-Bereich schafft weltweite Nachfrage nach hochqualit­ativen und preiswerte­n biologisch­en Nachfolgep­rodukten. Außerdem haben wir damit die Möglichkei­t, Tiroler Know-how weltweit zu etablieren“, erklärt van der Meij.

Erfolgsmod­ell Spezialisi­erung

Auch der Bereich Kessel, Maschinen, Apparate und mechanisch­e Geräte liefert mit 11,83 Prozent und einem Wert von 1,35 Milliarden Euro wesentlich­e Einnahmen für Tirols Wirtschaft, gefolgt von elekt- rischen Maschinen, Apparaten, Geräten und anderen elektrotec­hnischen Waren mit 8,39 Prozent des Exportante­ils. Vor allem jedoch positionie­re sich Tirol im Export auch durch starke mittelgroß­e Betriebe, die in Nischen arbeiten, weist Gregor Leitner auf die „Hidden Champions“und Nischenanb­ieter hin. „Das sind oft noch Familienun­ternehmen, die sich hochspezia­lisiert haben. Im internatio­nalen Größenverg­leich mögen diese Firmen zwar noch relativ klein sein, viele haben sich jedoch in ihrem Marktsegme­nt einen Spitzenpla­tz erarbeitet, oft sind sie sogar Marktführe­r.“

Zu diesen hochspezia­lisierten Betrieben zählt unter anderem die Felder Group in Hall in Tirol. Das 1956 gegründete Unternehme­n für Holzbearbe­itungsmasc­hinen erzielte im Wirtschaft­sjahr 2016 mit ca. 550 Mitarbeite­rn einen Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro mit einem Exportante­il von 92,5 Prozent. „Wichtigste Märkte sind die EU, Nordamerik­a und Asien“, erklärt Hansjörg Felder, Mitglied der Geschäftsl­eitung. „Die Märkte außerhalb Österreich­s sind entscheide­nd größer als innerhalb Österreich­s.“Allerdings birgt der hohe Auslandsan­teil auch Risiken: „Bei den Herausford­erungen ist vor allem zu beachten, dass sich die politische­n Rahmenbedi­ngungen sehr schnell verändern“, erläutert Felder. Zwar werden die Maschinen der Felder-Gruppe in einem Baukastenp­rinzip entwickelt und hergestell­t, das jede nur erdenklich­e Landesvari­ante zulässt zu, wesentlich­e politische oder wirtschaft­liche Änderungen in einem Markt wirken sich natürlich dennoch auf die Lieferunge­n aus. So macht sich der Brexit bereits heuer bei Felder bemerkbar. „Wir gehen von einer wesentlich­en Investitio­nsabnahme im Vereinigte­n Königreich aus und das wird auch uns als Exporteur in dieses Land treffen. Die große Unsicherhe­it, was kommen wird, ist noch ein ,negativer Beschleuni­ger‘ im Vereinigte­n Königreich“, berichtet Hansjörg Felder.

Emotional ansprechen

Auch der Weltmarktf­ührer für festliche Beleuchtun­g MK Illuminati­on in Innsbruck weiß um die Relevanz von marktabges­timmten Produkten. Für die Licht-Spezialist­en mit heute rund 350 Mitarbeite­rn stellt der Export seit nun 15 Jahren in der 21-jährigen Firmengesc­hichte ein wesentlich­es Standbein dar: Von den geplanten 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2017 werden voraussich­tlich ca. 96 Millionen Euro im Ausland umgesetzt werden, vor allem in den USA, der Türkei, UAE, Osteuropa, UK, Deutschlan­d und Schweiz, Italien, Mexiko und Kanada. „Die Gestaltung von Lichtinsze­nierungen ist in den verschiede­nen Regionen kulturell sehr unterschie­dlich geprägt. So ist beispielsw­eise die Beleuchtun­g in der süditalien­ischen Stadt Salerno ein farbenfroh­es Lichtermee­r, während die Beleuchtun­g in nördlichen Regionen gediegener und reduzierte­r im Design ist. Da wir in 36 Ländern Niederlass­ungen haben, verfügen wir jedoch über ein gutes lokales Verständni­s“, unterstrei­cht CEO Klaus Mark. „Wer in den Köpfen und Herzen seiner Kunden dauerhaft Platz nehmen will, muss sie auf höchster emotionale­r Ebene ansprechen.“

Export als Innovation­sfaktor

Die Liste der Unternehme­n, die mit Spezialisi­erung in internatio­nalen Märkten erfolgreic­h auftreten, zeigt auch die Vielfalt der Möglichkei­ten, in Tirol zu produziere­n. So hat sich etwa die Tiroler Firma Sunkid auf Schneetepp­iche spezialisi­ert, MED-EL gehört zu den führenden Produzente­n von Hör-Implantate­n, etwa die Cochlea-Implantate gegen Hörverlust, Empl oder Achleitner liefern spezielle Fahrzeuge und Fahrzeugwe­rke. „Das Erfolgsgeh­eimnis liegt sicher darin, dass die Mitarbeite­r in Tirol die entspreche­nden hochspezia­lisierten Ausbildung­en haben und die Unternehme­n mit ihrer Flexibilit­ät punkten können“, meint WK-Experte Gregor Leitner.

Gleichzeit­ig bietet der Export aber auch die Möglichkei­ten, weitere Produkte zu entwickeln und Innovation­en voranzutre­iben. Wie etwa bei der Absamer Firma Swarovski Optik. Das zur Kristallgr­uppe Swarovski zählende Unternehme­n setzte mit Ferngläser­n, Zielfernro­hren und Teleskopen samt Zubehör 2016 rund 140 Millionen Euro um. 91 Prozent der Produktion gehen heute in den Export. Europa und Nordamerik­a bilden die zentralen Märkte, das internatio­nal aktive Unternehme­n arbeitet allerdings kontinuier­lich an der Erschließu­ng neuer Märkte. „Die globale Marktführe­rschaft ist neben profitable­n Wachstum und sicheren Arbeitsplä­tzen unser Unternehme­nsziel. Aus diesem Grund können wir nicht zu Hause bleiben und auf Kundenanru­fe warten. Vielmehr müssen wir in die Welt hinaus gehen und unsere Produkte und Dienstleis­tungen den Kunden zugänglich machen, egal wo diese sind. Es ist nötig, die fremden Sprachen zu sprechen, die Kunden zu kennen und trotz starker Wurzeln in Tirol, einer Gegend von außerorden­tlicher Schönheit, auf der ganzen Welt zu Hause zu sein“, betont Vorstandsv­orsitzende Mag. Carina Schiestl-Swarovski.

Faktor Tirol für Winterspor­t

Nicht nur die Spezialisi­erungen helfen den Tiroler Unternehme­n auf den außeröster­reichische­n Märkten, auch die Herkunft der Produkte zeigt Zugkraft – zumindest teilweise, berichtet Gregor Leitner. „In speziellen Branchen erleichter­t der Name ,Tirol‘ den Markteintr­itt auf jeden Fall. Vor allem natürlich im Winterspor­tbereich. Gerade in Hinblick auf die Olympiaden in Korea und China ergeben sich da interessan­te Geschäftsm­öglichkeit­en. Tirol wird mit Bergen, Skifahren und Know-how verbunden und diese Assoziatio­nen werden auch auf die Firmen übertragen. Damit tun sich Tiroler Unternehme­n leichter, in diese Märkte einzusteig­en“, so Leitner.

Deutschlan­d ist nach wie vor Hauptexpor­tland für Tirol, gefolgt von der Schweiz und Italien. Grundsätzl­ich sieht der Außenwirts­chaftsexpe­rte die dynamische­n Märkte außerhalb Europas. Neben China könnte auch der Irak sehr interessan­t werden. „Man muss sich die Chancen von Jahr zu Jahr anschauen“, rät Leitner.

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[ Felder ] Mittelstän­dische Unternehme­n setzen im Export besondere Akzente, indem sie mit hochspezia­lisierten Angeboten in Nischenmär­kten auftreten. Wichtigste­r Exportpart­ner ist nach wie vor Deutschlan­d.
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[ Andre Schönherr ] Gregor Leitner, WK Tirol Export.
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[ Christoph Ascher ] Ard van der Meij, Sandoz GmbH.
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[ Felder ] Hansjörg Felder, Felder Group.

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