Das Kapital ist zurück auf Kuba
Luxus. Armani, Versace, Lacoste: Die (noch) kommunistisch geprägte Insel wird von westlichem Lebensstil und Edelwaren erschlossen. Für Kubaner ist es meist noch unleistbar.
Staunend bleiben dieser Tage Kubaner vor den Auslagen eines Prachtbaus in der Altstadt Havannas stehen, einige Mutige wagen sich in die Geschäfte darin hinein und fragen nach den Preisen. Die Luxusartikel, die sie dort sehen, übersteigen aber bei weitem die Möglichkeiten der Einheimischen. So bleibt den meisten als Erinnerung nur ein Selfie vor den Auslagen, in denen etwa Taschen von Versace oder Polohemden von Lacoste zu sehen sind.
Nobelmarken wie Armani und Montblanc, aber auch an sich preiswertere Ketten wie Women’secret oder Mango schmücken die Einkaufsgalerie des Gebäudes aus dem frühen 20. Jahrhundert, in dem auch das Fünfsternehotel Gran Hotel Manzana untergebracht ist. Dieses hat erst kürzlich eröffnet, als erstes seiner Klasse auf der kommunistischen, bei Touristen beliebten Insel.
„Die Preise sind heftig“
„Diese Preise sind heftig“, sagt die Kubanerin Idalmis. Sie arbeitet in einer nahen staatlichen Buchhandlung. „Ich glaube, nicht einmal die meisten Touristen können sich dort was kaufen, wenn die Preise nicht heruntergehen.“In dem abgewirtschafteten Land mit seinen etwa elf Millionen Einwohnern übersteigt der monatliche Durchschnittsverdienst nicht die 30-Dollar-Marke (etwa 27 Euro). Damit scheiden Einheimische als Kunden fast schon automatisch aus. Auch Touristen wundern sich. Schließlich wähnen sie sich hier fern von westlichem Luxus und Konsum. „Ich habe echt nicht erwartet, hier solche Geschäfte vorzufinden“, sagt etwa der Kanadier Michael McDonnell. „Wenn jemand Urlaub auf Kuba macht, dann doch auch, um den üblichen Einkaufszentren zu entfliehen.“
Die Geschäfte in der Hotelgalerie profitieren auch von ihrer zentralen Lage. Gleich nebenan thronen das Kapitol und das Große Theater. Überquert man die Straße, ist dort die Bar „Floridita“, wo US-Schriftsteller Ernest Hemingway (1899-1961, er lebte mehr als zwei Jahrzehnte lang auf Kuba) in Mengen seine Daiquiris trank. Ebenfalls in der Nähe: der prächtige Boulevard Paseo del Prado, der den Paseo Mart´ı umfasst. Von hohen Bäumen gesäumt, war er 2016 Laufsteg für eine Präsentation der Sommerkollektion des Pariser Modehauses Chanel.
Kempinski als Pionier der Reichen
Am Paseo del Prado, zwischen einigen heruntergekommenen und anderen, restaurierten Gebäuden im Kolonialstil, zog im Februar die Parfümerie Guerlain ein – in dasselbe Geschäft, das die französische Marke nach dem Ende der Revolution 1959 und dem Einzug des Sozialismus auf der Insel geschlossen hatte. Nun verkauft die Firma dort auch Düfte etwa von Givenchy, Hermes, Dior. Es markiert eine neue Epoche, wo Luxus und eine von ewiger Rezession geplagte Gesellschaft parallel existieren.
Das Gran Hotel Manzana ist Eigentum der kubanischen Hotelkette Gaviota, die wiederum dem Militär gehört. Als Verwalter firmiert Kempinski, Europas führende Hotelkette im Luxussegment. Die Nächtigung kostet je nach Zimmertyp umgerechnet 355 bis 2225 Euro. Die Eröffnung des Hauses ist das Symbol, dass Kuba auch auf Luxustourismus setzt. Und Kempinski macht nur den Anfang: Luxushäuser wie das „Prado y Malecon“´ der französischen Kette Accor und das „Packard“der spanischen Kette Iberostar folgen.
„Mit dem Entstehen eines neuen Marktsegments, wie es die steigende Zahl der Touristen aus Nordamerika mit sich bringt, kann das ganze Potenzial Kubas ausgeschöpft werden“, sagt Francesco Camps, Vizedirektor der spanischen Hotelkette Melia´ auf der Insel. Das Ende Dezember 2014 verkündete Ende der Eiszeit zwischen Washington und Havanna befeuert den Boom: Seit der Wiederannäherung sind die Zahlen der US-Urlauber explodiert. Mit 284.000 Besuchern im Vorjahr stellen US-Touristen nun die zweitgrößte Besuchergruppe nach den Kanadiern.
Die Dollars der „Gringos“
2016 kamen insgesamt erstmals mehr als vier Millionen Urlauber; Experten schätzen, dass jährlich bis zu zwei Millionen allein aus den USA kommen könnten, wenn die Reisebeschränkungen ganz fallen. Diese „Gringos“könnten dann auf der Dachterrasse des Kempinski mit Blick auf das Kapitol einen Sundowner schlürfen oder im Bulgari-Shop eine Uhr für mehr als 10.000 Dollar kaufen. Das ursprüngliche Kuba, das viele Touristen suchen, werden sie dort aber kaum finden. (dpa)