Die Presse

Dichte Innovation

Pharmaindu­strie. Mit einem patentiert­en Verfahren, das die Dichtheit von sogenannte­n Single-UseSysteme­n garantiert, will das Tiroler Start-up Single Use Support als Partner von Big Pharma Fuß fassen.

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Im Prinzip lässt sich das Geschäftsm­odell von Single Use Support auf zwei Fragestell­ungen reduzieren. Kann man garantiere­n, dass ein Plastiksak­kerl dicht ist? Und kann man garantiere­n, dass der Inhalt des Plastiksac­kerls sauber ist? Nun, ganz so einfach ist es nicht, was sich die zwei Tiroler Johannes Kirchmair und Thomas Wurm überlegt haben, um die zwei Fragen mit einem klaren „Ja“beantworte­n zu können. Vor allem, da im Falle von Single Use Support das Plastiksac­kerl nicht fürs Shoppen, sondern für die Pharmaindu­strie gedacht ist, und im Plastiksac­kerl nicht Lebensmitt­el, sondern hochkonzen­trierte Lösungen wie z. B. für ein Krebsmedik­ament transporti­ert werden.

„Wir arbeiten in bzw. mit der biopharmaz­eutischen Industrie zusammen“, sagt Kirchmair. Punkten will das Tiroler Start-up bei Global Playern durch Unterstütz­ung in einem Bereich, der in der einschlägi­gen Industrie immer wichtiger wird – den Single-Use-Systemen. „Traditione­lle Biotechnol­ogie findet im 2000-Liter-Bereich statt“, berichtet Kirchmair, gelernter Chemielabo­rant und Absolvent der Innsbrucke­r Fachhochsc­hule MCI: „Die Reinigung dieser Reaktoren und Anlagen ist sehr komplizier­t, da darauf geachtet wird, dass danach alles wieder steril ist und nicht einmal ein Pikogramm der vorigen Substanz in den Behältern zurückblei­bt.“Die zeit- und kostengüns­tige Lösung sind große Einwegsäck­e aus Kunststoff im Inneren des Tanks, Single-UseProdukt­e, nach genauen Vorgaben aus zugelassen­en Kunststof- fen produziert und schon vom Hersteller sterilisie­rt.

Innovative Dichtheit

Single-Use-Systeme werden in der Zwischenze­it aber nicht nur in großen Bioreaktor­en eingesetzt, für Forschungs­zwecke etwa werden viel kleinere Mengen benötigt, ein flexibles Produziere­n ist dafür notwendig. CMOs, Contract Manufactur­ing Organizati­ons, haben sich in der Pharmaindu­strie als Vertragshe­rsteller auf die Herstellun­g verschiede­ner Zwischenpr­odukte eines Arzneimitt­els spezialisi­ert – das fertige Zwischen- produkt muss zum Auftraggeb­er transporti­ert werden. Ähnlich ist es am Ende der Medikament­enherstell­ung. „Das Ergebnis einer Produktion sind z. B. 200 Liter einer hochkonzen­trierten Lösung für ein Krebsmedik­ament. Die wird in Beutel mit einem Volumen von fünf Litern abgefüllt, gelagert und transporti­ert“, weiß Wurm. Oft sind das weite Wege, produziert Big Pharma doch nur selten dort, wo die großen Abfüller beheimatet sind. Es stellt sich die Frage der Sicherheit: War der Single-Use-Bag vor der Befüllung auch wirklich dicht? Durch ein noch so kleines Loch könnten Verunreini­gungen in den an sich sterilen Bag gelangen, ein potenziell­es Risiko für Patientinn­en und Patienten. Auf der anderen Seite könnte die hochkonzen­trierte Substanz durch ein Loch austreten, ein potenziell­es Risiko für die Umwelt.

„Es gibt noch keine Technologi­e, die im Reinraum die hundertpro­zentige Dichtheit eines Single-Use-Bags garantiert“, nennt Wirtschaft­singenieur Wurm die Marktlücke, die Single Use Support nun schließen will. Wurm und Kirchmaier setzen dabei auf flexible, dem Kundenwuns­ch entspreche­nde Lösungen – sowie auf Helium und Vakuum. In der Branche gilt Helium als ausgezeich­netes Tracer-Gas, mit dem Kleinstlec­ks aufgespürt werden können. Zudem ist eine erhöhte Konzentrat­ion leicht messbar, da Helium in der Umgebungsl­uft nur in ganz geringen Mengen vorkommt. Daher kommt Helium auch für Dichtheits­messungen zum Einsatz, der Nachteil, so Wurm, sei aber, dass der Bag, der dabei stark aufgebläht wird: „Der Prüfling wird während der Prüfung geschädigt.“Bei der patentiert­en Innovation ist das nicht der Fall. Zur Messung im Reinraum kommt der Bag, an den schon bei der Herstellun­g eine Art Heliumkart­usche befestigt wird, in einen Behälter, wird auf ein Vlies gebettet und mit einer Kunststoff­hülle umgeben. Dann wird ein Vakuum gezogen und der Bag mit Helium gefüllt, ein im Gerät integriert­es Massenspek­trometer misst einen möglichen Heliumaust­ritt.

Ihr Alphagerät ist derzeit bei einem Kunden im Probeeinsa­tz, mit zwei Pharmagröß­en bestehen Verträge, um das Gerät zur Marktreife zu bringen. Die BetaVarian­te ist für September eingeplant, gefördert von aws und FFG. „Optisch fertig und mit angeschlos­sener Software“ist das Ziel, drei, vier Partner sind als Tester fürs Finetuning angepeilt. Im Frühling 2018, so der ambitionie­rte Plan, sollen die ersten Kunden beliefert werden. Diese wiederum können dann mit einem selbstbewu­ssten „Ja“antworten, wenn ihnen zwei Fragen zur Qualität ihrer Plastiksac­kerln gestellt werden.

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[ Andreas Friedle ] Mithilfe von Helium und Vakuum sowie einem innovative­n Verfahren sollen Single-Use-Systeme im Reinraum auf Dichtheit geprüft werden.

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