Zwei Kämpfer gegen den Krebs
Grundlagenforschung. Das neue Christian-Doppler-Labor für virale Immuntherapie von Krebs an der Medizinischen Universität Innsbruck testet vielversprechende Kombinationsansätze für Krebsbehandlungen.
Jährlich erkranken in Österreich etwa 39.000 Menschen an Krebs. 38 von 1000 Österreichern leben mit Krebsdiagnose. Im Kampf gegen bösartige Tumore kann die Medizinische Universität Innsbruck seit Mai dieses Jahres mit einem neuen Christian-Doppler-Labor die intensive Forschung vorantreiben. Für die anwendungsorientierte Grundlagenforschung arbeiten die Forscher des CD-Labors für virale Immuntherapie von Krebs eng mit zwei Industriepartnern zusammen, erklärt Laborleiter Guido Wollmann von der Sektion für Virologie: „Das Konstrukt ist einmalig: Die beiden Industriepartner Boehringer Ingel- heim und die Innsbrucker Firma ViraTherapeutics haben jeweils 50 Prozent Gewichtung. ViraTherapeutics entwickelt eine virusbasierte Krebstherapie, Boehringer Ingelheim arbeitet an einer Immuntherapie gegen Krebs. Das neue Doppler-Labor dient nun dazu, die Produkte, die bei beiden Firmen noch in der Entwicklung stehen, zu kombinieren und ihre gemeinsame Wirksamkeit zu testen.“
Virus greift nur den Krebs an
Um den genauen Vorgang zu veranschaulichen, muss Wollmann beide Ansätze erklären. ViraTherapeutics sei ein Spin-off der Innsbrucker Virologie, deren Leiterin Dorothee von Laer im Labor das onkolytische (krebstötende) VSVGP-Virus entwickelt hat. „VSV-GP ist eine Kombination von zwei für den Menschen ungefährlichen Viren. Dieses neue Virus kann Tumorzellen infizieren, die sich nicht gegen das VSV-GP wehren können. In der Tumorzelle vermehrt sich das Virus, womit wieder die angrenzenden Tumorzellen infiziert werden, gleichzeitig töten die Viren die kranken Zellen ab. Der Vorteil dabei ist, dass die Viren von allen gesunden Zellen im Körper abgewehrt werden und somit nur die Tumorzellen angreifen.“Da- mit wirke sich die virale Therapie weitaus besser auf den Allgemeinzustand des Patienten aus als eine Chemotherapie, bei der alle Zellen im Körper – ob krank oder gesund – angegriffen werden. „Die Nebenwirkungen sind damit wesentlich geringer“, so Wollmann.
Revolutionärer Ansatz
Die Entwicklungen von Boehringer-Ingelheim basierten auf der Immuntherapie, die laut Wollmann „die größte Revolution in der Krebstherapie der letzten Dekaden darstellt“. Der Ansatz, das körpereigene Immunsystem zur Tumorbekämpfung zu stimulieren, birgt allerdings zwei wesentliche Einschränkungen: Zum einen wirkt die Immuntherapie nur bei bestimmten Tumorarten, etwa dem Melanom oder Karzinomen der Lunge und Niere. Zum anderen sprechen auch bei diesen so genannten „immunogenen“Karzinomen nur 10 bis 20 Prozent der Patienten auf die Behandlung an. „Bei diesen Patienten steigt die Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu überleben, allerdings signifikant“, so Wollmann.
Verstärkte Effekte
Das neue Dopplerlabor soll in den kommenden sieben Jahren die Kombination der beiden Therapien testen. „Eine wesentliche Eigenschaft des VSV-GP-Virus ist neben der direkten Zerstörung von infizierten Tumorzellen auch die verstärkende Aktivierung der körpereigenen Tumor-gerichteten Immunantwort zur Zerstörung des Krebses durch antitumorale T-Zellen“, erklärt der Laborleiter. „Durch die Kombination mit Krebsvakzinen oder mit so genannten Checkpoint-Inhibitoren (CPIs) – sehr potenten Wirkstoffen der Immuntherapie – kann diese Aktivierung noch verstärkt werden.“Vor allem die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Virus, Tumor und Immunantwort soll zu einem besseren Verständnis und in der Folge zur Optimierung der antitumoralen Immunantwort führen. Ziel ist die Etablierung einer großen Bibliothek an VSV-GP-Virusvarianten, die je nach Effekt auf das Immunsystem mit anderen Immuntherapien kombiniert werden können, umfasst Wollmann die Arbeit des neuen Doppler-Labors in den kommenden sieben Jahren.