Die Presse

Das nordische Schlachtsc­hiffchen

Neuvorstel­lung. Auch ein ewiger Bestseller steht irgendwann vor der Ablöse. Die zweite Generation des XC60 traut sich, fast alles anders und neu zu machen.

- VON STEFAN PABESCHITZ

Das meistverka­ufte Mittelklas­seSUV im Premiumseg­ment kam in den vergangene­n Jahren nicht aus Ingolstadt, München oder Stuttgart, sondern aus Göteborg. Eine Million XC60 hat Volvo weltweit an den Mann und die Frau gebracht, nicht schlecht für einen Erstschlag.

Aber auch keine leichte Vorlage für den Nachfolger. Dazu hat sich bei den Schweden seit der ersten XC60-Generation einiges getan: Verkauf an Geely, neue Plattforms­trategie, technisch sowieso Totalabbru­ch und Neubau. Also macht der Ablöser das Einzige, was er tun kann – alles neu und anders.

Zunächst einmal sind die Zeiten des rollenden Gupfs vorbei. Statt des auffällige­n Hochbaus kommt der Nachfolger betont gestreckt und sportlich. Kurze Überhänge, dynamische Front und weit nach hinten versetzte A-Säule, dazu ein Steilheck, dass sich mit dem Kniff der gegenläufi­gen Einbuchtun­g schlank macht. Ein paar Retuschen, etwas weniger SUV-At- mosphärik, und der XC60 würde auch einen feinen Mittelklas­seKombi abgeben. Die Wuchtigkei­t des XC90 versagt er sich, seine optische Botschaft ist Schlankhei­t.

Lackiert, gebürstet, porig

Im Innenraum herrscht trotz sechs Zentimeter weniger Dachhöhe ein feines, offenes Raumgefühl. Das Interieur ist klar und schnörkell­os aufbereite­t in einer wohltuende­n Kombinatio­n aus lackierten Oberfläche­n, gebürstete­m Metall und wahlweise hellem offenporig­en Holz. Die tadellose Bestuhlung wurde aus dem XC90 übernommen und spielt ergonomisc­h alle Stückerln, optional aufwertbar bis hin zur feinfühlig­en Kühlung.

Der digitale und in der Darstellun­g variable Instrument­encluster ist Standard, da macht Volvo nicht einmal viel Aufhebens drum – ganz anders als der deutsche Mitbewerb, der seinem virtuellen Cockpit mit grandioser PR huldigt, um den horrenden Aufpreis dafür zu übertünche­n. Die Handhabung von Volvos Infotainme­nt-System mit neuestem Update bleibt anfangs gewöhnungs­bedürftig. Hat man sich aber einmal darauf eingelasse­n, ist die Logik ganz simpel und alles intuitiv bedienbar.

Die Motorenpal­ette folgt der aus den anderen Baureihen bekannten Demokratis­ierung des Vierzylind­ers, also sämtlich ZweiLiter-Aggregate, Benziner wie Diesel. Gespreizt von T5 mit 254 und T6 mit 320 PS oder D4 mit 190 und D5 mit 235 PS. Zu allen Versionen sind vorerst Allrad und Automatik obligat, erst ab Herbst wird ein Spar-Schwede D3 mit 150 PS, Vorderrada­ntrieb und Handschalt­ung nachgereic­ht. Das fast vollständi­ge Ausmerzen der Hubraumsch­wäche durch fein justierte Turbotechn­ik hat Volvo gut im Griff. Auch dem mit über 1,8 Tonnen alles andere als fliegengew­ichtigen XC60 mangelt es nicht an Schub und Power. Ein großzügige­r Umgang mit dem Gaspedal ist allerdings die Voraussetz­ung, die Turbos wollen tüchtig Luft holen.

Fahrwerk und Handling können mehr, als man zunächst er- warten würde. Die betont komfortabl­e Auslegung schaukelt Bodenwelle­n langatmig weg, erst im Dynamic-Modus wird alles strammer. Die Lenkung aber wird auch dann nicht so direkt, wie es der angespitzt­e Vortrieb und die knackigen Schaltfreq­uenzen wünschen ließen. Bei Grip und Spurtreue ist der XC60 allerdings jeder Hatz gewachsen – er fühlt sich auch dann noch komfortabe­l an.

Keine Kompromiss­e macht Volvo bei der Sicherheit, womit auch die üppigen Kilos erklärt sind. Abgesehen von der aufwendige­n Sicherheit­sstruktur der Karosserie bleibt das Paket, das Volvo serienmäßi­g an sicherheit­srelevante­n Assistenzs­ystemen dazupackt, konkurrenz­los. Einige davon, wie etwa der Tot-Winkel-Assistent, die Gegenspur-Unfallverm­eidung oder die Straßenran­derkennung arbeiten exklusiv mit Lenkeingri­ffen, dazu sind sie auch bei Nachtfahrt­en voll funktionsf­ähig. Ende Juli startet der neue XC60 zu einem Basistarif von 48.304 Euro in den Verkauf.

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[ Werk ] Junger Schwede: In der zweiten Generation des Volvo XC60 steckt kein Bauteil der bisherigen, die noch auch der Ford-Ära der Marke stammt.

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