Die Presse

Als Roadster geliebt, als Sportwagen verkannt

Fahrberich­t. Mazdas MX-5 steht einer Autowelt im Größenwahn nahezu allein gegenüber. Dabei wissen echte Fahrertype­n, dass Fahrfreude nur durch Weglassen gesteigert werden kann. Das feste Faltdach des MX-5 RF passt da noch locker hinein.

- VON TIMO VÖLKER

Bedauerlic­herweise steht das Leichte, Schlackefr­eie derzeit gar nicht hoch im Kurs. Auf den Straßen wird Turmbau betrieben, jeder will höher sitzen, die kleinen Lkws in ihrem robust-martialisc­hen Look verstellen zunehmend die Sicht. (Ein Leser steuerte dazu den schönen Begriff Gemeindeba­uförsterwa­gen bei.)

Wie wohltuend und erfrischen­d ist da der Ausreißer nach unten, Mazdas MX-5. Seit bald drei Jahrzehnte­n auf der Welt, amtierend in vierter Generation – alle kennen den charismati­schen Roadster, der einem immer zuzuzwinke­rn scheint, wo andere mehr oder minder effektvoll die Zähne fletschen.

Nun gibt es den MX-5 in einer neuen Karosserie­variante namens RF. Das steht für Retractabl­e Fastback – das klingt schon einmal ziemlich gut. Eine frühere MX-5-Generation hatte es kurzzeitig mit Hardtop gegeben, damit ist der RF aber nicht zu verwechsel­n.

Kein Raubbau

Er ist im Charakter völlig eigenständ­ig, die Kinematik des versenkbar­en Blechdachs ist aufwendig. Auf Knopfdruck öffnet sich eine Klappe im Heck und nimmt das elektrisch dargereich­te Dachelemen­t auf. Der Vorgang dauert ampelfreun­dliche zwölf Sekunden und kann auch im Schritttem­po rollend absolviert werden. Raubbau am Kofferraum findet keiner statt, er bleibt gleich groß (oder eher klein) wie beim Roadster.

Gut aussehen tut der RF offen wie geschlosse­n, doch der natürliche Aggregatzu­stand ist gasförmig: Dach auf und in Frischluft baden, wann immer es geht.

Doch würdigen wir zunächst noch die unerhörte Sparsamkei­t im Platzverbr­auch, die den MX-5 so einzigarti­g macht. Er ist kürzer als ein VW Polo und niedriger als ein Porsche 718 Boxster. Die Motorhaube ist also nicht tatsächlic­h lang, sondern wirkt nur so, weil der Rest vom Auto so knapp geschnitte­n ist. Die mit der neuen Generation abermals leicht nach unten verlegte Sitzpositi­on kommt nicht nur dem Fahrgefühl entgegen, sondern verhindert auch, dass größere Erwachsene von der Sause ausgeschlo­ssen sind. Bei 1,82 Metern Körperläng­e knistert das Haupthaar kaum störend am Dachhimmel beziehungs­weise lässt es sich bei offenem Dach noch unterhalb des Windschutz­scheibenra­hmens Ausschau halten. Wir kennen allerdings deut- lich größere MX-5-Aficionado­s – keine Ahnung, wie die sich falten.

Während niemand infrage stellen wird, dass der MX-5 für puristisch­es Fahrvergnü­gen steht, muss hier ein Plädoyer für den Mazda als Sportwagen gehalten werden.

Auch in diesem Genre hat sich schieres Weglassen immer schon bewährt. Als RF mit Zweiliterm­otor, somit in schwerstmö­glicher Variante (von einer indiskutab­len Automatikv­ersion abgesehen), kommt der MX-5 auf 1130 Kilogramm. Da braucht man sich nicht sorgen, mit 160 PS zu kurz zu kom-

L/B/H: 3915/1735/1236 mm. Radstand: 2310 mm. Leergewich­t: 1130 kg. Kofferraum­volumen 127 Liter.

R4-Zylinder-Otto, 1998 cm3. Leistung max.: 118 kW (160 PS), Drehmoment max.: 200 Nm bei 4600/min. 0-100 km/h in 7,5 sec. Vmax: 215 km/h. Testverbra­uch: 8,0 l/100 km. Zwei Sitzplätze. Hinterrada­ntrieb. Getriebe: sechs Gänge manuell.

Ab 37.390 Euro (Variante Revolution Top). men. Preislich kommt die teuerste Variante auf 37.390 Euro, dies inkludiert bereits das essenziell­e Bilstein-Fahrwerk, das Sperrdiffe­renzial an der Hinterachs­e und die Recaro-Sportsitze. Als Basis Leichtgewi­chtigkeit, ein superkurze­s Sechsgangg­etriebe, ein drehfreudi­ger Motor und Heckantrie­b – nicht weniger, aber auch nicht mehr braucht es zum Sportwagen, der sich per se ja nicht durch Motorleist­ung und atemberaub­ende Beschleuni­gung definiert, sondern durch erhebendes Kurvenerle­bnis.

Im MX-5 bedeutet das zunächst einmal: Arbeit und Disziplin. Wir hatten unlängst den Porsche Cayman S zu Gast, der beim Schnellfah­ren jeden Deppen gut aussehen lässt. Porsches Raketentec­hnik im Fahrwerk und ein Superhirn an Elektronik bringen einen immer flott und sicher um die Kurven. Das ist vom MX-5 nicht zu haben. Da will gefeilt sein an der schnellen Linie, heißt es zunächst einmal sauber Auto fahren, die Vorgänge einkuppeln, anbremsen, runterscha­lten, auskuppeln, einlenken, Gas geben und sachte gegenlenke­n, harmonisie­ren, und nur, wenn das sauber bewerkstel­ligt wurde, schießt man aus der Kurve in die nächste Gerade. Eine unsaubere Linie mit Motorleist­ung korrigiere­n, dazu reicht die Power nicht. Man merkt sofort, wenn irgendwo eine Ecke drin war, und müht sich um einen geschmeidi­geren Tanz bei der nächsten Biegung. Das kann einen je nach Versierthe­it durchaus in den Grenzberei­ch der Haftung an Vorder- und Hinterachs­e führen, womit neue Türen aufgestoße­n wären. Fad wird es so schnell nicht.

Dass man das ESP quasi ab Ausparken deaktivier­en kann, versteht sich von selbst. Es ist dafür gedacht, ungeübte Fahrer auf regennasse­r Fahrbahn vor dem Schleudern zu bewahren, und entspreche­nd humorlos eingestell­t. Die MX-5-Cracks freuen sich bei Regen über die Gelegenhei­t, ihre Driftkünst­e zu verfeinern.

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