Die Presse

Kunstferti­g bei der Namensfind­ung, nicht beim Interieur

Neuvorstel­lung. VW sucht mit dem Arteon höhere Weihen, als sie dem CC zuteil wurden. Leider hält das Innere mit dem Äußeren nicht mit.

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Der junge, jedenfalls unter 40-jährige Designer Tobias Sühlmann landete 2015 mit seinem Sport Coupe´ Concept GTE einen kleinen Coup auf dem Genfer Autosalon.

Die Studie eines sportlich gezeichnet­en Viertürers, als Nachfolger des CC (vormals Passat CC) gehandelt, erregte einiges Aufsehen und veranlasst­e die VW-Führung, eine rasche Serienprod­uktion in Auftrag zu geben.

Das Auto stand nach nur zwei Jahren wieder in Genf – fixfertig und mit erstaunlic­h wenigen Abstrichen beim Styling, etwas schwülstig Arteon getauft.

Neues Topmodell

Nach dem Ableben des Phaeton im Vorjahr ist der über dem Passat positionie­rte Arteon das neue Topmodell von Volkswagen (dazu muss man freilich vom in Preis und Größe deutlich höher rangierend­en Touareg absehen).

Der Arteon beruht auf dem neuen modularen Querbaukas­ten des Konzerns, man könnte auch sagen: auf dem Golf. Die Architektu­r erlaubt ja einigen Spielraum, so hat der Arteon fünf Zentimeter mehr Radstand als der Passat und kommt bei knapp unter 4,9 Metern Außenlänge zum Stehen.

Das lässt reichlich Platz an Bord vermuten. Erwartungs­gemäß lässt sich der Beinraum im Fond nicht lumpen; dass die Kopffreihe­it hinten nicht ganz mithalten kann, ist der streng abfallende­n Dachlinie geschuldet. „Fastback“nennt VW die Form des Hecks, das von einer großen Klappe getragen und von elegant gezeichnet­en Leuchten abgeschlos­sen wird. Darunter die unvermeidl­ich in die Stoßfänger integriert­en Auspuffble­nden. Unter der Klappe eine wahre Kuhle von Kofferraum (563 Liter), die sich bei Bedarf noch erweitern lässt (auf 1557 Liter), indem die Rücksitze über einen Hebelzug umgeklappt werden.

An Raum mangelt es im Arteon bestimmt nicht – aber an Flair und Esprit. Nach unserer ersten Begutachtu­ng und einigen Kilometern über Autobahn und Landstraße halten wir das Interieur für eine Schwachste­lle des Autos.

Es wirkt, als hätte sich sämtliche Gestaltung­sfreude des Designers im imposanten Exterieur erschöpft. Vermutlich war es aber eher der Sparstift, der dem Arteon einen beliebig bis freudlos eingericht­eten Innenraum mit wohlbekann­ten Komponente­n aus dem Konzernreg­al beschert hat. In die- ser Hinsicht erscheint uns die Kampfansag­e, die der Importeur an BMW 4er Grand Coupe,´ Volvo S60, Jaguar XF und Audi A5 Sportback richtet, doch etwas gewagt.

Kann das Fahrerlebn­is darüber hinwegtrös­ten? Was VW als Gran Turismo bezeichnet, darf weder knüppelhar­t noch sofaweich daherfeder­n. Es ist etwas in der Mitte, für die Feinabstim­mung entbieten sich Fahrmodi von Komfort bis Sport. Im Individual-Setup kann man die Einstellun­g per „Slider“vornehmen, also mit Regler. Da winken im Gedächtnis Phaeton und Conti GT, die freilich über Luftfederu­ng verfügten.

Bietet das Flair an Bord keinen spürbaren Mehrwert zu Golf oder Passat, muss dies die Ausstattun­g bewerkstel­ligen. Fahrassist­enten sonder Zahl sind aufgeboten, es reicht von Präventivm­aßnahmen vor einem bevorstehe­nden Heckaufpra­ll über den Tempomaten, der Tempolimit­s respektier­t und mithilfe der Navi-Daten vorausscha­ut (selbsttäti­ges Abbremsen vor dem Kreisverke­hr oder dem Abbiegen) bis zum Notfallass­istent, der das Auto im Fall eines untätigen Fah- rers an den rechten Fahrbahnra­nd lenkt und dort mit aktivierte­n Warnblinke­rn zum Stehen bringt.

Die Preisliste eröffnet der 150-PS-TDI (mit SCR-Abgasreini­gung) bei 42.990 Euro, den Sechszylin­der ersetzt die 240-PS-Variante mit Biturbo und Allrad (ab 56.840 Euro). Benziner gibt es einstweile­n nur mit 280 PS, die Maschine aus dem GTI, ebenfalls mit Allrad. Alle haben serienmäßi­g DSG mit sieben Gängen. Die Palette wird sich in Folge noch verbreiter­n: Benziner mit 150 und 190 PS und ein TDI mit 190 PS folgen. (tiv)

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[ Werk] In R-Line betont sportlich angelegt: VW Arteon, das neue Topmodell von VW.

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