Kerns und Leitls kuriose Botschaften
Wie der Auftritt von österreichischen Vertretern in St. Petersburg die Schwäche der EU demonstrierte.
Sicher schmeichelte es der politischen und vor allem der wirtschaftlichen Elite Österreichs, vor wenigen Tagen auf dem Wirtschaftsforum im russischen St. Petersburg Gäste von Präsident Wladimir Putin gewesen zu sein. Die Freude über die Fortsetzung der lukrativen Kooperation im Energiesektor hat sich unter anderem darin artikuliert, dass Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) erneut die EU-Sanktionen gegen Russland als „unsinnig“bezeichnete und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) Verluste für die österreichische Wirtschaft, die er den Sanktionen zuschreibt, beklagte. Zahlreiche zustimmende Zitate in den russischen Medien waren den beiden gewiss.
Die klare Botschaft an Politik und Öffentlichkeit Russlands lautete freilich: Die Europäer bereuen ihre eigenen Sanktionen, die im Zusammenhang mit der Annexion der Krim durch Russland und dem Krieg in der Ostukraine 2014 verhängt wurden; so viel liegt ihnen gar nicht am Völkerrecht und an der Einhaltung internationaler Abkommen. Und: Man kann sich doch von einem Krieg, der in der Ukraine nach UN-Angaben bisher 9900 Tote (davon 2000 Zivilisten) gefordert und mehr als zwei Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht hat, nicht das „Geschäft“verderben lassen!
Ausgeblendete Fakten
Kein seriöser Beobachter zweifelt an der massiven Involvierung Russlands in den „separatistischen Aufstand“in der Ostukraine. Putin selbst gab eine „militärische Präsenz“zu. Doch das wird gern ausgeblendet.
Viele Vertreter der europäischen Elite bringen den Russen (gewollt oder ungewollt) immer wieder das Gleiche bei: Man ist in der EU zunehmend müde, sich gegenüber Russland so an demokratische und menschenrechtliche Standards zu halten, dass es noch minimal glaubwürdig erscheint. Die gescheiterte Demokratisierung des postsowjeti- schen Russland geht sicher auf viele Faktoren zurück. Aber einer von ihnen sind genau solche „Botschaften“der Europäer.
Unerhörte Hinweise
Auch, dass Liberalisierung und Verrechtlichung der russischen Wirtschaft immer noch auf sich warten lassen und die österreichische Wirtschaftselite auf einem Forum „brilliert“, auf dem vorwiegend russische Staatsunternehmen vertreten sind, geht zu einem gewissen Grad auf das Konto der europäischen Partner und deren Bereitschaft zurück, beide Augen zuzudrücken, wenn es ums Geschäft mit Putin geht. Hinweise auf den Umstand, dass Putin mit den Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport in die EU seine Kriege sowie die Aufund Umrüstung seiner Armee finanziert, gelten vor diesem Hintergrund als geradezu „unerhört“.
Was ist aber mit dem Argument, dass die Sanktionen „unsinnig“seien und keinen Rückzug Russlands von der Krim und keine Beendigung der Unterstützung des „Aufstands“im ukrainischen Osten bewirkt hätten? Ein autoritärer Militärstaat wird sich in der Tat von bloßen Wirtschaftssanktionen nicht zum Rückzug bewegen lassen.
Aber wie sehr hätte die EU den imperialen Rausch der russischen Führung gereizt, wenn sie gar nichts unternommen hätte? Die ganze ukrainische Schwarzmeerküste und weite Gebiete im Osten des Landes sollten als „Neurussland“mit dem Mutterland „wiedervereinigt“werden. Die baltischen Staaten wären angesichts einer neuen Runde der russischen „hybriden Kriegführung“besonders exponiert.
Und würde denn die wirtschaftliche Lage Österreichs nicht auch in dem Maße immer „ungemütlicher“, in dem sich die russische Macht – auch militärisch – immer weiter ausdehnt?