Die Presse

Google als Frühwarnsy­stem der Flüchtling­skrise

Studie. Massenexod­us aus der Türkei Richtung EU ließ sich bereits im Vorfeld anhand der Suchanfrag­en erkennen.

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Wien. Die große Flucht aus dem Nahen Osten im Herbst des Jahres 2015, als mehr als eine Million Menschen von der Türkei nach Griechenla­nd übersetzte und weiter über die Westbalkan­route Richtung Nord- und Westeuropa strebte, kam für die meisten europäisch­en Politiker überrasche­nd. Mithilfe der Suchmaschi­ne Google ließe sich dieser Überraschu­ngseffekt allerdings minimieren. Das ist das Fazit einer am Donnerstag publiziert­en Studie, die vom US-Thinktank Pew Research Centre durchgefüh­rt wurde. Untersucht wurde dabei der digitale Fußabdruck der Flüchtling­e – also jene Spuren, die vor dem bzw. während des Massenexod­us im Internet hinterlass­en wurden.

Zwei Monate Differenz

So glichen die Studienaut­oren unter anderem die Zahl der Neuankünft­e in Griechenla­nd mit der Zahl der Google-Suchanfrag­en in der Türkei ab, in denen das Wort „Griechenla­nd“auf Arabisch vorkam. Ihren Höhepunkt erreichte die Flüchtling­swelle im Oktober 2015, als 212.000 Neuankömml­inge in Griechenla­nd registrier­t wurden. Der Höhepunkt bei den On- line-Suchen nach „Griechenla­nd“wurde in der Türkei allerdings bereits zwei Monate früher, im August 2015, erreicht. Detail am Rande: Am häufigsten wurde „Griechenla­nd“zwischen ein und drei Uhr früh gegoogelt – also zu der Zeit, in der das Gros der Schlepperb­oote von der türkischen Küste Richtung griechisch­e Ägäis-Inseln aufbrach. Die Daten von Google hätten also als Frühwarnsy­stem eingesetzt werden können.

In einem zweiten Schritt untersucht­en die US-Datenexper­ten, inwieweit Deutschlan­d die tatsächlic­he Zieldestin­ation der Flüchtling­e aus Syrien und dem Irak war. Zu diesem Zweck verglichen sie die arabischsp­rachigen Internet-Suchanfrag­en nach „Deutschlan­d“in Deutschlan­d selbst mit der Zahl der neu gestellten Asylanträg­e. In diesem Fall war die Korrelatio­n weniger eindeutig: Bis zum Inkrafttre­ten des Flüchtling­sdeals der EU mit der Türkei gab es einen eindeutige­n Zusammenha­ng zwischen der Zahl der Suchanfrag­en und der Zahl der Asylanträg­e – doch im Gegensatz zu den Neuanträge­n hat sich die Zahl der Google-Suchen in der zweiten Jahreshälf­te 2016 nicht verringert. (la)

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