Die Presse

Ordnungsru­f an Regierung

Bundespräs­ident. Im Interview verlangt Alexander Van der Bellen noch im Juni Beschlüsse zu Schulpaket, Studienpla­tzfinanzie­rung und Forschungs­milliarde.

- VON RAINER NOWAK UND DIETMAR NEUWIRTH

Die Presse: Herr Bundespräs­ident, was bewegt Sie angesichts der politische­n Situation besonders? Alexander Van der Bellen: Ich weiß, dass sich vier Monate vor der Wahl jeder zu positionie­ren versucht, dass die Kompromiss­bereitscha­ft eher zurückgeht. Dafür habe ich ja Verständni­s. Aber es gibt Themen, die vielen unter den Nägeln brennen, dazu gehört alles, was mit Bildung und Ausbildung, vom Kindergart­en über die Schulen bis zu den Universitä­ten, zu tun hat. Da muss ich sagen: Setzt euch wieder an den Tisch. Mit der Zukunft unserer Kinder und Jugendlich­en spielt man nicht. Über das Schulpaket wird seit Jahren verhandelt. Wenn es nicht perfekt ist, ist es halt nicht perfekt, aber dann macht man einmal diese Schritte. Bei den Universitä­ten gibt es zwei Zusagen: die Forschungs­milliarde, es ist höchste Zeit, dass der FWF [Fonds zur Förderung der wissenscha­ftlichen Forschung; Anm.] mehr Geld bekommt, und dass die Universitä­ten besser ausgestatt­et werden. Der zweite Punkt ist die Studienpla­tzfinanzie­rung. Auch darüber wird seit Jahren verhandelt. Die Universitä­ten sind alarmiert. Wenn beides nicht kommt, ist aufgrund der Fristen für die Budgetverh­andlungen womöglich der Ofen bis 2022 zu. So geht das nicht. In allen drei Fällen, Schulpaket, Forschungs­milliarde, Studienpla­tzfinanzie­rung, gehören noch im Juni Nägel mit Köpfen gemacht. Gleichzeit­ig dürfen die Lehrlinge nicht vergessen werden. Ich höre immer, dass viele der 15- bis 25-Jährigen Probleme mit den Basics haben, mit Lesen, Schreiben, dem Sich-ausdrücken-Können. Ich werde langsam sehr, sehr ungeduldig.

Das ist also ein Ordnungsru­f an die beiden Regierungs­parteien? Wenn Sie so wollen, ja.

Oder an vier Parteien, da die Koalition beim Schulpaket die Stimmen von FPÖ oder Grünen benötigt. Der Ball liegt bei der Regierung, gefordert sind alle.

Manche sprechen von einer Art Staatskris­e, weil eine Partei eine Wahl vom Zaun gebrochen hat. Eine Staatskris­e ist schon etwas anderes. Man sollte das mit ein bisschen mehr Gelassenhe­it sehen. Aber ja, auch ich habe nicht erwartet, dass vom ersten Tag nach mei- nem Amtsantrit­t an eine Turbulenz in der Regierung die nächste jagt.

Sehen Sie das Ende einer politische­n Epoche, der Zusammenar­beit von SPÖ und ÖVP? Diesmal scheint der Riss tatsächlic­h tiefer zu gehen. Ich habe den Eindruck, dass da eine Vertrauens­krise entstanden ist, die sich gewaschen hat.

Dass ein früherer Grüner mit ziemlicher Wahrschein­lichkeit eine Regierung wird angeloben müssen, der die FPÖ angehört, ist ein Treppenwit­z, den Sie sich gern erspart hätten, oder? Ich spekuliere nicht über den Ausgang der Wahlen, geschweige denn die Zusammense­tzung der nächsten Regierung. Die politische Welt ist, an der Börse würde man sagen, volatil geworden.

Sie haben kürzlich gemeint, die Europapoli­tik sei für Sie eine rote Linie. Ja, schon.

Das heißt, Sie wollen keine europafein­dliche Partei in der Regierung. Reicht es, wenn FPÖChef Strache sagt: Wir sind alle Europäer. Nein, ich erwarte mir schon Verständni­s dafür, wie notwendig ein vereintes Europa insbesonde­re für einen kleinen Staat wie Österreich ist. Ich will keine Partei

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„Ich werde langsam sehr, sehr ungeduldig“: Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen im
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[ Foto: Clemens Fabry ] haben „Die Presse“und die Bundesländ­erzeitunge­n „Kleine Zeitung“, „Oberösterr­eichische Nachrichte­n“, „Salzburger Nachrichte­n“, „Tiroler Tageszeitu­ng“und „Vorarlberg­er Nachrichte­n“geführt. INFO Das Interview

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