„Wir werden Kosovo in die EU und Nato führen“
Interview. Premier-Anwärter Ramush Haradinaj will mit allen reden. Serbien als „Blockierer“sei jedoch der Feind.
Die Presse: In der Opposition waren Sie lange harter Kritiker der regierenden PDK. Warum zieht Ihre AAK mit der PDK und deren Ableger Nisma in die Wahlen? Ramush Haradinaj: Ich glaube, dass es für eine Demokratie gut ist, wenn es von Zeit zu Zeit zu einem Wechsel der Macht kommt. Das ist eine Option der Rotation, bei der die Regierung von einem bisherigen Oppositionsführer geführt wird – in diesem Fall von mir.
Ist es Zufall oder Absicht, dass die Parteien Ihres Wahlbündnisses alle ihre Wurzeln in der früheren Untergrundarmee UC¸K haben? Frühere UC¸K-Kollegen finden sich nicht nur bei uns, sondern in allen politischen Parteien in Kosovo. Das ist nichts Besonderes, sondern politischer Alltag in unserem Land. Natürlich bin ich stolz auf meine Rolle in unserem Befreiungskampf.
Ihre Koalition liegt in Umfragen vorn, könnte aber auf Stimmen der Minderheiten angewiesen sein. Wie ist Ihr Verhältnis zu den Kosovo-Serben? Wir sind alle Bürger dieses Staates. Ich spreche regelmäßig mit den Kosovo-Serben. Aber ich bin überzeugt, dass wir eine Regierung haben werden, die nicht von Stimmen abhängt, die Kosovo blockieren. Wir werden Kosovo in Richtung EU und Nato führen und dabei mit allen Bürgern zusammen arbeiten.
Kürzlich bezeichneten Sie Serbien als Feind. Wie stellen Sie sich die Beziehungen zu Ihrem größten Nachbarstaat denn vor? Wir können Nachbarn sein und gute Beziehungen haben. Aber jemand, der uns blockiert, ist kein Partner, sondern ein Feind. Belgrad blockiert uns. Wir glauben, dass die USA Teil des Dialogs sein sollten. Der Balkan stagniert noch immer. Nicht nur das Verhältnis von Kosovo und Serbien ist noch eine offene Frage, es gibt noch viele weitere in der Region.
Wegen eines serbischen Haftbefehls wurden Sie zu Jahresbeginn mehrere Wochen in Frankreich festgehalten. Sind Sie trotzdem bereit, mit Serbiens Präsident Vuciˇc´ zu sprechen? Ich habe selbst mit seinen früheren Chefs Vojislav Seˇseljˇ und Slobodan Miloseviˇc´ in Den Haag gesprochen. Ich werde auch künftig mit jedem sprechen, der Repräsentant eines souveränen Staates ist. Aber ich bin auch der Repräsentant einer souveränen Nation. Wenn dies nicht anerkannt wird, hat es keinen Sinn, miteinander zu sprechen.
Sie standen zwei Mal vor dem UN-Kriegsverbrecher-Tribunal. Haben Sie keine Angst, dass Ihre Koalition der früheren UC¸KKämpfer zum Hauptziel des neuen UN-Sondergerichts für Kosovo werden könnte? Uns machte im Kosovo-Krieg nicht einmal Miloseviˇc´ Angst, obwohl er über eine große Armee verfügte, die viele Menschen in Bosnien und Kroatien getötet hat. Sorgen machen uns nur die Korruption, der fehlende Rechtsstaat, die Arbeitslosigkeit und die Emigration der Jungen. Das beunruhigt uns, nicht das Sondergericht.