Flüchtlingsrelikte und Bio-Linsen
Festwochen. Im Performeum wird vorgeführt, wie man spannende Themen fast kaputtmacht: Es geht um Flüchtlinge und afrikanische Kunst, teils schockierend, teils esoterisch.
Im Performeum an der Laxenburger Straße liegen in Plastikwannen auf einem Tisch Relikte von Flucht: eine Kuscheldecke, ein bunter Kleinkind-Sneaker, Schwimmwesten, ein Plastikrucksack. In Kontrast zum alten Museum, das Weltkultur ausstellt, wird ein Museum der Weltlosen präsentiert. Nach einer Einführung von namhaften Experten und Kuratoren ziehen sich die Diskutanten in ein Kammerl zurück und sprechen, die Debatte wird auf Bildschirme im Hof übertragen. Zwischen plaudernden Besuchern und plappernden Kleinkindern versteht man wenig. Auf diese Weise wird eine spannende Idee vergeben.
Schlimmer, die Ansammlung von Überresten mutmaßlich Toter mutet obszön an. Das Gescheiteste in dem hilflosen Geschwätz über eine unvorstellbare Katastrophe hat die Künstlerin Tanja Boukal zu sagen: Es gebe einen wahren Wettbewerb um Flüchtlinge auf dem Kunstmarkt, jeder will etwas mit Migranten machen, die oft auch benutzt werden. Boukal zeigt Projekte zum Thema. Sie erzählt von erschütternden Fun- den an der türkischen Ägaisküste: Beruhigungspillen, Kartons von syrischen Fleischpasteten, Star-Wars-Pickerln: Kindern werde weisgemacht, bei der oft tödlichen Flucht handle es sich um ein Abenteuer.
Schauplatzwechsel: In einer der Hallen sollte Donnerstagabend Performance stattfinden. Tatsächlich ist „Nathi.Aha.Sasa.“(Us.Here.Now.) eine Ausstellung, kuratiert von der jungen Deutsch-Ghanaerin und Künstlerin Zohra Opoku. Die Schau ist leicht esoterisch, wenn etwa von kämpferischen Seelen die Rede ist. Aber es geht auch brachial politisch zu, mit retrospektiven Schuldzuweisungen, bei denen man sich fragt, was man jetzt noch machen soll.
„Europäer sind Verbrecher“
Kathleen Bomani (Tansania) zeigt ihre Filmreihe über den Kampf von Deutschen und Briten in ihrer Heimat im Ersten Weltkrieg, Lieder der Tansanier handeln bis heute davon. „Europäer sind Verbrecher“, sagt ein Insert. Lois Selasie Arde-Acquah (Ghana) sitzt auf Batik-Laken und malt Muster auf ein weißes Tuch, es geht um die Monotonie von Sklavenarbeit; Lebohang Kganye (Süd- afrika) erinnert mit einem Comic an die schmerzlich-mühevolle Assimilation ihres Großvaters; eine weiß gekleidete Gestalt wandert in Licht und Schatten (Steloolive). Auf einer Bühne stapeln sich Hilfsgüter (Nelisiwe Xaba aus Soweto ist auch Tänzerin).
Afrikanische Gegenwartskunst blüht. 2015 zeigte das Vitra Design Museum „Making Africa“, eine originelle Ausstellung über ein neues Lifestyle-Selbstbewusstsein in Afrika. In der Pariser Fondation Louis Vuitton ist bis 28. 8. die Schau „Art/Afrique“(„Die Presse“, 8. 6.) zu sehen. Eventuell haben Museen oder verwandte Institute mehr Erfahrung in der Erhellung von Themen, als dies hier zu erleben ist – in dieser beliebigen, schlecht dokumentierten Ausstellung, in der mitunter sogar die Künstlernamen fehlen.
Die Festwochen wollen sich von Eliten losmachen und auf Leute zugehen, aber so werden sie nicht weit kommen. Das Performeum ist ein guter Ort, Cluster statt Struktur ist in Mode, aber hier mischen einfach zu viele mit – und mehr Überlegung bei heiklen Themen wie Flucht wäre willkommen. Beim Abschied fällt der Blick auf die Buffettafel: „Biolinsen-Rolle!“Dekadenz pur.