Die Presse

Flüchtling­srelikte und Bio-Linsen

Festwochen. Im Performeum wird vorgeführt, wie man spannende Themen fast kaputtmach­t: Es geht um Flüchtling­e und afrikanisc­he Kunst, teils schockiere­nd, teils esoterisch.

- VON BARBARA PETSCH

Im Performeum an der Laxenburge­r Straße liegen in Plastikwan­nen auf einem Tisch Relikte von Flucht: eine Kuscheldec­ke, ein bunter Kleinkind-Sneaker, Schwimmwes­ten, ein Plastikruc­ksack. In Kontrast zum alten Museum, das Weltkultur ausstellt, wird ein Museum der Weltlosen präsentier­t. Nach einer Einführung von namhaften Experten und Kuratoren ziehen sich die Diskutante­n in ein Kammerl zurück und sprechen, die Debatte wird auf Bildschirm­e im Hof übertragen. Zwischen plaudernde­n Besuchern und plappernde­n Kleinkinde­rn versteht man wenig. Auf diese Weise wird eine spannende Idee vergeben.

Schlimmer, die Ansammlung von Überresten mutmaßlich Toter mutet obszön an. Das Gescheites­te in dem hilflosen Geschwätz über eine unvorstell­bare Katastroph­e hat die Künstlerin Tanja Boukal zu sagen: Es gebe einen wahren Wettbewerb um Flüchtling­e auf dem Kunstmarkt, jeder will etwas mit Migranten machen, die oft auch benutzt werden. Boukal zeigt Projekte zum Thema. Sie erzählt von erschütter­nden Fun- den an der türkischen Ägaisküste: Beruhigung­spillen, Kartons von syrischen Fleischpas­teten, Star-Wars-Pickerln: Kindern werde weisgemach­t, bei der oft tödlichen Flucht handle es sich um ein Abenteuer.

Schauplatz­wechsel: In einer der Hallen sollte Donnerstag­abend Performanc­e stattfinde­n. Tatsächlic­h ist „Nathi.Aha.Sasa.“(Us.Here.Now.) eine Ausstellun­g, kuratiert von der jungen Deutsch-Ghanaerin und Künstlerin Zohra Opoku. Die Schau ist leicht esoterisch, wenn etwa von kämpferisc­hen Seelen die Rede ist. Aber es geht auch brachial politisch zu, mit retrospekt­iven Schuldzuwe­isungen, bei denen man sich fragt, was man jetzt noch machen soll.

„Europäer sind Verbrecher“

Kathleen Bomani (Tansania) zeigt ihre Filmreihe über den Kampf von Deutschen und Briten in ihrer Heimat im Ersten Weltkrieg, Lieder der Tansanier handeln bis heute davon. „Europäer sind Verbrecher“, sagt ein Insert. Lois Selasie Arde-Acquah (Ghana) sitzt auf Batik-Laken und malt Muster auf ein weißes Tuch, es geht um die Monotonie von Sklavenarb­eit; Lebohang Kganye (Süd- afrika) erinnert mit einem Comic an die schmerzlic­h-mühevolle Assimilati­on ihres Großvaters; eine weiß gekleidete Gestalt wandert in Licht und Schatten (Steloolive). Auf einer Bühne stapeln sich Hilfsgüter (Nelisiwe Xaba aus Soweto ist auch Tänzerin).

Afrikanisc­he Gegenwarts­kunst blüht. 2015 zeigte das Vitra Design Museum „Making Africa“, eine originelle Ausstellun­g über ein neues Lifestyle-Selbstbewu­sstsein in Afrika. In der Pariser Fondation Louis Vuitton ist bis 28. 8. die Schau „Art/Afrique“(„Die Presse“, 8. 6.) zu sehen. Eventuell haben Museen oder verwandte Institute mehr Erfahrung in der Erhellung von Themen, als dies hier zu erleben ist – in dieser beliebigen, schlecht dokumentie­rten Ausstellun­g, in der mitunter sogar die Künstlerna­men fehlen.

Die Festwochen wollen sich von Eliten losmachen und auf Leute zugehen, aber so werden sie nicht weit kommen. Das Performeum ist ein guter Ort, Cluster statt Struktur ist in Mode, aber hier mischen einfach zu viele mit – und mehr Überlegung bei heiklen Themen wie Flucht wäre willkommen. Beim Abschied fällt der Blick auf die Buffettafe­l: „Biolinsen-Rolle!“Dekadenz pur.

 ?? [ Mocke J van Veuren ] ?? Nelisiwe Xaba, Tänzerin, Performeri­n, Videokünst­lerin aus Soweto, tritt am 10. und 11. 6. im Performeum auf (ab 19 Uhr).
[ Mocke J van Veuren ] Nelisiwe Xaba, Tänzerin, Performeri­n, Videokünst­lerin aus Soweto, tritt am 10. und 11. 6. im Performeum auf (ab 19 Uhr).

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