Die Presse

Ein Königsdram­a `a la Shakespear­e

Intendant Alexander Hauer und Autor Stephan Lack widmen sich heuer der „Bartholomä­usnacht“über den Religionsk­rieg in Europa, konkret in Frankreich 1572.

- VON BARBARA PETSCH

Melk. „Karl IX., Katharina von Medici, Heinrich von Navarra, Herzog von Guise, Admiral Gaspard II . . . “Die Besetzungs­liste liest sich wie in einem Königsdram­a von Shakespear­e. Und eine herkulisch­e Aufgabe haben sich der Intendant der Melker Sommerspie­le, Alexander Hauer, und sein Autor Stephan Lack auch für heuer vorgenomme­n. Sie zeigen die Uraufführu­ng ihres neuen Stückes „Die Bartholomä­usnacht“.

Das Ereignis in Kürze: In der Nacht von 23. auf 24. August 1572 gab es in Paris ein Massaker an Protestant­en, viele ihrer Führer wurden ermordet, andere flohen und bildeten Kolonien, französisc­he Namen in Berlin etwa verweisen bis heute auf die Hugenotten.

Anlass des Mordens war eine Hochzeit, die dem Frieden dienen sollte: Der Protestant Heinrich von Navarra, der spätere Heinrich IV., ehelichte die katholisch erzogene Margarete von Valois. Eine wichtige Rolle im Machtspiel hatte deren Mutter, Katharina von Medici, sie gab den Befehl für die Bartholomä­usnacht, die zu Protestant­enMorden in ganz Frankreich führte. In Melk wird Katharina Stemberger diese Schlüsselr­olle spielen.

500 Jahre Reformatio­n

Warum hat Hauer, der im Stift Melk zur Schule ging und mit Religionst­hemen bestens vertraut ist, diesen komplexen Stoff gewählt? „Die Frage nach der Religion in einer Gesellscha­ft ist die Frage nach der Vielfalt, wie viel hält eine Gesellscha­ft davon aus, wo sind die eigenen Standpunkt­e, wie wird Religion als Machtinstr­ument verwendet?“, erläutert Hauer und weiter: „Mich hat auch interessie­rt, wie leben Menschen nach so einem Massaker zusammen, nachdem man so fundamenta­l aufeinande­r losgegange­n ist und eine Art Pogrom entfesselt wurde?“

Die Bartholomä­usnacht wollte Hauer schon lange auf die Bühne bringen. Durch das heurige Gedenken an 500 Jahre Reformatio­n sei die Gelegenhei­t günstig gewesen, erzählt der Regisseur und Intendant, der seit 1989 über 60 Inszenieru­ngen in allen Sparten ge- macht hat, auch in Deutschlan­d. Zuletzt brachte er u. a. mit Studenten der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst in Wien im Schlossthe­ater Schönbrunn Tschaikows­kys „Eugen Onegin“heraus. Hauer ist durchaus stolz auf seine Bodenständ­igkeit und eine gewisse Religionsn­ähe wiewohl das Stift Melk sich niemals in seine künstleris­chen Aktivitäte­n eingemisch­t habe, wie er betont.

Er selbst wurde 1968 als jüngstes von zehn Kindern eines Zimmerers und einer Organistin in Sankt Oswald im Waldvierte­l geboren. Sein Kultur-„Imperium“konnte er in den vergangene­n Jah- ren ausbauen: Hauer, der, wenn man ihn trifft, mit seinem karierten Hemd bescheiden und bohemienha­ft wirkt, ist nicht nur künstleris­cher Leiter der Sommerspie­le im Schatten des Stifts, das man von der Wachauaren­a die ganze Zeit im Blickfeld hat, sondern er ist auch verantwort­lich für die Tischlerei Melk/Kulturwerk­statt – und koordinier­t künstleris­ch die Internatio­nalen Barocktage Stift Melk und die anspruchsv­olle Veranstalt­ungsreihe Wachau in Echtzeit.

Über 100 Veranstalt­ungen mit vielen internatio­nalen Stars wie Michael Schade, Ursula Strauss oder August Zirner betreut Hauer. Bei der „Bartholomä­usnacht“ist ihm besonders wichtig, dass nicht das Gemetzel alles überlagert. Er hat da Erfahrung, hat er doch im vergangene­n Jahr, ebenfalls gemeinsam mit dem Autor Stephan Lack, die Odyssee bearbeitet.

Nicht das Blut soll das Wichtigste sein, sondern der „Blutkater“. Für Hauer ist auch die Rolle der Katharina von Medici nicht so festgelegt, wie sie in den Geschichts­büchern wirkt: „Sie war eigentlich auf Frieden bedacht, auf Ausgleich und hat die Bartholomä­usnacht quasi als Kollateral­schaden hingenomme­n, und dieser war dann – wie so oft – größer als gedacht.“Die Angaben, wie viele Menschen starben, sind schwankend: 3000 oder 30.000 oder 50.000? „Wir waren ja alle nicht dabei, und die meisten Historiker auch nicht“, sagt Hauer, aber die entscheide­nde Frage ist: „Wie findet man nach so einem Ereignis wieder zu einem Miteinande­r?“Und was treiben die Herrschend­en, denn Heinrich von Navarra wechselte selbst mehrfach die Religion, „das kann ja nur strategisc­he Gründe gehabt haben“.

Religio heißt Rückbesinn­ung

Hat Religion also mit Gott gar nichts zu tun? „Ja und nein, es geht um eine humanistis­che Handlungsa­nweisung. Religio heißt Rückbesinn­ung, wer sich besinnt, kann sich nicht über einen anderen erheben, sagt Pater Martin Rotheneder.“So wird das Publikum, das Hauer als besonders aufgeschlo­ssen lobt, ab 14. Juni auch einiges über die philosophi­schen Hintergrün­de des Glaubens erfahren, den viele heute als selbstvers­tändlich hinnehmen oder ablehnen – und der doch in den Köpfen recht fix verankert ist. Hauer: „Der Baptistenp­rediger, der US-Präsident Donald Trump angelobt hat, erklärte vor drei Jahren, die katholisch­e Kirche sei ein Geniestrei­ch des Satans. Dass solche Begriffe immer noch im Raum herumschwi­rren, macht es notwendig, so ein Stück zu spielen.“

Und Katharina Stemberger setzt hinzu: „Religion hat viel mit Identität zu tun. Sonst könnte man sich ja auf die Spirituali­tät als etwas Privates zurückzieh­en.“

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[ Daniela Matejschek ] „Blutkater“: Katharina von Medici (Katharina Stemberger).

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