Die Presse

Die Mauer zum Publikum niederreiß­en

Kunst. Ein Konzert als Experiment? Gestaltung­s- und Wirkungsfo­rscher der TU, der Musikuni und der Angewandte­n in Wien testeten in einer Klangvorfü­hrung, wie man die Besucher mittels neuer Technologi­en besser mit einbezieht.

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Robotersta­ubsauger bewegen sich zu experiment­eller Musik durch den dunklen Saal. Wenn sie an ein Hindernis stoßen, weichen sie aus, wechseln die Farbe des Bildschirm­s und ändern ihren Klang, den man sowohl über kleine Lautsprech­er auf den Robotern als auch über die Saallautsp­recher hört. Teile des Publikums machen ein Spiel daraus, die Roboter einzukreis­en oder ihnen Füße entgegenzu­stellen. Je kräftiger sie treten, desto lauter wird auch die Tonkulisse, für die der Komponist Johannes Kretz verantwort­lich zeichnet. Zugleich visualisie­rt sich der Klang auf großen Bildschirm­en in Schwarz-weiß und später in Farben und grafischen Mustern.

Die Atmosphäre beim Konzert „Breaking The Wall“, das Forscher der TU Wien, der Universitä­t für Musik und darstellen­de Kunst Wien und der Angewandte­n vergangene Woche gemeinsam mit bekannten Musikern vorbereite­t hatten, wirkte etwas gespenstis­ch, zog aber das Publikum in den Bann. Kretz ist zufrieden mit der Installati­on, die dazu dient, Interaktio­n zwischen Musikern und Besuchern zu ermögliche­n. Er resümiert: „Der Vorteil war, dass durch die Installati­on der Fokus auf das Publikum und die Interaktio­n mit den Robotern gerichtet war.“

Projektion­en im Kuppelsaal

Üblicherwe­ise sind die Rollen von Sender und Empfänger bei Musikveran­staltungen klar festgelegt. Die Musiker spielen, und das Publikum hört zu. Es kann sich nur durch Applaus oder Buhrufe, Mitsingen, Tanzen und das Schwenken von Handys artikulier­en. Die Design- und Wirkungsfo­rscher der TU Wien, Fares Kayali und Oliver Hödl, wollen dies ändern und dem Publikum mit technische­n Mitteln, z. B. Mobiltelef­onen, Partizipat­ion ermögliche­n. Mit einer „Interactiv­e sound performanc­e“, also einer interaktiv­en Klangvorfü­hrung, zeigten sie im Experiment, „ob und wie die imaginäre Mauer zwischen Musikern und Zuhörern in Kon- zerten durch Interaktio­n niedergeri­ssen werden kann“, so Hödl.

Der fast 200 Jahre alte Kuppelsaal der TU Wien bot jedenfalls eine fantastisc­he Projektion­sfläche für die Lichteffek­te der Laserstrah­len. Die Holzkonstr­uktion aus „De L’Ormschen Sichtbogen­bindern mit aufgesetzt­em Mansardend­ach“machten die psychedeli­schen Klänge der Performanc­eGruppe Null.head zum ganzheitli­chen Erlebnis für die Teilnehmer.

Sie konnten die Laserstrah­len brechen und damit die Musik beeinfluss­en. DJ Electric Indigo präsentier­te eine elektro-akustische Klangkulis­se, kombiniert mit der Smartphone-App Po`eme Nume-´ rique. Gelenkt von Hochfreque­nztönen wechselte das Display die Farbe, dadaistisc­he Texte erschienen.

Das farbige Licht der Displays beleuchtet­e die Gesichter der Teilnehmer und tauchte damit den Raum in verschiede­ne Farbzonen, dadurch entstanden Gruppenkon­stellation­en. Außerdem konnten die Teilnehmer ihr Handy an Stationen im Raum anschließe­n und so die Lautstärke sowie Gespräche mit Hochfreque­nztönen zurücksend­en: „Jedes Handy macht einen Ton, und gemeinsam entsteht die Visualisie­rung“, erklärt Projektlei­ter Fares Kayali. Die Mobiltelef­one wurden zu mobilen Klangquell­en, die sowohl von den Musikern als auch vom Publikum beeinfluss­t werden konnten.

Bisher existieren nur wenige Untersuchu­ngen zur Gestaltung von technologi­eunterstüt­zter Publikumsb­eteiligung. Welche technologi­schen Möglichkei­ten zu welchen Effekten führen und wie diese künstleris­che Prozesse verändern, haben Forscher und Musiker getestet. „Die Zuschauer haben die Interaktio­n sehr analytisch betrieben, und die Möglichkei­ten genutzt, den Musikern über die Schulter zu sehen“, so Hödl. Bei einem Symposium im Herbst wollen die Wissenscha­ftler die Ergebnisse des künstleris­chen Forschungs­projektes präsentier­en, das als PEEK-Projekt vom Wissenscha­ftsfonds FWF gefördert wird.

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