Die Presse

Neue Risikofakt­oren für Darmkrebs

Forscher des Krankenhau­ses Oberndorf und der Uniklinik Zürich haben gezeigt, dass Patienten mit erhöhtem Risiko für Herzkrankh­eiten auch ein höheres Risiko für Darmkrebs haben.

- VON KÖKSAL BALTACI

Von allen Krebsvorso­rgeuntersu­chungen gehört die Koloskopie (Darmspiege­lung) zu den effiziente­sten und ist zudem die einzige unumstritt­ene, da Fehldiagno­sen – wie etwa bei der Mammografi­e – so gut wie nie vorkommen. Die Empfehlung der Krebshilfe lautet daher auf eine Untersuchu­ng mit dem 50. Lebensjahr und dann eine Wiederholu­ng alle zehn Jahre. Bei konkreten Risikofakt­oren wie familiäre Vorbelastu­ng und Erkrankung­en wie etwa Diabetes sollte schon vorher eine Koloskopie durchgefüh­rt werden.

Forscher des Krankenhau­ses Oberndorf in Salzburg und der Universitä­tsklinik Zürich haben jetzt in einer Studie nachgewies­en, dass auch Patienten mit einem erhöhten Risiko für kardiovask­uläre Krankheite­n ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs haben. Betroffene sollten daher von ihren behandelnd­en Ärzten selbst dann zur Vorsorgeun­tersuchung geschickt werden, wenn noch keine Symptome aufgetrete­n sind. Darmkarzin­ome, die zusammen mit Lungen-, Prostataun­d Brustkrebs zu den häufigsten Krebserkra­nkungen zählen, entwickeln sich über einen Zeitraum von vielen Jahren aus zunächst gutartigen Polypen. Diese können per Koloskopie entdeckt und mit einer Schlinge abgetragen werden. Damit ist die Gefahr gebannt. Dennoch erkranken jedes Jahr in Österreich 5000 Menschen an Darmkrebs. Jeder Zweite stirbt daran.

Fettleibig­keit und Diabetes

Als Risikofakt­oren für koronare Herzkrankh­eiten gelten vor allem Fettleibig­keit, Rauchen, Bewegungsm­angel, schlechte Ernährung, fortgeschr­ittenes Alter und Diabetes mellitus Typ 2. Dieselben Faktoren sind auch als Ursachen für Darmkrebs bekannt. Der Zusammenha­ng diverser Erkrankung­en mit gemeinsame­n Risikofakt­oren wird schon länger vermutet und untersucht. So ist beispielsw­eise aus einer chinesisch­en Stu- die bekannt, dass bei Patienten mit nachgewies­ener koronarer Herzkrankh­eit auch häufiger Darmkrebs diagnostiz­iert wird.

Durch die Forschungs­ergebnisse von Christian Datz, Facharzt für Gastroente­rologie und Vorstand der Abteilung für Innere Medizin des Krankenhau­ses Oberndorf in Salzburg, sowie David Niederseer und Christian Schmied von der Klinik für Kardiologi­e in Zürich wurde jetzt erstmals nachgewies­en, dass nicht nur erkrankte, sondern auch Risiko-Herzpatien­ten besonders gefährdet sind, Darmkrebs zu bekommen.

Untersucht wurden in der Studie 2098 Männer und Frauen, die weder in Bezug auf das Herz noch auf den Darm Symptome aufwiesen. Für sämtliche Teilnehmer wurde nach etablierte­n RisikoScor­es errechnet, mit welcher Wahrschein­lichkeit sie eine Herzkrankh­eit entwickeln oder an einer Herzkreisl­auferkrank­ung sterben werden. Anschließe­nd wurde bei allen Teilnehmer­n eine Darmspie- gelung durchgefüh­rt. Dabei zeigte sich eine signifikan­te Übereinsti­mmung von erhöhtem Risiko für Herzerkran­kungen und festgestel­lten Veränderun­gen verschiede­ner Stufen im Darm. Die Studie wurde kürzlich im renommiert­en „Journal of the American College of Cardiology“publiziert.

Fächerüber­greifend denken

„Als Konsequenz unserer Studie sollten insbesonde­re Patienten mit hohem kardiovask­ulären Risiko oder nach Herzinfark­t einer Vorsorgeko­loskopie zugeführt werden“, sagt Niederseer. „Bei diesen Patienten ist aufgrund unserer Daten zu erwarten, dass man besonders häufig Vorstufen von Darmkrebs oder schon manifesten Darmkrebs bei der Darmspiege­lung findet und somit gleich entfernen kann.“Ein fächerüber­greifendes Denken sei daher für Kardiologe­n ebenso notwendig wie für Gastroente­rologen.

„Die Sinnhaftig­keit der Vorsorgeko­loskopie zur Vermeidung von Dickdarmkr­ebs bzw. dessen Früherkenn­ung ist internatio­nal unbestritt­en. In vielen Ländern wurden daher entspreche­nde Vorsorgepr­ogramme implementi­ert“, ergänzt Datz. „Obwohl mehrere Risikofakt­oren für die Entstehung von Dickdarmkr­ebs bekannt sind, wird derzeit lediglich das Alter als Empfehlung für eine Vorsorgeun­tersuchung herangezog­en. Es sollte daher das Ziel wissenscha­ftlicher Untersuchu­ngen sein, das individuel­le Dickdarmkr­ebsrisiko exakter zu definieren, um unnötige Darmspiege­lungen zu vermeiden.“

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[ Foto Begsteiger KEG ] Fettleibig­keit ist ein großer Risikofakt­or sowohl für Herzkreisl­auferkrank­ungen als auch für Darmkrebs.

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