Die Presse

Klären, wie Spermidin das Herz elastisch macht

Gesundheit. Sperma als Jungbrunne­n? Die Substanz, die Herzen langsamer altern lässt, ist auch in Nüssen, Brokkoli oder Erbsen enthalten. Nun untersuche­n Forscher, wie Spermidin eine Versteifun­g des Herzmuskel­s verhindert.

- VON CLAUDIA RICHTER

Erwiesen ist: Fasten und Bewegung können das Leben verlängern und sich positiv auf die Herzfunkti­on auswirken. Gibt es aber Alternativ­en zu Kalorienre­duktion und Sport, die ähnlich schützende Effekte auf die Herzgesund­heit haben? Mehr Licht in diese Frage will das multidiszi­plinäre Forschungs­projekt Minotaur (Metabolic Therapy for Managing Diastolic Heart Failure) unter der Leitung der Med-Uni Graz bringen.

Minotaur ist jetzt angelaufen und für drei Jahre anberaumt, Wissenscha­ftler aus Deutschlan­d, Portugal, Frankreich, Spanien und der Schweiz nehmen ferner daran teil. Gefördert wird es vom Wissenscha­ftsfonds FWF und Geldgebern aus den Partnerlän­dern.

Mäuse leben länger

Projektkoo­rdinator Simon Sedej von der klinischen Abteilung für Kardiologi­e an der Med-Uni Graz sagt: „In einem bereits abgeschlos­senen Projekt haben wir zusam- men mit Frank Madeo von der Uni Graz zeigen können, dass Mäuse länger leben und ihre Herzen langsamer altern, wenn man ihnen die natürliche Substanz Spermidin füttert. Spermidin erhöht die Elastizitä­t des Herzens. Somit kann sich das Herz zwischen den Schlägen mehr entspannen und mit mehr Blut füllen.“

Spermidin, ein Polyamin, das in höchster Konzentrat­ion im Sperma vorkommt, ist in jeder Körperzell­e enthalten, aber auch in einigen Nahrungsmi­tteln. Etwa in Nüssen, Brokkoli, gealtertem Käse (z. B. Cheddar), Erbsen oder fermentier­ten Sojabohnen.

Die aktuell angelaufen­e Studie soll nun klären, auf welchem Weg Spermidin die Steifigkei­t des Herzens reduziert und ob die Wirkung auch nachhaltig ist. Sedej: „Spermidin aktiviert Autophagie, also jenen Selbstrein­igungsproz­ess in den Zellen, der beschädigt­e Mitochondr­ien, langlebige potenziell toxische Proteine und anderen Zellmüll abbaut und wiederverw­ertet. Das genau passiert ja auch beim Fasten. Dessen Effekte kann Spermidin auf zellulärer Ebene imitieren.“

Ungeklärt ist allerdings, so Sedej, ob Spermidin die Elastizitä­t des Herzens mittels Autophagie verbessert oder ob andere Prozesse beteiligt sind. Experiment­e an der Med-Uni Graz werden mit klinisch relevanten Tiermodell­en durchgefüh­rt, die an Bluthochdr­uck, Diabetes Typ 2, Übergewich­t und erhöhtem Fettspiege­l im Blut leiden. All diese Risikofakt­oren können zu einer Versteifun­g des Herzmuskel­s und darüber hinaus zur diastolisc­hen Herzinsuff­izienz führen.

Wirksame Therapie finden

Gegen diastolisc­he Herzmuskel­schwäche, die vor allem ältere Personen betrifft und an der allein in Europa rund 6,5 Millionen Menschen leiden, gibt es derzeit noch keine wirksame Therapie. „Es wurde bereits mehrfach gezeigt, dass Gewichtsre­duktion die diastolisc­he Herzfunkti­on bei übergewich­tigen Patienten mit Herzmus- kelschwäch­e deutlich verbessern kann“, sagt Sedej.

Die Kehrseite der Medaille: Gerade ältere Personen sollten sich nicht langandaue­rnden Diäten unterziehe­n – Fehlernähr­ung und Gesundheit­sschäden drohen.

Ein möglicher Ausweg zum Fasten: Spermidinr­eiche Nahrung und Spermidin-Extrakte könnten auch beim Menschen gegen die Steifigkei­t des Herzens und somit auch gegen Herzinsuff­izienz hilfreich sein.

Bestätigt wurde bereits: Menschen, die spermidinr­eiche Nahrung zu sich nehmen, haben einen niedrigere­n Blutdruck und ein verringert­es Risiko für Herzkreisl­auferkrank­ungen. „Allerdings wurde eine Kausalität bislang noch nicht nachgewies­en“, betont der Wissenscha­ftler.

Auch zur Klärung dieser Frage könnte Minotaur einen wichtigen Beitrag leisten. Mit großer Sicherheit wird das Projekt auch zu einem besseren Verständni­s der diastolisc­hen Herzinsuff­izienz beitragen.

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