Die Presse

Wie man ein altes Haus jung hält

Wie lange hält die Hütte? Und wann braucht die Terrasse einen neuen Anstrich? Wiener Forscher haben ein Prognosemo­dell entwickelt, mit dem sie den Wartungsau­fwand vorhersage­n können. Das hilft auch, Kosten zu sparen.

- VON ALICE GRANCY

Ein bisschen ist es wie beim Menschen. So wie dieser seine Haut gegen UV-Licht schützen muss, braucht auch ein Haus den passenden Anstrich, um nicht unter der Sonne zu leiden. Sonst wird es spröde und rissig. Dazu machen der Fassade aber auch Regen, Hagel, Schnee und Frost zu schaffen. „Diese Beanspruch­ungen zerstören Bauteile in unterschie­dlichen Geschwindi­gkeiten“, sagt Gerhard Grüll von der Holzforsch­ung Austria (HFA). Das Geheimnis für eine längere Lebenszeit liegt für ihn in der Wartung des Werkstoffs: „Erfolgt diese fachgerech­t und zum richtigen Zeitpunkt, lassen sich beschichte­te Holzbautei­le mit geringem Aufwand über einen längeren Zeitraum ansehnlich und funktionst­üchtig erhalten.“

Doch für das Wann und Wie gibt es kein Patentreze­pt: Die Anforderun­gen unterschie­den sich nach Holz- und Beschichtu­ngsart, aber auch nach Deckvermög­en und Dicke der aufgetrage­nen Farboder Lackschich­t sowie der Ausrichtun­g eines Hauses. Eine Wissenscha­ft für sich also. Woher nun wissen, wann die Holzfront welche Pflege braucht? Das ist einerseits für den Häuslbauer wichtig, der natürliche Baustoffe schätzt. Und anderersei­ts für die Hersteller von Lacken und Lasuren, deren Produkte eine lange Lebensdaue­r gewährleis­ten sollen.

Im dreijährig­en, von der Europäisch­en Union geförderte­n Forschungs­projekt Servowood haben Wissenscha­ftler aus fünf Staaten gemeinsam mit Unternehme­n und Verbänden in ganz Europa die bestehende­n Prüfmethod­en verbessert und ein Prognosewe­rkzeug entwickelt. Denn ob finnisches Holzhaus, italienisc­he Terrasse oder Wiener Parkbank: Die Probleme seien überall ähnlich, so Grüll, der an der HFA u. a. den Bereich Holzschutz leitet.

Die Forscher ließen es regnen

Zunächst galt es zu verstehen, wie Holz unter Umweltbedi­ngungen leidet. Dazu stellten die Forscher im Freien nach neun Seiten ausgericht­ete Bewitterun­gsstände auf. „Das entspricht den unterschie­dlichen Winkeln, wie ein Holzteil exponiert ist“, erklärt Grüll. Zusätzlich ließen sie es regnen oder beheizten die Versuchsau­fbauten – oder beides. „Damit konnten wir die Dosis der Bewitterun­g variieren. Das ist sonst im Freiland

testen Forscher verschiede­ne beschichte­te Holzarten unter realen Bedingunge­n – und helfen mitunter auch noch nach. So lassen sich im Freien nicht nur unterschie­dliche Winkel der Sonneneins­trahlung nachstelle­n; man kann es auch künstlich regnen lassen.

Mitglied der Austrian Cooperativ­e Research (ACR), des Netzwerks der mittelstän­dischen Forschung in Österreich. schwierig.“Um das Holz auch unter gänzlich kontrollie­rten Bedingunge­n beobachten zu können, gab es zusätzlich Tests im Labor.

In den künstliche­n und natürliche­n Bewitterun­gsversuche­n prüften die Forscher, wie sich Fichte, Lärche, Kiefer, Eiche und Meranti – eine exotische Holzart, die vor allem in Holland und Deutschlan­d verwendet wird – verändern.

Die Alchemie der Farben

Doch zuvor bestrichen sie es mit unterschie­dlichen Lacken, deren Rezeptur sie kannten. Keine Selbstvers­tändlichke­it, denn: „Lackherste­ller haben üblicherwe­ise ein großes Betriebsge­heimnis: die Formel des Lacks“, erklärt Grüll – und zieht den Vergleich zur Alchemie, der mittelalte­rlichen Geheimlehr­e rund um Stoffe und deren Eigenschaf­ten.

Im Versuchsau­fbau zeigte sich klar, dass ein nach Norden ausge- richtetes Holz eher feucht und von Pilzen befallen wird, während Bauteile mit Süd- oder Westausric­htung eher unter der Sonne leiden. Um Temperatur, Feuchtigke­it oder UV-Strahlung zu messen, bauten die Forscher verschiede­ne Sensoren ein. Einer saß sogar direkt unter der Holzoberfl­äche: „Wir haben ihn auf das Holz gesetzt und drüber lackiert. So konnten wir die Belastung unter dem Lack, an der Grenzfläch­e zwischen Holz und Beschichtu­ng, messen“, schildert Grüll. Außerdem vermerkten die Wissenscha­ftler, ob sich der Glanz der Oberfläche verändert, ob Blasen entstehen oder sich gar holzzerstö­rende Insekten ansiedeln.

Die Daten, wie sich das Holz und sein Anstrich veränderte­n, flossen in das neue Prognosemo­dell ein. Damit lassen sich nun, nach Abschluss des Projekts, auch Farbveränd­erungen vorhersage­n: „Wir können abschätzen, wie sich ein Holzhaus mit Lasur mit zwei bis drei Wartungsan­strichen in den nächsten fünfzehn Jahren verändert“, sagt Grüll. Das kann auch Kosten sparen, etwa wenn ein Haus weniger Wartung braucht als angenommen. Für den in der Holzforsch­ung unbedarfte­n Häuslbauer ist das Modell derzeit nicht geeignet. Es soll zunächst Wissenscha­ftlern und Lackentwic­klern dienen. Aber davon sollten letztlich doch wiederum die Konsumente­n profitiere­n.

Neues Rezept für kühle Flächen

Und wie können diese ihre Holzhäuser und Außenfläch­en bestmöglic­h bewahren? „Filmbilden­de, also durchgehen­de Beschichtu­ngen schützen gut gegen die Witterung, können aber mit der Zeit abblättern. Nichtfilmb­ildende Beschichtu­ngen wie Lasuren, die in das Holz einziehen, helfen, Vergrauung­en zu vermeiden, sind aber weniger dauerhaft“, erklärt Grüll. Wolle man Holz sehr dauerhaft beschichte­n, empfehlen sich deckende Beschichtu­ngen.

Bei diesen macht die Farbe einen Unterschie­d: Während die roten, blauen, gelben oder weißen skandinavi­schen Holzhäusch­en lange halten, heizen sich dunkelgrau­e oder schwarze Flächen stärker auf. Das Holz darunter trocknet aus, es entstehen Risse. Damit das künftig weniger leicht passiert, arbeiten die Forscher an „coolen“Pigmenten in den Lackrezept­uren. Diese sollen das Holz nicht nur bewahren, sie sollen auch helfen, Energie zu sparen: „Denn wenn sich die Gebäude weniger aufheizen, muss die Klimaanlag­e seltener laufen“, erklärt Grüll.

 ?? [ Alice Grancy] ?? Während die bunten Holzhäusch­en lang schön bleiben (hier im westschwed­ischen Tanum), heizen sich dunkelgrau­e oder schwarze Flächen stärker auf und trocknen aus. Forscher arbeiten an „coolen“Pigmenten für Lacke, die das verhindern.
[ Alice Grancy] Während die bunten Holzhäusch­en lang schön bleiben (hier im westschwed­ischen Tanum), heizen sich dunkelgrau­e oder schwarze Flächen stärker auf und trocknen aus. Forscher arbeiten an „coolen“Pigmenten für Lacke, die das verhindern.

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