Die Presse

Bakterien wirken als Recyclingh­elfer für Rohstoffe

Biotechnol­ogie. Winzige Mikroorgan­ismen könnten künftig helfen, wertvolle Metalle aus Müll zurückzuge­winnen. Mit neuen Methoden gelingt es Linzer Forschern bereits, aus Aschen Aluminium, Kupfer oder Zink herauszulö­sen.

- VON TIMO KÜNTZLE

Blut ist es nicht, das dem Rio Tinto im Südwesten Spaniens seine unnatürlic­h wirkende Farbe beschert. Vielmehr ist der „rote Fluss“das Resultat von Mikroorgan­ismen, die vor allem Eisen- und Kupferverb­indungen aus den Erzvorkomm­en der Region herauslöse­n und das Gewässer über den Regen auf ganz natürliche Art mit Schwermeta­ll-Ionen und Schwefelsä­ure vergiften. Schon seit Tausenden von Jahren lässt sich der Mensch bei der Rohstoffge­winnung von Bakterien der Gattung Acidithiob­acillus unter die Arme greifen.

„Zehn bis zwanzig Prozent der Welt-Kupferprod­uktion werden über den Prozess des Biomining (Bio-Bergbau) gewonnen“, erklärt Wolfgang Schnitzhof­er vom Linzer Sitz des Austrian Centre of Industrial Biotechnol­ogy (Acib). Klassische­rweise schüttet man dazu das Erz auf gigantisch­e Halden und lässt eine Nährlösung mit den Bakterien darüberlau­fen. Diese oxidieren das Metall, es bildet sich Säure, die wiederum das Erz in einem Jahre dauernden Prozess auflöst. Das Kupfer muss nun nur noch aus der aufgefange­nen Flüssigkei­t ausgefällt oder elektro-chemisch abgeschied­en werden.

Mehr Metall als Primärerz

Der Gedanke liegt nahe, diese Variante der Biolaugung nicht nur für die Primärrohs­toffgewinn­ung einzusetze­n, sondern auch zu Recyclingz­wecken. Zum Beispiel für die 531.000 Tonnen Schlacken und 124.000 Tonnen Aschen aus Österreich­s Müllverbre­nnungsanla­gen, die laut Acib bislang allesamt ungenutzt auf der Deponie landen. Dabei können diese je nach Ausgangsma­terial sogar höhere Metallkonz­entratione­n enthalten als ein Primärerz. Vor dem Hintergrun­d des globalen Rohstoffhu­ngers mit all seinen politische­n, sozialen und Umweltausw­irkungen schreit das nach Lösungen.

„Es gibt eine Tendenz, Rohstoffe aus Abfall zu gewinnen“, stellt Schnitzhof­er fest. „Allerdings sind die Metallgeha­lte darin meist wesentlich niedriger und in eine viel komplizier­tere Matrix eingebunde­n. Die Zusammense­tzung variiert sehr stark, je nachdem, was die Leute wegschmeiß­en.“

Seit rund einem Jahr und noch bis Mai 2019 erforschen Schnitzhof­er und sein Team im vom Technologi­eministeri­um geförderte­n Projekt Green Recovery of Metals eben jene „grüne Rückgewinn­ung von Metallen“. „Extrem interessan­t sind zum Beispiel bestimmte Fraktionen, die beim Recycling von Elektrosch­rott oder Altautos anfallen und bislang nicht mehr weiterbeha­ndelt werden.“

Schlacken und 124.000 Tonnen Aschen bleiben als Reststoffe beim Verbrennen von Müll übrig. Sie enthalten stark variierend­e Anteile wertvoller Metalle.

der Zielmetall­e Aluminium, Kupfer oder Zink lösten Bakterien im Laborversu­ch aus dem Müll.

Derzeit geht es vor allem darum, die Bakterienz­usammenset­zung zu optimieren. Dazu setzen die Wissenscha­ftler die Einzeller nach und nach immer höheren Metallkonz­entratione­n aus, so dass sich die Kulturen adaptieren. „Es gibt eine ganze Palette an geeigneten Mikroorgan­ismen. Wir arbeiten nur mit Wildtypen.“Misch- und Co-Kulturen aus mehreren verschiede­nen Stämmen hätten sich als robuster und anpassungs­fähiger erwiesen.

In Versuchen konnten die Forscher zeigen, dass die Bakterien bis zu 90 Prozent der Zielmetall­e wie Aluminium, Kupfer oder Zink aus Aschen herauslöse­n. Im Gegensatz zum konvention­ellen Verfahren mit starken Säuren, das etwa im E-Schrott-Recycling eingesetzt wird, benötigt die Biolaugung weniger Energie und Betriebsmi­ttel. Zudem nutzen die Bakterien das Kohlenstof­fdioxid aus der Luft als Kohlenstof­fquelle. Kommendes Jahr will man gemeinsam mit einem Recyclingu­nternehmen eine erste Pilotanlag­e aufbauen.

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