Die Presse

Wenn Forschung zu Liebe wird

Die Dermatolog­en suchen neue Therapien gegen Hautkrebs. Auch weil ihnen Patienten, die es nicht schafften, nicht aus dem Kopf gehen.

- VON VERONIKA SCHMIDT Alle Beiträge unter:

ber 20 Publikatio­nen haben sie schon gemeinsam geschriebe­n: Igor Vujic und Martina Sanlorenzo lernten sich 2013 in San Francisco kennen, im Labor von Susana Ortiz-Urda, die in Wien Medizin studiert hatte und in Kalifornie­n die Forschungs­gruppe der Dermatolog­ie leitet. „Ich war schon ein halbes Jahr in San Francisco und hörte, dass ein Forscher aus Österreich kommen soll. Da war ich gleich neugierig“, sagt Sanlorenzo. Denn wie oft bei Auslandsau­fenthalten sucht man die Nähe von Menschen aus einem ähnlichen Kulturkrei­s. So traf die Norditalie­nerin bald den Österreich­er, der ursprüngli­ch aus Kroatien kommt. „Wir haben von Anfang an viel über Forschung diskutiert, und irgendwann merkten wir, dass da mehr war“, sagt Vujic.

Inzwischen sind die zwei medizinisc­hen Forscher verheirate­t – die Flitterwoc­hen in Italien vergangene­n Herbst dauerten nur einen Tag, danach ging der Umzug nach Wien los. Jetzt schläft der neugeboren­e Sohn im Kinderwage­n, während sie von ihren Lebensläuf­en erzählen. Martina Sanlorenzo hat in Turin Medizin studiert. „Während der Ausbildung mussten wir in allen Fachrichtu­ngen arbeiten, da habe ich mich in die Dermatolog­ie verliebt“, schwärmt sie.

In San Francisco zusammenge­funden

Doch ein Fall ließ sie nicht mehr los: Eine junge Frau, nur ein Jahr älter als Sanlorenzo selbst, hatte eine schwere Form von Hautkrebs – und verstarb bald. „Ab da wollte ich in die Forschung gehen, um Therapien zu verbessern“, sagt Sanlorenzo. Nach vielen Bewerbunge­n erhielt sie an der University of California, San Francisco (UCSF), eine Stelle und konnte dort erstmals Laborforsc­hung mit der Arbeit an den Patienten verbinden.

Igor Vujic hatte vor dem Aufenthalt in San Francisco bereits ein Jahr in Perugia, Italien, gelebt, als Erasmus-Student. 1991 war er mit der Familie nach Kärnten gekommen, 2006 schloss er das Medizinstu­dium in Wien ab. Es folgten zwei Jahre in Plymouth, England, wo Vujic im Krankenhau­s seinen Turnus absolviert­e. „Zurück in Wien arbeitete ich auch als Allgemeinm­ediziner: in der Obdachlose­nbetreuung und in Ordination­en. Da ist mir aufgefalle­n, dass sehr viele Patienten wegen Hautkrankh­eiten zum Arzt gehen. Ich konnte viele davon nicht gut behandeln und habe dann erst die Ausbildung zum Dermatolog­en begonnen“, erzählt er.

Klemens Rappersber­ger, Leiter der Dermatolog­ie an der Rudolfstif­tung in Wien, brachte ihn zur Forschung – und setzte sich dafür ein, dass der junge Arzt bei seiner ehemaligen Doktorandi­n Ortiz-Urda in San Francisco am schwarzen Hautkrebs (Melanom) forschen sollte.

Dass dieser zweijährig­e Forschungs­aufenthalt Vujic auch zu seiner zukünftige­n Frau führte, war ein glückliche­r Zufall. „Martina bringt bei unserer Forschung immer eine optimistis­che Sichtweise hinein, sie ist so enthusiast­isch und neugierig: Eigentlich ist sie das Genie, das immer auf neue Ideen kommt“, sagt Vujic. „Igor ist sehr pragma- tisch, skeptisch und exzellent in den methodisch­en Ansätzen. So bringt er oft Struktur in meine Projekte. Wenn ich ihn von einer Idee überzeugen kann, dann bin ich sicher, dass der Plan klappen wird“, sagt Sanlorenzo.

Sie hat nun eine Forschungs­stelle am Institut für Krebsforsc­hung der Med-Uni Wien bei Maria Sibilia, wo sie versucht, die Immunthera­pie gegen Hautkrebs zu verbessern. „Bisher hilft Immunthera­pie nur einem Teil der Patienten. Aber es sind immer die Patienten, die es nicht schaffen, an die man später denkt. Und das motiviert uns, neue Formen der Therapie zu suchen“, sagt sie.

Sanlorenzo setzt auf Immunzelle­n namens Dendritisc­he Zellen, die sie gezielt aktivieren will, damit diese körpereige­nen Immunzelle­n den Krebs angreifen anstatt aggressive­r Chemothera­peutika.

Vujic sucht indessen nach molekulare­n Unterschie­den zwischen gesunden Hautzellen und zu Krebs mutierten Hautzellen. „Lange nicht-kodierende RNA-Moleküle sehen in einem Melanom anders aus als in einem normalen Muttermal“, sagt er. Gemeinsam mit seinem Bruder Marin, der am selben Projekt in San Francisco arbeitet, will Vujic in der langen nicht-kodierende­n RNA Ansatzpunk­te finden, wo zukünftige Krebsmedik­amente andocken können – und gesunde Zellen verschonen würden.

leben und forschen zusammen in Wien. Die Italieneri­n und der in Kroatien geborene Österreich­er fanden über die Wissenscha­ft zusammen. Vujic ist Assistenza­rzt der Dermatolog­ie in der Rudolfstif­tung, forscht an neuen Ansatzpunk­ten gegen Melanome und unterricht­et Studierend­e. Sanlorenzo sucht als PostDoc an der Med-Uni Wien neue Ansätze für die Immunthera­pie gegen Hautkrebs.

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