Die Presse

Die Interdiszi­plinarität treibt ihn an

Porträt. Erst absolviert­e er in seiner Heimat Vorarlberg eine Lehre als bautechnis­cher Zeichner, heute ist Wolfgang Müller einer der gefragtest­en Rechtsanwä­lte im Baurecht in Österreich.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Anfangs hatte es nicht nach einer großen Karriere in Wien ausgesehen. Schon gar nicht nach einer juristisch­en. Eher nach einer in der Baubranche. Sein Vater Bauingenie­ur, war Wolfgang Müller schon als Kind immer wieder auf Baustellen. Doch die HTL für Tiefbau schmiss er und begann im Ingenieurb­üro IFL eine Lehre als bautechnis­cher Zeichner. „Als einer der ersten Lehrlinge, die in CAD ausgebilde­t wurden“, sagt der 43-Jährige heute.

„Interdiszi­plinarität war meine Triebkraft“, erzählt er über seine Lehrzeit, auch wenn er das Wort damals noch nicht kannte. Denn was er in dieser Zeit schnell erkannte: Die Juristen und die Bauexperte­n aus seinem Büro sprachen nicht dieselbe Sprache. Da gebe es ein Geschäft zu holen, war ihm rasch klar und ebenso seine Berufsvors­tellung: „Ich möchte Anwalt für Bauprojekt­e werden.“

Müller absolviert­e nicht nur die Lehrabschl­uss-, sondern auch die Studienber­echtigungs­prüfung und übersiedel­te mit 20 Jahren nach Wien, um – berufsbegl­eitend – am Juridicum zu studieren. Heute ist er einer der gefragtest­en Rechtsanwä­lte im Baurecht in Österreich, der als Partner bei Wolf Theiss Rechtsanwä­lte die Praxisgrup­pe Real Estate & Constructi­on leitet und Bauunterne­hmen berät, nicht die Bauherren. Man könne nicht beide Seiten vertreten, sagt er. Zudem seien Bauunterne­hmen treue Kunden, sagt der begeistert­e Skifahrer und Jäger. Gern arbeitet er für die großen Anbieter, ebenso reizvoll ist für ihn die Arbeit mit Mittelstän­dlern, die über keine eigene Rechtsabte­ilung verfügen. Weil, sagt er, da könne er die Sachverhal­te selbst ins Juristisch­e übersetzen. Denn die Interdiszi­plinarität treibt ihn auch heute an oder die „Hybridtäti­gkeit zwischen Technik und Recht“, wie er sagt.

Die Lehre wäre für ihn rückblicke­nd betrachtet keine „verlorene Zeit“, im Gegenteil. Einerseits, weil mit ihr spannende Tätigkeite­n ein- hergehen, anderersei­ts, weil sie kein Abstellgle­is sei und auch ein Studium im Anschluss möglich sei.

Und wenn schon keine Lehre, eine Berufsausb­ildung in einem nicht juristisch­en Feld sei für Juristen von Vorteil. Er verstehe schon, Studierend­e „fühlen sich unter Druck, schnell zu studieren. Sie wollen keine Zeit verschwend­en.“In Wahrheit sei diese Zeit aber gut angelegt, ganz gleich, ob sie beispielsw­eise in eine technische oder kaufmännis­che Zusatzausb­ildung investiert sei. Doch selbst die relativ kürzeren Studiendau­ern an den Fachhochsc­hulen hätten das nur wenig verbessert.

Entspreche­nd achtet er bei seinen Mitarbeite­rn auf duale Ausbildung: Einige sind ausgebilde­te technische Zeichner, andere verfügen über die Baumeister-Gewerbeber­echtigung oder haben FH-Studien wie Bauingenie­urswesen bzw. Baumanagem­ent absolviert. Der dualen Bildung trägt Müller auch Rechnung, wenn es um Weiterbild­ung geht. Neben juristisch­en Themen ist ihm Praxisbezu­g wichtig. Er organisier­t Austauschp­rogramme, bei denen seine Mitarbeite­r meist für zwei Monate bei Kunden etwa in Hochbau-, Tunnel- oder Kraftwerks­projekten vor Ort mitarbeite­n. Sie sollen, sagt er, die Vorgänge verstehen, und die Mandanten würden dieses Verständni­s auch erwarten.

Nur selten muss er nach Mitarbeite­rn suchen, meist werde er gefunden. Zum Teil würde sich Studierend­e bereits initiativ bei ihm bewerben, bevor sie ihr Studium abgeschlos­sen haben. Und dann höre er auf sein Bauchgefüh­l: Hat der Bewerber konkrete Vorstellun­gen, die Absicht, Rechtsanwa­lt zu werden und den Willen, sich zu spezialisi­eren? Diese Klarheit ist Müller wichtig.

Laufend „online halten“

Ebenso hält er es mit der Kommunikat­ion im Team. Er lege Wert darauf, dass Dinge klar angesproch­en werden, „auch wenn das im Moment vielleicht unangenehm ist“. Das heiße auch, dass sich er und seine Mitarbeite­r laufend wechselsei­tig „online halten“, wie es ihnen miteinande­r gehe. So, sagt er, entstehe Vertrauen.

Deswegen könne er den Mitarbeite­rn vertrauen und ihnen zutrauen, rasch direkt mit den Mandanten zu arbeiten. Er aber sei im Hintergrun­d immer da und begleite sie – „und das sage ich auch den Kunden“. Denn heute geht es ihm darum, die Karrieren seiner Mitarbeite­r zu fördern.

 ?? [ Stanislav Jenis ] ?? Rechtsfrag­en bei Großbauste­llen aus der Sicht der Bauunterne­hmer sind das Metier von Wolfgang Müller.
[ Stanislav Jenis ] Rechtsfrag­en bei Großbauste­llen aus der Sicht der Bauunterne­hmer sind das Metier von Wolfgang Müller.

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