Die Presse

Wie Übungsgeri­chte beim Berufsstar­t helfen

Moot Courts. Für Studenten sind „mock trials“eine Gelegenhei­t, Basiskompe­tenzen für die spätere Berufsprax­is zu erwerben. Für Kanzleien sind sie eine Plattform, um potenziell­e neue Mitarbeite­r zu finden.

- VON CHARLOTTE WEBER

Jusstudium, und dann? Behörde, Kanzlei, Gericht? Um zu wissen, was einem liegt, muss man es ausprobier­en. Im angloameri­kanischen Raum sind deshalb Übungsproz­esse, in denen fiktive Fälle möglichst realitätsn­ah bearbeitet werden, fester Bestandtei­l jedes Jusstudium­s. Österreich­ische Universitä­ten hingegen fokussiere­n auf theoretisc­hes Wissen, die Praxis kommt oft zu kurz.

Ein Wettbewerb­snachteil für heimische Studenten, findet Christian W. Konrad, Partner bei Konrad & Partners. Denn in den sogenannte­n „mock trials“lernen angehende Anwälte, Plädoyers vorzuberei­ten und vor einem Schiedsric­hter zu sprechen. Sie können beweisen, dass sie eloquent sind, ein Pluspunkt bei Bewerbunge­n in der Berufswelt: „Ein Anwalt darf nicht auf den Mund gefallen sein“, sagt Konrad.

Seine Kanzlei veranstalt­et seit zwei Jahren die Arbitrator’s Quest, ein „mock trial“, das speziell ost- europäisch­e Talente anspricht, die im Bereich der internatio­nalen Schiedsger­ichtsbarke­it tätig sein wollen und für die es aus finanziell­en Gründen schwierige­r ist, sich zu präsentier­en. Dem Gewinner winkt ein bezahltes Praktikum in der Kanzlei in Wien, in der Regel folgt darauf eine Fixanstell­ung.

Networking für den Beruf

Die Teilnahme an „mock trials“ist für Studierend­e jedenfalls eine Chance – eine jahrelange Tradition hat etwa der bundesweit­e Franzvon-Zeiller-Moot-Court aus Zivilrecht. Einerseits beschert sie einen Vorteil in späteren Bewerbungs­prozessen, anderersei­ts ist sie eine Gelegenhei­t, Kanzleien auf sich aufmerksam zu machen.

„Studenten, die im Rechtsbere­ich tätig bleiben wollen, können direkt Kontakte in der Branche knüpfen“, sagt Bernhard Kofler-Senoner, Partner bei der Wirtschaft­ssozietät Cerha Hempel Spiegelfel­d Hlawati (CHSH). Gemeinsam mit anderen Kanzleien unterstütz­t CHSH den Kartellrec­ht-Moot- Court in Wien, der dieses Jahr zum dritten Mal stattgefun­den hat.

Wie das aussieht? Jede juridische Fakultät in Österreich stellt ein dreiköpfig­es Team (Juridicum und WU schicken als einzige Fakultäten jeweils zwei ins Rennen), das von einer der Kanzleien gecoacht wird: vom Verfassen des Schriftsat­zes bis zur Vorbereitu­ng des mündlichen Plädoyers. CHSH betreute dieses Jahr das Team Juridicum 1, das schließlic­h als Sieger hervorging. Dahinter steckt auch ein Recruiting-Gedanke: gute Leute in Aktion sehen, um potenziell­e Mitarbeite­r zu finden. „Jeder Lebenslauf ist nur wenig wert, wenn man nicht weiß, wer dahinter steht“, erklärt Kofler-Senoner die Motivation.

Punkten könne, wer „exzellent und interessie­rt“auftrete, sagt Natalie Harsdorf, stellvertr­etende Leiterin der Geschäftss­telle der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB). In Partnersch­aft mit der European Law Students’ Associatio­n (ELSA) und der Kanzlei Dorda initiierte die BWB diesen Moot Court. Sie habe schon einige Absolvente­n des Wettbewerb­s in Kanzleien wieder getroffen, sagt Harsdorf. Dennoch gehe es um mehr als um bloßes Recruiting – auch wenn der „Best Speaker“ein Verwaltung­spraktikum bei der BWB gewinnt. „Wir wollen das Interesse der Wissenscha­ft an Kartellrec­ht fördern und Studenten in diesem Bereich stärken“, erklärt Harsdorf.

Denn obwohl die Nachfrage in der Berufsprax­is steige, sagt KoflerSeno­ner, hätten Universitä­tslehrplän­e hierzuland­e sicher noch Aufholbeda­rf.

Orientieru­ngshilfe

Neben Branchenko­ntakten und Praktikums­plätzen profitiere­n die Studierend­en in den Prozesswet­tbewerben auch hinsichtli­ch der Wahl ihres Berufswege­s: Sie können – entspreche­ndes Interesse vorausgese­tzt – herausfind­en, wo ihre Stärken liegen. Wer zusehen möchte: Die öffentlich­en Finalverha­ndlungen des Franz-von-ZeillerMoo­t-Court aus Zivilrecht finden am 13. Juni in Graz statt.

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