Wie man die FPÖ zurück ins Spiel bringt. Ganz ohne Not.
Gefangen im kyanozentrischen Weltbild: Man hat sich so daran gewöhnt, um die Strache-Blauen zu kreisen, dass man längst nicht mehr anders kann.
D ie Ausgangslage war eigentlich recht vielversprechend: Hier ein noch relativ frischer Bundeskanzler, quer eingestiegen in die Spitzenpolitik aus der Halbwirtschaft im staatsnahen Bereich, mit überdurchschnittlichem rhetorischen Repertoire und so etwas wie einem Plan für Österreich. Dort ein Politroutinier im Körper eines Dreißigjährigen, der als Außenminister schlafwandlerisch sicher breitenwirksam Themen setzt und sich unbeeindruckt von Legenden um den bösen Fluch des Wahlauslösens getraut hat, auf den Resetknopf zu drücken, ohne bislang dabei Schaden zu nehmen.
Damit wären die Schienen bis zur Endstation Nationalratswahl am 15. Oktober an sich fix verlegt gewesen. Ein lupenreiner Lagerwahlkampf links und rechts vom Zentrum mit zwei attraktiven Spitzenkandidaten hätte Themen, Ton und Tempo vorgegeben. Neben der Dynamik dieses Duells wäre abseits der Geleise wohl nur mehr wenig gewachsen. Vor allem auch, weil die Koalition mit dem erfolgreichen Drängen auf die Schließung der Balkanroute und ihrer seitdem rigorosen bis populistischen Haltung in der Flüchtlingspolitik der größten Oppositionspartei ihr Leib- und Magenthema streitig gemacht hatte. Plötzlich war der Schmiedel der bessere Schmied, dem aber drohte sein Eisen kalt zu werden. D och was dann passiert, ist polittaktisch stümperhaft und in seiner realpolitischen Auswirkung zum Verzweifeln ärgerlich: Statt die Gelegenheit beim Schopf zu packen, die FPÖ endlich einmal rechts liegen zu lassen und selbst zu versuchen, quasi von vornweg den Wahlkampf zu diktieren, macht die SPÖ ihre Haltung zur Strache-FPÖ offensiv zum Cliffhanger mit angekündigter Auflösung knapp vor dem Wahltag. Parallel dazu bringen der rot-grüne Wiener und der rotblaue Burgenländer, in dem sie ihre ohnehin bekannten Positionen noch einmal öffentlich zementieren, Christian Kern massiv unter Zugzwang. Und egal, wie die Entscheidung letztlich ausfällt, es wird einen Verliererflügel geben in der SPÖ.
Dass man damit die Frage, ob die Sozialdemokratie mit den Freiheitlichen unter Umständen doch vielleicht koaliert oder weiter die Vranitzky-Doktrin in Geltung bleibt, ohne Not auch gleich zu dem dominanten Thema macht, hat sich so offenbar niemand überlegt. Oder wenn, dann entgegen aller politischen Vernunft zumindest billigend in Kauf genommen.
Indem sich die ÖVP – no na net – betont offen gegenüber einer Neuauflage von Schwarz-Blau gibt und die Grünen – natürlich – jede Berührung weiterhin ausschließen, haben alle wieder brav und gehorsam ihre vorgezeichnete Umlaufbahn gemäß dem kyanozentrischen Weltbild eingenommen und kreisen nun dort, wo sie immer gekreist sind. Kyanos bedeutet im Altgriechischen übrigens nicht nur blau, sondern auch Kornblume . . .
Heinz-Christian Strache reibt sich indes die Hände und kann sein Glück kaum fassen. Denn seine Ausgangsposition war vor dem SPÖ-Aussetzer kompliziert wie lang nicht. Der ehemals junge Oppositionsführer ist längst buchstäblich zum Altparteiobmann geworden, mit seinen zwölf Jahren Amtszeit auch abseits jeder Polemik alles andere als ein Erneuerungssignal. Dazu kommt noch, dass er innerhalb seiner eigenen Partei mit Norbert Hofer erstmals einen Mitstreiter hat, der auch von Sympathisanten als echte Alternative gesehen wird. In einer Partei, in der schon unter Jörg Haider alles nur auf den einen IHN zugeschnitten war, sicher keine willkommene Verbreiterung der Spitze, sondern vielmehr eine Irritation der eingeübten Ein-Mann-Kommunikation. D och über all das muss sich der FPÖ-Chef nun wohl keine Sorgen mehr machen. Stattdessen kann er schon wieder beginnen, Koalitionsbedingungen zu stellen, und sich selbst als Mittelpunkt des Wahlkampfs positionieren, über den sich wieder einmal alle anderen definieren. Das ist auch gar nicht so schwer, wenn die politischen Gegner dabei so bereitwillig mithelfen. Politik zu machen ohne den blauen Schatten an der Wand können sie sich offenbar längst nicht mehr vorstellen.