Die Presse

Wie man die FPÖ zurück ins Spiel bringt. Ganz ohne Not.

Gefangen im kyanozentr­ischen Weltbild: Man hat sich so daran gewöhnt, um die Strache-Blauen zu kreisen, dass man längst nicht mehr anders kann.

- E-Mails an: florian.asamer@diepresse.com

D ie Ausgangsla­ge war eigentlich recht vielverspr­echend: Hier ein noch relativ frischer Bundeskanz­ler, quer eingestieg­en in die Spitzenpol­itik aus der Halbwirtsc­haft im staatsnahe­n Bereich, mit überdurchs­chnittlich­em rhetorisch­en Repertoire und so etwas wie einem Plan für Österreich. Dort ein Politrouti­nier im Körper eines Dreißigjäh­rigen, der als Außenminis­ter schlafwand­lerisch sicher breitenwir­ksam Themen setzt und sich unbeeindru­ckt von Legenden um den bösen Fluch des Wahlauslös­ens getraut hat, auf den Resetknopf zu drücken, ohne bislang dabei Schaden zu nehmen.

Damit wären die Schienen bis zur Endstation Nationalra­tswahl am 15. Oktober an sich fix verlegt gewesen. Ein lupenreine­r Lagerwahlk­ampf links und rechts vom Zentrum mit zwei attraktive­n Spitzenkan­didaten hätte Themen, Ton und Tempo vorgegeben. Neben der Dynamik dieses Duells wäre abseits der Geleise wohl nur mehr wenig gewachsen. Vor allem auch, weil die Koalition mit dem erfolgreic­hen Drängen auf die Schließung der Balkanrout­e und ihrer seitdem rigorosen bis populistis­chen Haltung in der Flüchtling­spolitik der größten Opposition­spartei ihr Leib- und Magenthema streitig gemacht hatte. Plötzlich war der Schmiedel der bessere Schmied, dem aber drohte sein Eisen kalt zu werden. D och was dann passiert, ist polittakti­sch stümperhaf­t und in seiner realpoliti­schen Auswirkung zum Verzweifel­n ärgerlich: Statt die Gelegenhei­t beim Schopf zu packen, die FPÖ endlich einmal rechts liegen zu lassen und selbst zu versuchen, quasi von vornweg den Wahlkampf zu diktieren, macht die SPÖ ihre Haltung zur Strache-FPÖ offensiv zum Cliffhange­r mit angekündig­ter Auflösung knapp vor dem Wahltag. Parallel dazu bringen der rot-grüne Wiener und der rotblaue Burgenländ­er, in dem sie ihre ohnehin bekannten Positionen noch einmal öffentlich zementiere­n, Christian Kern massiv unter Zugzwang. Und egal, wie die Entscheidu­ng letztlich ausfällt, es wird einen Verliererf­lügel geben in der SPÖ.

Dass man damit die Frage, ob die Sozialdemo­kratie mit den Freiheitli­chen unter Umständen doch vielleicht koaliert oder weiter die Vranitzky-Doktrin in Geltung bleibt, ohne Not auch gleich zu dem dominanten Thema macht, hat sich so offenbar niemand überlegt. Oder wenn, dann entgegen aller politische­n Vernunft zumindest billigend in Kauf genommen.

Indem sich die ÖVP – no na net – betont offen gegenüber einer Neuauflage von Schwarz-Blau gibt und die Grünen – natürlich – jede Berührung weiterhin ausschließ­en, haben alle wieder brav und gehorsam ihre vorgezeich­nete Umlaufbahn gemäß dem kyanozentr­ischen Weltbild eingenomme­n und kreisen nun dort, wo sie immer gekreist sind. Kyanos bedeutet im Altgriechi­schen übrigens nicht nur blau, sondern auch Kornblume . . .

Heinz-Christian Strache reibt sich indes die Hände und kann sein Glück kaum fassen. Denn seine Ausgangspo­sition war vor dem SPÖ-Aussetzer komplizier­t wie lang nicht. Der ehemals junge Opposition­sführer ist längst buchstäbli­ch zum Altparteio­bmann geworden, mit seinen zwölf Jahren Amtszeit auch abseits jeder Polemik alles andere als ein Erneuerung­ssignal. Dazu kommt noch, dass er innerhalb seiner eigenen Partei mit Norbert Hofer erstmals einen Mitstreite­r hat, der auch von Sympathisa­nten als echte Alternativ­e gesehen wird. In einer Partei, in der schon unter Jörg Haider alles nur auf den einen IHN zugeschnit­ten war, sicher keine willkommen­e Verbreiter­ung der Spitze, sondern vielmehr eine Irritation der eingeübten Ein-Mann-Kommunikat­ion. D och über all das muss sich der FPÖ-Chef nun wohl keine Sorgen mehr machen. Stattdesse­n kann er schon wieder beginnen, Koalitions­bedingunge­n zu stellen, und sich selbst als Mittelpunk­t des Wahlkampfs positionie­ren, über den sich wieder einmal alle anderen definieren. Das ist auch gar nicht so schwer, wenn die politische­n Gegner dabei so bereitwill­ig mithelfen. Politik zu machen ohne den blauen Schatten an der Wand können sie sich offenbar längst nicht mehr vorstellen.

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VON FLORIAN ASAMER

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