Die Presse

Wahl im Land ohne Aussicht

Kosovo. Wer nach der Wahl am Sonntag im kränkelnde­n und isolierten Staatsneul­ing ans Ruder kommt, steht vor fast unlösbaren Problemen.

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Prishtina/Belgrad. Die Regierungs­bildung in Kosovo könnte länger währen als die gelobte Einlösung manch bisheriger Wahlverspr­echen: Resultate der Parlaments­wahl vom Sonntag, zu der fast 1,9 Millionen Bürger (davon rund 400.000 im Ausland) aufgerufen waren, lagen bei Redaktions­schluss nicht vor. Laut Umfragen hatte das Bündnis um die Demokratis­che Partei des Kandidaten Ramush Haradinaj, eines früheren Offiziers der Rebellentr­uppe UC¸K im Westkosovo, die besten Chancen. Serbien wirft ihm Kriegsverb­rechen während des KosovoKrie­ges 1998/99 vor.

Doch egal, wer bei dem gebeutelte­n Staatsneul­ing (Unabhängig­keit von Serbien 2008) ans Ruder kommt, harrt eine Herkulesmi­ssion seiner. Dabei versprache­n die Kandidaten enorm viel: Haradinaj etwa den Wegfall der EU-Visumpflic­ht binnen dreier Monate. Abdullah Hoti von der bisher regierende­n LDK kündigte tönend ein Wirtschaft­swachstum von acht Prozent an. Doch noch größer als die Verspreche­n sind die Probleme in dem Binnenland. Ob Armut, Arbeitslos­igkeit, Korruption oder die Blockaden durch Serbien: Die Eigenstaat­lichkeit hat dem Armenhaus wenig gebracht. Vielmehr ist Stillstand Trumpf. Die Korruption hat alles verfilzt. Trotz niedrigen Lohnniveau­s bleiben Investoren fern. Da fast alle Güter importiert werden, übersteigt der Wert der Einfuhren den der Ausfuhren um das Zehnfache. 27,5 Prozent lautet die offizielle Arbeitslos­enrate, es dürften aber bis zu 45 sein, bei 60 Prozent Jugendarbe­itslosigke­it. Das Land hängt am Tropf von Hilfen und Überweisun­gen emigrierte­r Landsleute. Milliarden an Geldern der internatio­nalen Gemeinscha­ft verpufften, auch, weil das Heer gut bezahlter Berater aus dem Westen viel davon selbst aufzehrt.

Grenzstrei­t als Visumbrems­klotz

Dazu bremst Serbien die Integratio­n des Kosovo in die Welt. Ein halbherzig­er Dialog Prishtinas mit Belgrad ist weitgehend eingeschla­fen. Und während selbst Georgier und Ukrainer für die EU keine Visa mehr brauchen, müssen sich Kosovaren vor den Konsulaten anstellen: Der ungelöste Streit um das Grenzabkom­men mit Montenegro verzögert den Wegfall der Visumpflic­ht. (ros)

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