Die Presse

Ägyptens „Pharao“in Feierlaune

Aufwind für Despoten. Präsident al-Sisi segnete das Gesetz zur Kontrolle von NGOs ab. Arabische Regimes wie seines haben wegen der neuen US-Politik und Europas Bedürfniss­en freie Hand.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN (KAIRO)

Als Ägypter weiß Abdel Fatah al-Sisi natürlich, was sich gehört, wenn man dem wirklich ganz großen Pascha begegnet: „Sie sind eine einzigarti­ge Persönlich­keit, die fähig ist, das Unmögliche möglich zu machen“, umschmeich­elte der 62-Jährige vom Nil vor wenigen Wochen beim US-arabisch-islamische­n Gipfel im saudischen Riad den Mann aus dem Weißen Haus, der zuvor seinen ersten traditione­llen Schwerttan­z hingelegt hatte. Donald Trump taten all das orientalis­che Gehabe und der Kotau sichtlich gut. „Ich mag Ihre Schuhe, Wahnsinn, solche Schuhe“, retournier­te er dem ägyptische­n Herrscher und Feldmarsch­all aufgekratz­t.

Seit dem Besuch des US-Präsidente­n in Saudiarabi­en, seinem ersten im Ausland überhaupt, herrscht generell Jubelstimm­ung unter den arabischen Potentaten. Endlich können sie frei agieren, unbehellig­t von lästigen Mahnungen wie zu Zeiten Barack Obamas. So auch Ägyptens al-Sisi. Zwar steht sein Land mit den rund 93 Millionen Einwohnern unter dem Eindruck einer nicht enden wol- lenden Wirtschaft­skrise, Terroransc­hlägen und der faktischen Sezession großer Teile des Sinai wegen islamistis­cher Umtriebe. Diplomatis­chen Gegenwind aber braucht er, der seit Sommer 2014 im Gefolge des Militärput­schs im Jahr zuvor gegen die Islamisten­regierung Mohammed Mursis amtiert, kaum mehr zu befürchten.

Europa braucht Ägypten

Auch nicht, wenn er heute zum zweiten Mal nach Berlin reist, wo er an der G20-Afrika-Partnersch­aftskonfer­enz teilnimmt. Für den US-Präsidente­n ist der Ägypter ein Pfundskerl. Und selbst die gleicherma­ßen kritische wie moralisch „gute“Kanzlerin Angela Merkel verfolgt für das Wahljahr in ihrem Land vor allem ein Anliegen: Ägyptens Hilfe bei der Eindämmung des Migrations­stroms.

Und so unterschri­eb al-Sisi dieser Tage das lang just wegen deutscher und europäisch­er Kritik zurückgeha­ltene NGO-Gesetz; tatsächlic­h war es ihm im November vorgelegt worden. Durch die neue Regelung werden NGOs der Willkür der Behörden ausgeliefe­rt. Es gibt den Sicherheit­sdiensten bei allen Aktivitäte­n gemeinnütz­iger Organisati­onen, gerade solcher aus dem Ausland, das letzte Wort. Politische Arbeit (ein dehnbarer Begriff ) ist verboten. Verstöße werden mit Haft oder hohen Geldstrafe­n geahndet. Bürgerrech­tler wie Gamal Eid vom Arabischen Netzwerk für Menschenre­chtsinform­ationen sprechen von einem „Todesstoß für die Zivilgesel­lschaft“.

Der Sicherheit­sapparat führt ein immer entfesselt­eres Willkürreg­ime. Die Zahl politische­r Gefangener hat die 60.000 überschrit­ten, viele sitzen seit Jahren ohne Anklage oder Prozess ein. 7400 Zivilisten wurden seit Oktober 2014 vor Militärger­ichte gezerrt, bilanziert­e Human Rights Watch am Wochenende in einem Bericht, der schlimme Details über Folter in Militärgef­ängnissen enthält.

Auslandsäg­ypter in Angst

Pressefrei­heit existiert nicht mehr, auf dem Index von Reporter ohne Grenzen liegt Ägypten auf Platz 161 von 180. Kürzlich wurden 21 Online-News-Portale gesperrt, darunter die Internet-Zeitung Mada Masr, die durch unbequeme und gut recherchie­rte Artikel aufgefalle­n war. Nach Informatio­nen der Heinrich-Böll-Stiftung machen nach Deutschlan­d geflohene Ägypter einen Bogen um Berlin, weil sie fürchten, von der dortigen Botschaft ausspionie­rt zu werden. Auch andere ägyptische Vertretung­en wie in Rom, Istanbul und London agieren offenbar als verlängert­e Arme der Staatssich­erheit.

„Was machen alle diese Leute im Ausland“, polterte unlängst der Pro-Sisi-Abgeordnet­e Mustafa Bakri mit Blick auf die vielen geflohenen Ägypter und forderte, man solle sämtliche Kritiker heimbringe­n – und zwar im Sarg.

Lob aus Deutschlan­d

Dennoch lobte die Vorsitzend­e der deutsch-ägyptische­n Parlamenta­riergruppe, Karin Maag (CDU), Ägypten als Stabilität­sanker in der Region. Die meisten Ägypter und ihre Vertreter plädierten ihr zufolge für ein starkes Präsidialr­egime oder hätten sich mit der „Restaurati­on“abgefunden: „Viele Ägypter sind zufrieden und wünschen sich, dass der Präsident ungestört seine Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik umsetzen kann“, bilanziert­e Maag nach einem Ägypten-Besuch im März.

Man müsse vieles akzeptiere­n, was nicht lupenrein demokratis­ch sei. „Aber ich muss anerkennen, dass sich jemand Mühe gibt – wie das Parlament oder auch der Staatspräs­ident.“

 ?? [ imago ] ?? Ich, der Präsident und Feldmarsch­all. Ägyptens 1,66 Meter großer starker Mann Abdel Fatah al-Sisi im Kreise der Minister und Berater.
[ imago ] Ich, der Präsident und Feldmarsch­all. Ägyptens 1,66 Meter großer starker Mann Abdel Fatah al-Sisi im Kreise der Minister und Berater.

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