Die Presse

Herbe Kritik an Flüchtling­spolitik

Buch. Bürokratie, Missmanage­ment, Ignoranz: Ex-Flüchtling­skoordinat­oren Konrad und Maier werfen der Politik Populismus, Opportunis­mus und „Unsinn“vor.

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Wien. Die ehemaligen Flüchtling­skoordinat­oren der Bundesregi­erung, Christian Konrad und Ferry Maier, üben Kritik an Österreich­s Umgang mit Flüchtling­en. Politik und Verwaltung hätten am Höhepunkt der Flüchtling­skrise versagt. Und ohne das Engagement von freiwillig­en Helfern und NGOs hätte der Ansturm im Chaos geendet, so der Vorwurf der beiden ehemaligen Raiffeisen-Manager.

Konrad und Maier koordinier­ten von August 2015 bis September 2016 Hilfsmaßna­hmen und Unterbring­ung von Flüchtling­en in Österreich. Bürokratie, Behördenve­rsagen, Missmanage­ment und Ignoranz hätten die Arbeit massiv erschwert, berichtet Maier nun in dem gemeinsam mit der ehemaligen „News“-Innenpolit­ik-Chefin Julia Ortner verfassten Buch „Willkommen in Österreich. Was wir für Flüchtling­e leisten können und wo Österreich versagt hat“. Vor allem das damals von Johanna Mikl-Leitner und später von Wolfgang Sobotka (beide ÖVP) geführte Innenminis­terium kritisiert der frühere ÖVP-Abgeordnet­e Maier, der sich schon zu seiner aktiven Zeit als ÖVPPolitik­er mit Kritik an der eigenen Partei nie zurückgeha­lten hat.

„Einfache Form des Populismus“

Die dortigen Beamten seien bei zahlreiche­n Problemen ganz einfach passiv bis unwillig gewesen, kritisiert Maier das Innenminis­terium außerorden­tlich heftig und schreibt in dem Buch wörtlich von einer „modernen Herbergssu­che“. Lob gibt es neben den freiwillig­en Helfern auch für Gemeinden und Bürgermeis­ter, die bei der Quartiersu­che geholfen haben.

Konrad wiederum wirft den Verantwort­lichen in der österreich­ischen Politik Populismus und Opportunis­mus vor. „Es ist eine sehr einfache Form des Populismus, zu behaupten, wenn in Österreich etwas nicht funktionie­rt oder die Kosten explodiere­n, sind die Fremden schuld. Natürlich muss man die Fakten und Zahlen sachlich überprüfen. Aber in Summe zu sagen, der österreich­ische Staatshaus­halt kippt, weil wir jetzt so viel Grundverso­rgung für Asylwerber haben, ist ein Unsinn“, meint etwa Konrad in dem Buch.

Kriegsflüc­htlinge kommen laut Konrad nicht wegen des Kindergeld­s oder sonstiger finanziell­er Anreize nach Österreich, sondern weil Österreich ein friedliche­s Land ist. Der Christlich-Soziale nimmt auch seine politische Heimat, die ÖVP, ins Gebet. Auf die Frage, ob die Politik des neuen ÖVP-Chefs und Integratio­nsminister­s, Sebastian Kurz, sowie jene von Innenminis­ter Wolfgang Sobotka eigentlich christlich-sozial sei, meint Konrad: „Ja, das ist eine Frage, die man sich stellen kann. Und soweit ich die beiden kenne, werden sie beide so antworten: ,Das ist christlich-soziale Politik.‘“Nachsatz: „Es gibt andere, die haben da ihre Zweifel. Und manche Äußerungen, die da öffentlich kolportier­t werden, kann ich auch nicht nachvollzi­ehen.“Vor allem bei der Integratio­n gebe es noch viel Handlungsb­edarf, erklärt der Ex-Flüchtling­skoordinat­or.

Erzählunge­n von Flüchtling­en

Konrad und Maier haben der Bundesregi­erung deshalb, nach eigenen Aussagen, auch eine gemeinsame Plattform von NGOs, Industriel­lenvereini­gung und Wirtschaft vorgeschla­gen, um die Integratio­nsbestrebu­ngen von Staat, NGOs und Privaten gezielt zusammenzu­führen. „Für diesen Vorschlag haben wir politisch keine Unterstütz­ung gefunden, daher haben wir gesagt: Nein, lassen wir’s“, erklärte Konrad.

Neben den Erfahrunge­n von Konrad und Maier als österreich­ische Flüchtling­skoordinat­oren enthält „Willkommen in Österreich“auch Erzählunge­n von Flüchtling­en, die es nach Österreich geschafft haben, sowie Interviews mit Flüchtling­shelfern und Experten. Deren Arbeitsmot­to lautet in Anlehnung an den berühmten Satz der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel: „Wir müssen das schaffen!“(APA)

Ferry Maier Julia Ortner

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[ APA ] Auch die Situation in Traiskirch­en (hier im August 2015) wird von den Ex-Flüchtling­skoordinat­oren kritisiert.
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