Die Presse

Wenn Märkte an ihre Grenzen gehen

Frontier Markets. Das Wachstum ist besonders hoch, die Aktienmärk­te sind aber noch sehr klein. Das macht ein Investment auf den Grenzmärkt­en besonders lukrativ – aber auch riskant.

- VON RAJA KORINEK

Wien. Sie sind eigentlich überall zu finden, von Europa bis nach Asien und Lateinamer­ika. Die sogenannte­n Frontier Markets – wie der englische Fachausdru­ck für die Grenzmärkt­e lautet – sind zahlreich, vor allem aber aufstreben­d. Oft werden sie die Schwellenl­änder der zweiten Generation genannt. Denn im Gegensatz zu vielen Emerging Markets hinkt hier die Entwicklun­g des Mittelstan­des noch weiter zurück, die Wirtschaft ist oft weit mehr von Billigexpo­rten und Rohstoffen abhängig. Auch die Aktienmärk­te sind in der Regel kleiner und weniger entwickelt.

Da kann es auch passieren, dass sich manchmal keine vernünftig­e Investment­chancen finden lassen. So erging es etwa Mark Mobius und Carlos Hardenberg vor rund vier Jahren. Die langjährig­en Finanzmark­texperten managten den Templeton Frontier Markets Fund und mussten ihn deshalb für Neugelder sperren. Es sei schlicht nicht genug Liquidität auf den Frontier Markets vorhanden, um weitere Zuflüsse vernünftig zu platzieren, lautete das Argument. Bis Ende Mai 2017, da entschloss man sich, das sogenannte Soft Closing aufzuheben.

Dabei haben viele Grenzmärkt­e bereits Anfang 2016 eine fulminante Trendwende zurückgele­gt. Damals herrschte weltweit großes Aufatmen darüber, das Chinas Konjunktur sich offenbar doch recht ansehnlich entwickeln würde. Obendrein schien die US-Notenbank bei weiteren Zinsanhebu­ngen ein wenig gemäßigter vorgehen zu wollen, was für DollarSchu­ldner gute Nachrichte­n sind.

Von Togo bis Kroatien

Doch wie kann man sich die Frontier Markets eigentlich vorstellen? Eine Messlatte in der Finanzwirt­schaft ist der MSCI Frontier Markets Index. Darin sind 30 Länder enthalten, wobei die größte Gewichtung derzeit auf Argentinie­n entfällt. Länder wie Pakistan, Vietnam und Marokko haben ebenfalls besonders hohe Gewichtung­en. Es sind aber auch etwa Burkina Faso, Togo und Kroatien enthalten, der Bogen spannt sich rund um den Globus.

Auf Branchen aufgeteilt spielen Aktien aus der Finanzbran­che bei Weitem die größte Rolle, der Sektor ist im Index mit knapp mehr als 43 Prozent gewichtet. Volkswirts­chaftliche Kennzahlen verdeutlic­hen, wie rasant das Wachstum ist. Unter den zehn am schnellste­n wachsenden Ländern zwischen 2012 und 2016 zählen acht zu den Frontier Markets. Äthiopien zum Beispiel hat bislang ein jährliches Plus von 9,1 Prozent geschafft, die Elfenbeink­üste 8,8 Prozent und Myanmar 7,9 Prozent.

Auch die Liquidität verbessere sich: Insgesamt schätzt Hardenberg die Marktkapit­alisierung der Unternehme­n aus den Grenzmärkt­en auf gut 1,7 Billionen Dollar – Tendenz steigend. „Da ständig neue Unternehme­n auf den Markt kommen, rechnen wir mit einem weiteren Anstieg“, sagt Hardenberg.

Doch sollte man nicht rein in einen Index investiere­n, rät Hardenberg. Allein schon deshalb, weil Indexanbie­ter „unterschie­dliche Auffassung­en vertreten, welche Regionen Grenzmärkt­e darstellen“. Bei Franklin Templeton halte man sich nicht an derartige Definition­en oder Beschränku­ngen, um Chancen über eine bestimmte Messlatte hinaus zu fin- den. Zu den Top-Fondsposit­ionen des Templeton Frontier Markets Fund zählen DHG Pharmaceut­ical aus Vietnam, National Bank of Kuwait oder Binh Minh Plastic, ebenfalls aus Vietnam.

Und gerade weil derart viele verschiede­ne Regionen infrage kommen, gebe es praktisch keine Korrelatio­n zwischen den einzelnen Frontier Markets, verweist man bei Charlemagn­e Capital auf eine weitere Eigenschaf­t. Die Fondsgesel­lschaft verwaltet den Charlemagn­e Magna New Frontiers Fund. Fündig wird man zum Beispiel in Kuwait mit dem Hochschulu­nternehmen HumanSoft. Dabei sei der Titel schon eine Zeit lang an der Börse, meint Portfoliob­erater Stefan Böttcher, „allerdings mit nur einem Prozent Streubesit­z. Daher konnten die meisten Fonds in die Aktie nicht investiere­n.“Im vergangene­n Jänner stieg der Streubesit­z auf 25 Prozent, womit HumanSoft „zu einem der spannendst­en und günstigste­n kuwaitisch­en Unternehme­n wurde“, fügt Böttcher hinzu. Weitere große Fondsinves­tments sind die Bank of Georgia aus Georgien und die polnische Supermarkt­kette Dino Polska. Ähnlich selektiv gehen auch andere Branchenpr­ofis vor. Galina Besedina ist Fondsmanag­erin der Comgest Growth GEM Promising Companies und wird an Vietnams Börse fündig. Bereits 2015 hatte sich dort die Regierung mit neuen Maßnahmen verstärkt um internatio­nales Kapital bemüht. So möchte man Privatisie­rungen vorantreib­en. Deshalb wurde etwa das Limit für ausländisc­he Beteiligun­gen von 40 Prozent an vietnamesi­schen Aktiengese­llschaften in den meisten Sektoren – außer zum Beispiel im Bankensekt­or – aufgehoben. „Das eröffnet eine ganz neue Perspektiv­e in dem aufstreben­den Land, zum Beispiel bei der Molkerei Vinamilk“, meint Besedina. Denn der Milchkonsu­m in dem Land wächst.

Schwankend­e Währungen

Auch Afrika habe jede Menge zu bieten, etwa Kenia. „Schon 2009 kauften wir den Mobilfunke­r Safaricom, als kaum ein anderer Investor die Aktien beachtete“, verdeutlic­ht Besedina mit einem handfesten Beispiel, wie wichtig die sorgfältig­e Selektion in den Regionen ist. Leichtfert­ig sollte man nicht investiere­n, vor allem nicht kurzfristi­g. Dann könnten einem die geringe Liquidität und große Währungssc­hwankungen einen Strich durch die Rechnung machen.

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[ EPA ] Vietnams Börse startet durch: Das Land hat Investitio­nen von Ausländern erleichter­t.

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