Die Presse

Dienstreis­en mit Stolperste­inen: Meldepflic­ht gibt Rätsel auf

Entsendung. Das Lohn- und Sozialdump­ing-Gesetz erzeugt Ratlosigke­it bei ausländisc­hen Unternehme­n und belastet ganze Branchen.

- VON PHILIPP MAIER Rechtsanwa­lt Dr. Philipp Maier, LL.M., ist Partner bei Baker McKenzie in Wien.

Wien. Die Auflagen sind eine erhebliche Belastung: Ausländisc­he Unternehme­n, die ihre Mitarbeite­r aus EU-Staaten zu Besprechun­gen nach Österreich schicken, müssen kaum administri­erbare Meldeund Dokumentat­ionspflich­ten erfüllen. Das verlangen die aktuellen Vorschrift­en zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdump­ing. Demnach muss jede auch noch so kurze Arbeitstät­igkeit in Österreich mittels eines komplizier­t auszufülle­nden Formulars („ZKO-Meldung“) im Vorhinein gemeldet werden. Die Pflichten bestehen teils auch bei Geschäftsr­eisen aus Nicht-EU-Staaten.

Strafen bis 50.000 Euro

Zusätzlich muss für jeden Mitarbeite­r ein Stapel von Lohn- und Sozialvers­icherungsu­nterlagen erstellt und für die Behörden zur Einsicht bereitgeha­lten werden. Sind die Unterlagen nicht vollständi­g oder fühlt sich die Finanzpoli­zei bei Kontrollen nicht ausreichen­d informiert, dann drohen erhebliche Geldstrafe­n von bis zu 50.000 Euro pro Arbeitnehm­er und pro Verstoß. Was erschweren­d dazukommt: Die Pflichten treffen bei einer Entsendung den ausländisc­hen Arbeitgebe­r, der sich bei der Auslegung der komplexen österreich­ischen Vorschrift­en noch viel schwerer tut. Die Hoffnung war daher, dass mit dem Anfang 2017 in Kraft getretenen Lohn- und Sozialdump­ing-Bekämpfung­sgesetz (LSD-BG) Geschäftsb­esprechung­en durch eine klare Regelung vom Pflichtenk­atalog ausgenomme­n werden. Leider weit gefehlt. Wie in der alten Rechtslage werden weiterhin nur „kurzfristi­ge geschäftli­che Besprechun­gen ohne die Erbringung von weiteren Dienstleis­tungen“ausgenomme­n. Diese Formulieru­ng ist nicht nur mutlos, sondern auch kein legistisch­es Glanzstück.

Wie lang ist „kurzfristi­g“?

Nicht nur, dass mit keinem Wort gesagt wird, wie lange „kurzfristi­ge“Arbeiten dauern können. Das Gesetz lässt Unternehme­n auch weiterhin völlig im Unklaren, welcher Besprechun­gs-Typus nun tatsächlic­h ausgenomme­n ist. Die Gesetzesma­terialien (die ja als Auslegungs­hilfe dienen sollten) besagen, dass eine „Besprechun­g“die – von den Pflichten ausgenomme­ne – Arbeitslei­stung sei und nur darüber hinausgehe­nde (!) Dienstleis­tungen den Ausnahmeta­tbestand nicht erfüllen.

Das würde den Schluss nahelegen, jede mündliche Kommunikat­ion – und nicht nur belanglose „Meet and Greet“-Treffen – sei von der Ausnahme umfasst. Im gleichen Atemzug sagen die Materia- lien aber, dass nur „vorgelager­te und unterstütz­ende Tätigkeite­n“für die „eigentlich­en“Arbeiten von der Ausnahme umfasst sind. Ein glatter Widerspruc­h, da ja Besprechun­gen je nach Branche und Position der Arbeitskra­ft oft die eigentlich­e Arbeit darstellen. Da hilft es wenig, dass zumindest einige Fälle von Konzernent­sendungen (z. B. von Spitzenver­dienern) vom LSD-BG von vornherein ausgenomme­n sind.

Solange durch den Gesetzgebe­r keine Klarheit geschaffen ist, müssen sich Unternehme­n darauf einstellen, dass sie auf das Gutdünken der Kontrollbe­hörde angewiesen sind. Im Zweifel werden sich Unternehme­n daher angesichts der hohen Strafdrohu­ngen dafür entscheide­n, trotz der großen Aufwände jegliche Besprechun­g zu melden.

Standort weniger attraktiv

Diese Situation kann in Branchen, die regelmäßig und in großer Anzahl Mitarbeite­r nach Österreich schicken, zu einem Erliegen des Geschäftsm­odells führen. Im schlimmste­n Fall werden sich Unternehme­n ernsthaft fragen, ob unter diesen Rahmenbedi­ngungen der Standort Österreich für sie überhaupt noch attraktiv ist.

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