Die Presse

Das Comeback geriet bis auf einen Heiratsant­rag wenig überrasche­nd, aber solide. Zumindest vor dem Rathaus.

Life Ball.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH UND KÖKSAL BALTACI

Der Star des Abends war, nun ja, überlebens­groß. Jener Confe-´ rencier, der schon seit Tagen vor dem Wiener Rathaus wachte, wurde am Samstagabe­nd beim Life Ball spektakulä­r mit modernster Projektion­stechnik zum Leben erweckt. Wer sich an Robert Dornhelms St. Margarethe­ner „Tosca“-Engel von 2015 erinnert fühlte, lag nicht falsch: Amra Bergmann hat da wie dort das Bühnenbild geschaffen. Wie schon damals wurde der Raum unterhalb der Figur zur sich wandelnden Kuppel, in der das Geschehen unter der Regie von Giorgio Madia über die Bühne ging. In diesem Fall: eine Revue.

Nach einem freiwillig­en Ausfall im Vorjahr samt Nachdenkpa­use war die Eröffnung auf dem Rathauspla­tz ein in Summe rundes Comeback. Bühnenshow kann der Life Ball immer noch. „Willkommen, bienvenue, welcome“, sang Conchita und gab damit die stilistisc­he Linie im Zeichen von „Cabaret“vor. Conchita, sie moderierte souverän, maskulin gekleidet in Gaultier unter einer glitzernd blauen Wasserwell­enfrisur. An ihrer Seite Verena Scheitz, die „Iron Lady“, wie Conchita sie nannte, die Bügelfrau aus dem Nachmittag­sfernsehen. Sie kann offenbar auch ganz anders, in ihrer spielfreud­igen, selbstbewu­ssten Bühnenpräs­enz in der Doppelconf­erence´ erinnerte sie an eine Barbara Schöneberg­er. Und sie schlug, so die Hoffnung, eine Brücke zu jenem Teil der Gesellscha­ft, der der Gleichstel­lung in Bezug auf Lebenspart­nerschafte­n noch skeptisch gegenübers­te- hen mag. „Schwule, wo sind da Schwule?“, kreischte sie entsetzt, nachdem sie zwei Schweizer für eine Liebeserkl­ärung auf die Bühne geholt hatte. Einen ersten Heiratsant­rag und eine „blöde Antwort“hatte es da offenbar schon gegeben, nun wurde die Frage öffentlich in umgekehrte­r Richtung wiederholt, ein schöner Moment.

Ansonsten gab es Lieder von Alice Merton und Dionne Warwick, Song-Contest-Teilnehmer Nathan Trent als Fahnenträg­er, Thomas Schäfer Elmayers Debütanten tanzten als Pappfigure­n gleichgesc­haltet in Dirndl und Uniform. In den Reden blieb der politisch mahnende Anspruch im Vergleich zur HIV-Botschaft eher im Hintergrun­d – abgesehen davon, dass die Zwischenkr­iegszeit mit ihrer Diskrepanz zwischen Ausgelasse­nheit und gefährlich brodelnden gesellscha­ftlichen Spannungen die thematisch­e Linie vorgab.

Daneben wurden von Oskar Schlemmer inspiriert­e Schachfigu­ren bewegt, Tango getanzt, Kit-Kat-Girls zum Spendensam­meln durch die Reihen der vorn sitzenden Cabaret-Gäste geschickt. Von Francesco Scognamigl­io gab es (doch wieder) eine kleine Modenschau. Joss Stone hielt einen emphatisch­en kleinen Vortrag über die Arbeit von Sentebale, jener Jugendhilf­sorganisat­ion, die Prinz Harry gemeinsam mit Prinz Seeiso in Lesotho gegründet hat. Von Naomi Campbell war nichts Großartige­s zu erwarten, sie verlas trocken einen Brief von Elton John. SP-Frauenmini­sterin Pamela Rendi-Wagner kam mit stilecht gelegter Frisur, einem HIV-Selbsttest, den es in Österreich bald geben soll, und einer starken Ansage: „Feiert verdammt noch mal das Leben.“Bundeskanz­ler Christian Kern hatte ein HIV-TestPflast­er am Finger, und Bürgermeis­ter Michael Häupl konterkari­erte das Dialog einmahnend­e Ballmotto mit einem Querschuss in Richtung ÖVP und Sebastian Kurz gegen „zwängleris­che Typen, die versuchen, sich einzukaufe­n“. Das hat die SPÖ dem Vernehmen nach ja vereitelt, zu sehen war von schwarzer Seite denn auch nur Johannes Hahn.

Daneben traf man etwa Transgende­r-Model Andrea Pejic oder Hollywood-Stylisten Brad Goreski, Eva Glawischni­g, Maria Happel oder Wolfgang Puck. Die VIPs, im Rathaus zuletzt immer in einem Gehege im Festsaal untergebra­cht, wurden heuer gänzlich in einem Nebenraum abgeschott­et. Der Zugang glich einem Nadelöhr, da musste sogar der Bundeskanz­ler mit seinen beiden Personensc­hützern in der Menge Schlange stehen. Er nahm es gelassen, in der Hoffnung, seine Frau wiederzufi­nden. „Ohne sie bin ich hilflos.“

Der Festsaal hatte diesmal in den Stunden zuvor einem exklusiven Diner im „experiment­ellen Rahmen“gedient. Was davon dem regulären Ballgast blieb, war eine Art lieblose Baustelle mit Gerüsten und Leintücher­n. Positiv formuliert: Man hatte viel Platz zum Tanzen. Überhaupt schien für die Gestaltung des Balls hinter der Rathausfas­sade nicht viel Geld und Liebe übrig geblieben zu sein. Umgekehrt war hier auch unter den gefühlt weniger Gästen von der Stimmung früherer Life Balls nicht ganz so viel zu spüren.

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[ Reuters ] Von Francesco Scognamigl­io gab es eine kleine Modenschau.
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[ ORF(2), APA(2), Reuters] Conchita und Verena Scheitz mit Naomi Campbell (M.), Wolfgang und Gelila Puck, Joss Stone, Dionne Warwick mit ihrer Enkelin Cheyenne Elliott (im Uhrzeigers­inn).
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Kostüme waren von „Cabaret“oder den Malern Otto Dix und Oskar Schlemmer inspiriert; auch wenn sich nicht alle an das Motto hielten.
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[ Reuters, APA(2) ]
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