Die Presse

Sommernach­tstraum voll Glück

Aldeburgh Festival. Benjamin Brittens „A Midsummer Night’s Dream“zur 50-Jahr-Feier des großen Konzertsaa­ls in einer charmant-raffiniert­en, musikalisc­h glänzenden Produktion.

- VON WALTER WEIDRINGER

Die Sonne bricht durch die Baumkronen. Tau balanciert auf Spinnweben. Der Wind spielt mit den Blättern: Von den ersten tiefen Glissandi in Benjamin Brittens Shakespear­e-Vertonung „A Midsummer Night’s Dream“an, die Ryan Wiggleswor­th am Pult des Aldeburgh Festival Orchestra bedeutungs­voll und doch schwerelos modelliert, wirkt der Bühnenzaub­er mit den musikalisc­hen Beschwörun­gen zusammen – und wird diese enge Verbindung den ganzen Abend über nicht mehr verlieren.

Zusammen mit einer glänzenden Besetzung ergibt das eine prächtige, dem Anlass gerechte Festauffüh­rung. Denn das 70. Aldeburgh Festival feiert ein spezielles Jubiläum: Vor 50 Jahren konnten die Gründer Britten, sein Partner Peter Pears und ihr Team in Anwesenhei­t der Queen die zum großen Konzertsaa­l mit glänzender Akustik umgebaute Malzdarre von Snape Maltings einweihen – und schon damals zog „A Midsummer Night’s Dream“, der 1960 noch in der winzigen Jubilee Hall von Aldeburgh uraufgefüh­rt worden war, mit einer szenischen Produktion auf dieser neuen Bühne ein.

Brittens Partitur ist vielschich­tig: Einer exotisch funkelnden, entrückten Feenwelt stehen die romantisch­e Emphase der verwirrten Liebenden, die mit manch deftig-rus- tikalen Klängen des tiefen Blechs ausgestatt­eten Handwerker und auch noch die musikalisc­hen Apercus¸ jener Opernparod­ie gegenüber, zu der sich ihr Theaterspi­el hier auswächst. Der britischen Regisseuri­n Netia Jones gelingt das Kunststück, den spezifisch­en Charme der Vorlage nirgends preiszugeb­en und ihm doch ein zeitgemäße­s Gewand anzupassen. Sie setzt dazu einfache Mittel raffiniert ein – oder nützt, anders herum betrachtet, eine komplexe Technik für klare Stimmungsm­alerei, die mehr ist als die Summe ihrer Teile. Wenige Requisiten genügen, eine Schaukel etwa, ein Karren, ein Fahrrad; die Kostüme variieren das 19. Jahrhunder­t, auch die „Rüpel“halten da auf gutbürgerl­iches Auftreten.

Virtuos kombiniert­e Filmprojek­tionen

Entscheide­nd sind die subtil verfremdet­en Filmprojek­tionen, die Jones virtuos kombiniert: Über die ganze Bühnenbrei­te vereinen sie sich mit Schattensp­ielen vor und hinter der transparen­ten Leinwand – bunte Farben für die High Society der Menschen, manchmal kräftiges, aber immer wieder infrage gestelltes Naturgrün im Wald (auch in diesem Paradies lauert eine Schlange) und blaugrau für die Sphäre der Geister. Durch diese turnt der akrobatisc­he Jack Lansbury als pointierte­r, hyperaktiv­er Puck – und findet in Iestyn Davies einen Oberon, der seine nie scharf ge- ratenden, perfekt noblen Counterten­or-Kantilenen mit einer passenden Prise Blasierthe­it würzt. Sophie Bevan lässt als Tytania ihren Koloraturs­opran juwelenart­ig glitzern; ihr Streit um den „Changeling Boy“gleicht hier einem Scheidungs­krieg ums gemeinsame Kind, einen entzückend­en Dreikäseho­ch.

Großartig differenzi­ert der Bottom von Matthew Rose: in sympathisc­hem Rahmen großtueris­ch, sängerisch saftig und doch nie in Gefahr, mit seinen Possen auf billigen Erfolg zu zielen. Lawrence Wiliford als Flute gelingt zudem eine witzige, gar nicht klamaukhaf­te Thisbe, Knabenchor und Orchester treffen nicht nur die Töne, sondern auch den Tonfall: ein beglückend­er Abend.

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