Wiendebüt eines umstrittenen Jungdirigenten
Lionel Bringuier begeisterte im Musikverein das Publikum.
Die einen lieben ihn, die anderen warten sehnsüchtig auf die Trennung von ihm: Die Rede ist vom Franzosen Lionel Bringuier, der 2012 mit nur 27 musikalischer Leiter des Tonhalle-Orchesters Zürich wurde, angeblich „Liebe auf den ersten Blick“zwischen ihm und den Musikern. 2016 allerdings folgte die Ernüchterung: Bringuiers Vertrag wurde nicht verlängert. Paavo Järvi wird ab 2019/20 die Leitung übernehmen. Obwohl das Orchester keine offizielle Stellungnahme dazu abgegeben hatte, wurde Brengier medial als „zu unreif“für das Schweizer Traditionsbewusstsein tituliert, sein schmales Repertoire getadelt. Umgekehrt vernimmt man, es könnte auch die Schweiz gewesen sein, die noch nicht bereit war für sein Talent.
In Wien blieb man von solchen Diskussionen verschont, Bringuiers Debüt im Musikverein am Samstag bestritt er mit den Wiener Symphonikern. Für Leonidas Kavakos sprang Arabella Steinbacher als Solistin ein, die mit Prokofieffs zweitem Violinkonzert in g-Moll brillierte. Obwohl sie die Interaktion mit dem Orchester auf ein Minimum beschränkte, gelang es Bringuier, die musikalische Verbindung aufrechtzuerhalten. Ohne sichtbare Ermüdungserscheinungen führte er seine Bewegungen häufig über Kopfhöhe aus und gab die Impulse aus den Schultern. Wo es im ersten Teil noch an differenzierter Dynamik, nicht aber an Intensität fehlte, überzeugten die Symphoniker mit Dvorˇaks´ Neunter. Gleich seitenweise vergaß Bringuier aufs Blättern in der Partitur, ließ lieber Dvoˇraks´ fluvialen Klangteppich wirken. Das Publikum reagierte zu Recht begeistert auf die solide Leistung des sympathischen Newcomers. (esa)