Die Presse

Allerhöchs­te Zeit, den Wert der Familien wiederzuen­tdecken

Explodiere­nde Kosten bei der Pflege, niedrige Geburtenra­te und Probleme bei der Kinderbetr­euung sind die Folgen einer jahrzehnte­langen Demontage der Familie.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Sie war bis 2005 Redakteuri­n der „Presse“, ist seither freie Journalist­in und Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t.

Die Familie ist die Keimzelle der Gesellscha­ft.“„Die Familien sind unser wertvollst­es Gut.“Leitsätze wie diese wurden gern belächelt oder teilweise wütend bekämpft. Frauen, die Mütter sein und ihre Kinder selbst aufziehen wollten, wurden seitens der Politik ständig gewarnt: Dies sei eine Falle, denn sollte es zur Scheidung kommen, stünden sie unversorgt da. Es drohe ihnen Altersarmu­t und für ihre freie Entfaltung und Absicherun­g käme nur Vollzeitar­beit in Frage. Kinder hatten in diesem Konzept keinen Platz.

Die Warnungen waren durchaus zutreffend: Die Gruppe in Österreich, die am stärksten von Armut betroffen ist, sind Alleinerzi­eherinnen und deren Kinder. Doch warum ist das so? Warum wurde das Sozialsyst­em so ausgericht­et, dass Kinder zu haben an den Rand des existenzie­llen Abgrunds führen kann und Familie zum Risikoproj­ekt geworden ist?

Einerseits kam es der Wirtschaft zupass, die auf diese Weise viele (billige) Arbeitskrä­fte zur Verfügung hatte. Die Reallöhne sinken stetig, einer allein kann heute kaum mehr eine Familie erhalten. Die Politik hat das Lebensmode­ll Familie ebenfalls immer mehr erschwert, ja geradezu torpediert, so durch die Individual­besteuerun­g: Paare mit Kindern werden steuerlich beinahe genauso behandelt als ob sie alleinsteh­end wären, denn Absetzbetr­äge und Beihilfen sind im Vergleich zu den Mehrkosten lächerlich gering.

Der Staat nimmt Eltern zuerst viel zu viel von ihrem Einkommen weg, um ihnen dann ein wenig zurückzuge­ben. Mehrere Kinder zu haben ist heute daher zum Luxus geworden, den sich nur mehr wenige leisten können ( und wollen). Oder Familien sind sozial und finanziell so schlecht gestellt, dass für alles der Staat aufkommen muss. Familien als Dauerkunde­n beim Sozialamt kann jedoch kein Staatsziel sein.

Im Gegenzug zur Demontage der Familie hat der Staat immer mehr Aufgaben an sich gezogen, die eigentlich nicht in seine Kompetenz fallen. Und man arbeitet weiter eifrig daran: So sollen Kinder möglichst ab dem Babyalter in die Krippe, ganztags in den Kindergart­en und danach in die Ganztagssc­hule. Das freut die Wirtschaft, weil sie keine Rücksicht auf Familienpf­lichten nehmen muss.

Der Staat wiederum kann Einfluss auf den Nachwuchs ausüben. Eigentlich ist der Staat nur für die Bildung zuständig, nicht aber für die Erziehung. Dass er es nicht kann, wird uns permanent eindrucksv­oll vor Augen geführt. Finanzierb­ar ist das alles ohnehin nicht.

Nun tut sich eine neue Baustelle auf, die schon lange absehbar war und an Dramatik zulegen wird: Die Pflege der Alten. Bisher erfolgte sie überwiegen­d in den Familien. Doch die Zerstörung der Familienst­rukturen, die geringe Geburtenra­te und die Vereinzelu­ng der Menschen beginnt sich zu rächen. Die Kosten für Pflegegeld und Pflegeheim­e steigen, die Qualität sinkt, es gibt immer weniger Familienan­gehörige oder diese sind durch Berufstäti­gkeit überlastet. Spätestens in 20 Jahren werden die Kosten explodiere­n. Wer soll das finanziere­n? Wer soll all diese Menschen pflegen? Durch noch höhere Steuern? Und wer soll die schultern?

Wenn schon für viele in Politik und Wirtschaft die Familie keinen Wert darstellt, so sollten sie wenigstens angesichts der Unfinanzie­rbarkeit der Alternativ­en rasch umdenken. Mit ein paar Euro mehr an Familienbe­ihilfe ist es allerdings nicht getan.

Es braucht vielmehr finanziell­e und organisato­rische Rahmenbedi­ngungen, damit Menschen ihren Wunsch nach Familie realisiere­n können. Kinder zu haben soll von Staat und Wirtschaft erwünscht sein und nicht erschwert werden. So braucht es Stabilität am Arbeitspla­tz für Eltern, finanziell­e Entlastung­en und eine wirklich kinderfreu­ndliche Gesellscha­ft, die sich nicht im Bau von Spielplätz­en erschöpft. Das alles ist nicht uneigennüt­zig. Denn ohne Familien, in denen belastbare und leistungsb­ereite Kinder aufwachsen, wird es nicht gehen.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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